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„Die Stimmung in der bayerischen Biotech-Gründerlandschaft ist sehr gut“ – Interview mit Prof. Dr. Horst Domdey

Rund 630 Mio. EUR flossen im vergangenen Jahr durch Börsengänge, Finanzierungsrunden und Verkäufe in Unternehmen aus dem IZB Martinsried. Fast gleichzeitig zur Veröffentlichung dieser Zahlen wurde mit dem „Center for Advanced Regenerative Engineering“, an dem moderne Stammzelltechnologien mit der Pharmaforschung kombiniert werden sollen, ein weiteres Prestigeprojekt des Freistaats vorgestellt. 15 Mio. EUR steuert das Land für den Aufbau des Translationszentrums bei. Alles in Butter also bei der bayerischen Biotech-Szene?
Prof. Dr. Horst Domdey im Gespräch mit dem VC-Magazin.

Biotechnologie galt lange – insbesondere in der Zeit nach dem Neuen Markt – als schwieriges Terrain. Wie steht es heute um die Branche in Bayern?

Die Biotechnologie im Freistaat hat sich über die Jahre hinweg sehr gut behauptet. Aufgrund der in Bayern – und Deutschland insgesamt – leider sehr kleinen Venture Capital-Landschaft für Biotechnologie und Life Sciences ergibt sich bei den meisten Unternehmen die Besonderheit, dass es ein Teil der Businessplanes ist, möglichst frühzeitig Umsätze zu generieren, um nicht auf die großen Investments angewiesen zu sein. Beispiele dafür sind Service- oder Technologieunternehmen oder Geräteentwickler wie beispielsweise ibidi, Nanion Technologies oder NanoTemper Technologies. In diesen Bereichen sind wir hervorragend aufgestellt. Das große Potenzial neuer therapeutischer Konzepte, das z.B. an den Universitäten schlummert, wird leider noch zu wenig genutzt.

Dem Thema Startups kommt in der Zwischenzeit großes mediales Interesse zu. Wirkt sich das auch auf die bayerischen Gründungszahlen im Biotech-Sektor aus?

Die zunehmende Berichterstattung rund um Startups hat meines Erachtens keinen Einfluss auf das Gründungsgeschehen. Vielmehr nehmen wir eine generell sehr gute Stimmung in der bayerischen Biotech-Gründerlandschaft wahr. Viele Wissenschaftler sind von der Qualität ihrer Produkte überzeugt und wagen den Schritt hin zu einer eigenen Gründung – auch unter dem Aspekt der Finalisierung der wissenschaftlichen Fragestellung. Eine interessante Entwicklung, die sich in den letzten Jahren beobachten lässt, ist, dass der wissenschaftliche Kopf hinter neuen Technologien nicht mehr zwingend mit ins Unternehmen einsteigt. Das ist oft auch gar nicht nötig, denn viele Forscher sind in ihrem Fachbereich ausgezeichnet, haben aber leider nie gelernt ein Produkt zu verkaufen.

Unternehmerisches Gedankengut sollte noch leichter in die Naturwissenschaften Einzug halten können

Wie gelingt der Transfer von der Forschung in die Wirtschaft? Welche Herausforderungen gibt es?

Die Branche in Bayern basiert fast ausschließlich auf den Aktivitäten der akademischen Szene. Die meisten Gründungen stammen daher aus den beiden Münchner Universitäten, den Max-Planck-Instituten oder dem Helmholtz Zentrum. Ausgründungen aus bestehenden Unternehmen – wie man sie beispielsweise in der Schweiz mit Roche und Novartis sieht – gibt es hingegen bisher kaum, vielleicht ändert sich bei reiferen Unternehmen aber hier auch gerade die Geschäftspolitik etwas. Für die akademische Ausbildung wäre es absolut wünschenswert, wenn das unternehmerische Gedankengut noch leichter in die Naturwissenschaften Einzug halten könnte. Leider gibt es dabei noch immer Vorbehalte der Entscheidungsträger, dies in Studieninhalte zu integrieren. Meines Erachtens hat man Sorge, die Studierenden würden dadurch zu sehr vom eigentlichen Ziel der Fachausbildung abgelenkt. Beim Technologietransfer aus den Universitäten hat sich in der jüngeren Vergangenheit einiges getan, trotzdem ist der Status quo noch nicht befriedigend: Die Technologietransferstellen und auch die Patent- und Lizenzagenturen sind nach wie vor chronisch unterfinanziert.

Alleine die Unternehmen aus dem IZB Martinsried haben 2015 rund 630 Mio. EUR durch Börsengänge, Finanzierungsrunden und Verkäufe eingesammelt. Wie ist es um die Finanzierungsmöglichkeiten der Branche bestellt?

Manches von diesem hoch erscheinenden Finanzvolumen ist ein „Blankoscheck auf die Zukunft“, da muss man die Kirche auch etwas im Dorf lassen. Viele Gründungen finden aber nun einmal in und um München statt, da hier der Zugang zu Kapital leichter ist als in den meisten anderen Regionen Bayerns. Bei der Finanzierung der jungen Unternehmen nimmt auch in Bayern der High-Tech Gründerfonds (HTGF) eine wichtige Rolle ein. Bevor es den HTGF gab, war BioM fast alleinverantwortlich für Seed-Finanzierungen im Biotechnologie-Sektor. Inzwischen treten wir mehr als Co-Investor auf. Die Herausforderung ist aber – wie in vielen anderen Branchen auch – im Anschluss an ein Seed-Investment die 1. Finanzierungsrunde einzuwerben. Im Jahr 1999 gab es allein in München rund 35 Venture Capital-Gesellschaften, die im Bereich Life Sciences finanziert haben, heute ist es deutschlandweit nur mehr eine Handvoll. Daher gilt es, neue Finanzierungswege zu finden und z.B. auch bei innovativen Projekten mit der lokalen Biotechnologie-Branche zusammenzuarbeiten, um sie trotz der ungünstigen Ausgangslage auf den Markt zu bringen. Aktuell arbeiten wir daran, ein Team aufzustellen, dass das Konzept für einen bayerischen Life Sciences- und Biotechnologie-Venture Capital-Fonds ausarbeitet.

Welche Fördermittel gibt es, um dem Finanzierungsengpass zu begegnen?

Für die Pre-Seed-Finanzierung gibt es das GO Bio-Programm, dessen Konzept wir einst bei BioM entwickelt haben. Dieses Konzept haben wir dann auch an das Bundeswirtschaftsministerium weitergereicht und es wurde dadurch zum Teil die Vorlage für die Exist-Förderung. Darüber hinaus gibt es in Bayern die Flügge-Initiative, die Wissenschaftlern die Möglichkeit bietet eine Auszeit von der Forschung zu nehmen und sich mit Innovation zu beschäftigen. Zuletzt haben wir im Rahmen des Spitzenclusterprogramms den m4 Award ins Leben gerufen. Der Award wird im jährlichen Wechsel an fünf Teams aus den Bereichen Biotech bzw. Medtech vergeben und unterstützt diese mit bis zu 500.000 EUR. Ein tolles Beispiel für Gründungen aus dem Award ist u.a. das Unternehmen PreOmics, das aus einer Arbeitsgruppe von Prof. Matthias Mann, MPI f. Biochemie, entstanden ist.

Prof. Dr. Horst Domdey ist Geschäftsführer der BioM Biotech Cluster Development GmbH sowie der BioM AG, Martinsried. Außerdem ist er Sprecher des „Cluster Biotechnologie Bayern“ im Auftrag der bayerischen Staatsregierung und Sprecher des Münchner Spitzenclusters „m4 – Personalisierte Medizin und zielgerichtete Therapien“.