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„Wir sind kein Accelerator, sondern ein Venture Client“ – Nachgefragt bei der BMW Startup Garage

Seit März 2015 arbeitet die BMW Startup Garage daran, junge Unternehmen in den Innovationsprozess des Münchner Weltkonzerns einzubinden. Wir konnten mit Gregor Gimmy, einem der beiden Initiatoren der BMW Startup Garage, über verschiedene Venturing-Ansätze, die Rolle der „old economy“ und den Culture Clash zwischen Konzernen und Startups sprechen.

Die BMW Startup Garage will kein Accelerator sein. Was seid Ihr dann?

Wir sind kein Accelerator, sondern ein Venture Client. Das bedeutet, wir werden Kunde eines Startups zu einem Zeitpunkt, zu dem es noch ein „Venture“ ist, weil beispielsweise das Produkt des Startups noch nicht marktreif ist.

Der Prozess funktioniert so: Im ersten Schritt geht es uns darum, BMW bei Startups bekannt zu machen. Wir müssen weltweit kommunizieren, was unser Mehrwert und unsere Ziele sind. Jetzt bewerben sich viele Startups bei uns, 90% von außerhalb Deutschlands.

Aus den Bewerbern suchen wir im nächsten Schritt die besten aus: Market-Leader, die etwas anbieten, was wir bei BMW und aktuellen Lieferanten noch nicht haben. Startups, die mit uns zusammenarbeiten, müssen besser sein als zum Beispiel Intel, SAP, Qualcomm, wer auch immer in dem konkreten Bereich tätig ist.

Im Anschluss suchen wir geeignete Fachbereiche bei BMW, die der erste Kunde für das Startup werden könnten. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Artificial Intelligence: Das kann man bei BMW an vielen Stellen brauchen — von den Werkstätten über die Produktion, den Service bis zum Einsatz im autonomen Auto.

Wir suchen dann ein gemeinsames reales Projekt — kein Demo-Projekt –, in dem das Startup seine Innovation in direkter Zusammenarbeit mit dem Fachbereich (dem Kunden, nicht einem Mentor) erproben kann. Das Projekt dauert maximal 4 Monate und das Startup wird dafür natürlich bezahlt. Denn BMW ist nun Kunde des Startups und das Startup bekommt eine Lieferantennummer und eine Bestellung, wie alle anderen Lieferanten.

Das Team der BMW Startup Garage: Gregor Gimmy, Ana Carolina Alex und Matthias Meyer. (v.l., Foto: BMW)
Das Team der BMW Startup Garage: Gregor Gimmy, Ana Carolina Alex und Matthias Meyer. (v.l., Foto: BMW)

Wie geht es dann weiter?

Bei erfolgreichem Abschluss des ersten Auftrages bekommt das Startup weitere Folgeaufträge. Die BMW Startup Garage kauft keine Anteile, sondern die Technologie, auch wenn diese auf Prototypenstatus ist. Diese validieren wir dann im gesagten ersten Projekt in unserem Ecosystem — sei es in einem Fahrzeug, einer Fabrik oder einem Service. Ziel ist, uns nach diesen 4 Monaten so gut zu kennen, dass wir eine langfristige Partnerschaft mit den dazugehörigen Folgeaufträgen definieren können.

Ihr nennt Eure Arbeit Venture-Client-Ansatz. Ist dieses Modell dem klassischen Venture Capital überlegen?

Die beiden Ansätze sind komplementär: Venture Client eignet sich dafür, mit Startups in einer sehr frühen Phase zusammenzuarbeiten und sie in ein reales Innovationsprojekt einzubinden. So verstehen wir schnell, wie gut die Technologie zu BMW passt und das Startup versteht, wie sie mit uns zusammenarbeiten können. Wenn ich sehe, dass das funktioniert, könnte BMW i Ventures im nächsten Schritt dann Venture Capital investieren. Das ist aber kein Muss und auch nicht das Ziel. Unser Ziel ist, Innovationen von Startups schnell zu integrieren.

Da die fixen Kosten eines Investments sehr hoch sind, ist man im Corporate Venture Capital (CVC) auf wenige, vielleicht fünf oder zehn Startup-Investments im Jahr beschränkt. Mit dem Venture-Client-Approach kann ich sehr viel mehr Startups ins System nehmen und erziele so einen sehr hohen und effizienten Impact auf unsere Innovationskraft. Und Startups wollen vielleicht gar kein Investment von einem Corporate, gerade nicht im Early Stage, weil sie dadurch Flexibilität verlieren könnten und schon viele andere Investoren haben. Mit BMW als Venture Client in einem frühen Stadium bekommen sie dagegen schon früh einen Kunden und dessen Validierung. Das erhöht den Wert des Startups, ohne die Kapitalstruktur zu verwässern.

Sitzt Ihr bewusst in Garching und nicht im BMW Vierzylinder, um mehr Freiräume zu haben?

Damit hat das nichts zu tun: Es geht uns am allerwenigsten darum, Freiräume zu kreieren. Unser primäres Ziel ist es nicht, die BMW-Kultur zu verändern. Es geht uns darum, Marktführer in strategisch relevanten Technologien zu finden und mit diesen Partnerschaften schnell und unkompliziert einzugehen, um schneller bessere Produkte auf den Markt bringen zu können. Ich finde den Namen Startup auch immer etwas schwierig — im Endeffekt geht es uns um Marktführer. Und der ist zufällig 3, 4 oder 5 Mann schwer und erst 2 Jahre alt, weil sie an Technologien arbeiten, die auch noch nicht sehr viel älter sind. Wichtig ist aber, dass wir in München sitzen und nahe am Innovationsprozess bei BMW sind. Die gesamte Innovationsstrategie und deren Umsetzung passiert in München.

Geht es auch darum, dass Startups durch Euer Programm die Abläufe bei BMW verstehen?

Uns geht es darum, die Innovation eines Startups schnell zu integrieren. Wenn wir die BMW Startup Garage in Berlin angesiedelt hätten, wäre es durch die geographische Entfernung schwerer, das Drumherum zu verstehen und schnell Kunden für das Startup zu finden — und das erleichtert schlussendlich auch die Integration. Das Ziel eines Startups ist es, seine Technologien an BMW zu verkaufen und unser Ziel ist es, die Technologie schnell zu integrieren.

Führen kulturelle Unterschieden zwischen Startups und Fachbereichen im Konzern zu Kommunikationsproblemen?

Kulturelle Unterschiede sind hier völlig irrelevant. Es wäre das gleiche, wenn wir beispielsweise eine bestimmte Technologie von Apple, Microsoft, Qualcomm brauchen würden, um unsere Produkte und Prozesse zu verbessern. Es geht nur darum, dass deren Technologie in unserem Ecosystem wertschöpfend funktioniert.

Wenn ich jetzt natürlich sage, ich kaufe die Firma, ist das anders: Mit einem Culture Clash wird die Akquisition nicht funktionieren.

Eindrücke aus der BMW Startup Garage:

Euch geht es überhaupt nicht um Förderung, Unterstützung oder den Aufbau von Startups, sondern um eine Kunden-Lieferanten-Beziehung auf Augenhöhe, richtig?

Ja und das ist genau das, was das Startup am meisten von uns braucht. Ein Startup funktioniert deswegen, weil es Firmen oder Konsumenten gibt, die deren Produkte kaufen. Ein Startup sollte nur existieren, wenn es zehnmal besser ist als alles andere auf der Welt. Nur deshalb arbeiten wir mit denen zusammen und deshalb gibt es auch die BMW Startup Garage: Weil wir wissen, dass Startups in einigen Bereichen einfach besser sind.

Und woran liegt es, dass Startups besser sind?

Die einfache Erklärung ist: Vieles ist heutzutage sehr Software-basiert. Wenn man sich Leute wie Bill Gates oder Mark Zuckerberg ankuckt: Die haben alle seit dem Teenager-Alter programmiert. Die kommen mit 20-30 Jahren auf den Markt und haben schon 10-20 Jahre Berufserfahrung. Bei dem Maschinenbauingenieur früher war das anders. Der hat nicht schon im Hobbyraum Autos zusammengebastelt.

Startup-Gründer sind deshalb bei neuen Software-Technologien, sei es Machine Learning, sei es Cloud, Big Data oder Analytics zum Teil viel besser als die Großkonzerne. Deswegen müssen wir unbedingt mit diesen Leuten zusammenarbeiten und auf eine ganz unkonventionelle Art im Vergleich zu früher.

Warum sind US-Konzerne bei der Zusammenarbeit mit Startups zum Teil weiter als deutsche?

Das Silicon Valley funktioniert überhaupt nur, weil die Großkonzerne dort sehr effizient mit Startups zusammenarbeiten. Zum einen kaufen sie sehr früh die Produkte und die Technologie von Startups — was ich „Venture Client“ nenne. Außerdem kaufen sie ganze Startups. Im Innovationsprozess dieser Konzerne sind Startups damit ein ganz wichtiges Element.

Und im Gegensatz zu deutschen Großunternehmen waren viele Konzerne im Silicon Valley vor nicht allzu langer Zeit selbst Startups. Entweder sind die Gründer noch im Unternehmen oder das ist in der DNA des Unternehmens verankert. So ziemlich jeder Silicon Valley Großkonzern — sei es zum Beispiel Facebook, Google, Cisco, Salesforce, Apple, Intel oder HP — ist selbst mit Venture Capital groß geworden. Und viele sind „Lieferanten“, also B2B Konzerne.

Viele sprechen ja von Startups als „neuem Mittelstand“. Wie wird sich das Verhältnis von „old“ und „new economy“ in Deutschland ändern?

Gerade in Deutschland sehe ich ein großes Potenzial im Mittelstand — und das umfasst ja in Deutschland auch Unternehmen, die eine Milliarde und mehr Umsatz machen. Oft leiten Mitglieder der Gründerfamilien diese Unternehmen und die haben noch den entsprechenden Spirit. Die Zusammenarbeit von Mittelständlern mit Startups war bisher meist auf Venture Capital limitiert. Das Problem dabei ist: Venture Capital ist sehr teuer und ein sehr wettbewerbsintensiver Markt. Für eine Venture-Capital-Unit muss ich mir ein Team ins Unternehmen holen, Entscheidungsprozesse ändern und bekomme vielleicht nur kleine Beteiligungen, nicht selten unter 1%. Und nur 20% der CVC-Investments schaffen eine Integration der investierten Technologie in das Mutterschiff. Als pures Innovationstool ist CVC also sehr kostspielig. Mit dem Venture-Client-Ansatz schaffen wir 100% Transfer, bei geringeren fixen Kosten als bei einem Aktienkauf.

Wenn diese Unternehmen das Venture-Client-System lernen, haben sie ein direktes Tool zur Zusammenarbeit. Der Ansatz bietet eine einfachere Methodik, mit jungen Unternehmen zusammenzuarbeiten und kann vieles ankurbeln.

Vielen Dank für das Gespräch!