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Porträt Medineering: Roboter als OP-Assistenz

Das Münchner Startup Medineering bietet robotische Assistenz für die HNO-Chirurgie an, um Chirurgen von physisch anstrengenden Aufgaben zu entlasten. So können sich Chirurgen stärker auf Aufgaben konzentrieren, die ihr individuelles Können erfordern.

Die so genannte robotische Assistenz besteht aus einem intelligenten Positionierarm, der ganz einfach am OP-Tisch angeschraubt wird. Auf den Arm wird ein kleiner Roboter aufgesteckt, der für eine bestimmte Aufgabe optimiert ist. Das kann beispielsweise die Führung eines Endoskops sein. Endoskopische Operationen in der Nase sind heutzutage Standard. Das hat jedoch dazu geführt, dass Chirurgen während solcher Eingriffe nur noch mit einer Hand operieren können, da sie in der anderen Hand das Endoskop halten müssen.

Perspektivisch bieten sich mit Medineering also ganz neue Operationstechniken. Gegründet wurde das Unternehmen von Dr.-Ing. Maximilian Krinninger und  Dr.-Ing. Stephan Nowatschin. Ihr Ziel:

„Wir wollen die Arbeitssituation von Chirurgen mit Hilfe robotischer Assistenz verbessern. Unsere erste Lösung ermöglicht beispielsweise Chirurgen das zweihändige Operieren während endoskopischer Eingriffe in der Nase.“

Vorteile des zweihändigen Operierens sind beispielsweise die Zeitersparnis und die bessere Sicht, da permanent Blut abgesaugt werden kann.

Aber wie kamen die Gründer dazu, Medineering zu gründen? Für beide gab es eine ganz persönliche Motivation. Nach der Promotion in Medizintechnik arbeiteten Stephan und Maximilian in Medizintechnikunternehmen. Maximilian sagt:

„Das Thema Robotik begleitet und fasziniert uns beide seit über zehn Jahren. Und wir kannten den jahrelangen Wunsch der Chirurgen nach robotischer Assistenz bei der Kopfchirurgie.“

Die USA ist voraus – das will Medineering ändern

Parallel dazu fiel den Jungunternehmern auf, dass das Thema auf dem US-Markt einen immer größeren Stellenwert einnahm — während die deutschen Unternehmen eher zurückhaltend agierten, obwohl der deutsche Markt eigentlich führend in der Medizintechnik ist.

Maximilian führt aus:

„Diese Situation hat uns leider stark an die Debatte rund um die Elektromobilität erinnert. Wir wollten aber nicht auf die amerikanischen Teslas der Medizinrobotik warten, sondern selbst Vollzeit dafür arbeiten, dass Chirurgen mit Hilfe von Robotik ihr Potenzial entfalten können.“

Natürlich brachte diese Entscheidung auch Risiken mit sich. Stephan kündigte seinen Job, noch bevor er mit dem ersten Investor gesprochen hatte:

„Insbesondere Barbara, Harald und Carsten vom BayStartup-Team waren während der Gründungsphase eine große Hilfe, da sie uns die Kontakte zu unseren damaligen Investoren vermittelt haben.

Heute sind wir sehr glücklich darüber, dass wir diesen Schritt gewagt haben!“

Von Wünschen und Prototypen

Letztlich hat sich gezeigt, dass ein Startup genau den richtigen Rahmen bietet, um die Technologie zu etablieren. Denn auch die Chirurgen schätzen die kurzen Kommunikationswege und die Flexibilität von Medineering sehr. Die Ärzte wissen, dass ihre Anregungen vom Gründerteam aufgenommen werden, und das Startup versucht, die Wünsche schnell umzusetzen.

Nach der Seed-Finanzierung im August 2014 gab Medineering Gas. Der erste Meilenstein war die Fertigstellung eines Prototypen des Positionierarms. Bereits im Frühjahr 2015, ein halbes Jahr nach der Aufnahme des operativen Geschäfts, konnten die Gründer den Prototypen vorweisen. Stephan zeigt sich stolz:

„Damit war unsere neuartige Herangehensweise an das Thema robotische Assistenz erstmals auch physisch sichtbar und wir haben sehr viel Aufmerksamkeit und positives Feedback bei Medizintechnik- und Robotikunternehmen bekommen.“

Ein weiterer wichtiger Meilenstein war die nachfolgende Series A- Finanzierungsrunde. Im Frühjahr 2016 konnte das junge Medtech-Unternehmen die Medizintechnikfirma Brainlab aus München als Investor und Kooperationspartner gewinnen. Dadurch kann der Ansatz von Medineering auch Patienten der Neurochirurgie zugänglich gemacht werden.

Eine Herausforderung: Die (internationale) Zulassung

An Erfolgen mangelt es bei diesem Münchner Startup also nicht. Aber auch Herausforderungen kennen die Gründer. Schließlich müssen in Deutschland Medizinprodukte zugelassen sein. Die Zulassungsprozesse können sehr aufwendig sein. Gleichzeitig werden die regulatorischen Anforderungen immer komplexer und verzögern damit Innovationen. Hinzu kommt, dass die Prozesse sich von Land zu Land unterscheiden.

Jedoch ist die Zulassung fast greifbar. Medineering ist optimistisch, dass die CE-Zulassung des Robotersystems für den europäischen Markt in Kürze erteilt wird. Als nächstes steht dann die Erschließung des amerikanischen Markts an. Die Zulassung der FDA gestaltet sich im Moment als sehr herausfordernd.

Auf die Frage nach dem besten Rat, den sie je bekommen haben, meint Stephan:

„Im Startup geht es darum, Dinge voranzubringen und zu machen. Deshalb halten wir es wie Theordore Roosevelt und sagen uns ‚Wenn der Moment der Entscheidung kommt, ist das Richtige das Beste, was Du tun kannst, das Falsche das Zweitbeste und das Schlechteste, was Du tun kannst, ist gar nichts‘.“

Als ausschlaggebend für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung sieht Medineering die guten Mitarbeiter.

Offene Kommunikationskultur, klare Ziele

Maximilian ergänzt:

„In einem Startup kann sich Niemand verstecken und der Input eines jeden Einzelnen ist sichtbar und wichtig für den Erfolg. Aus diesem Grund finden wir eine offene Kommunikationskultur und klare Zielformulierungen essentiell. Nur wenn jeder Mitarbeiter sich mit den Unternehmenszielen identifiziert, wird dieser auch sein volles Potenzial entfalten.“

Das Potenzial komplett nutzen — das ist essentiell. Denn die Gründer haben noch viel vor. In fünf Jahren möchten sie ihre robotische Assistenz mit vielen unterschiedlichen anwendungsspezifischen Robotern anbieten. In zehn Jahren wollen sie ihre dann führende Marktposition im Bereich der Medizinrobotik verteidigen. Auch im Blick: Ein gutes Innovationsmanagement, das es ermöglicht, Kundenwünsche noch effizienter aufzunehmen und Prototypen schnell zu realisieren.