Das Münchner Media Lab (Foto: Munich Startup)

Neues aus dem Media Lab: TheBuzzard.org und Picter im Porträt

Fake News und „Lügenpresse“-Geschrei, schwindende Anzeigenerlöse und digitaler Wandel: Die Medienbranche ist im Umbruch. Das Media Lab Bayern unterstützt Startups, die neue Lösungen für die Medienbranche entwickeln. Wir haben mit zwei Startups im Münchner Medienaccelerator gesprochen.

Die Gründer von TheBuzzard.org, Felix Friedrich und Dario Nassal, wären beinahe zu klassischen Journalisten geworden. Sie haben Politik studiert, arbeiteten daneben bei Radio und Tageszeitung. Der Weg in den Journalismus habe ihm aber nicht gereicht, so Dario Nassal:

„Wir interessieren uns für unterschiedliche, authentische Perspektiven auf Politik und wollten wissen, was Leute abseits der großen Medienhäuser schreiben. Nach wie vor finde ich es extrem wichtig, diese unterschiedlichen Perspektiven auf das Weltgeschehen wahrzunehmen: Was sagen Blogger, Aktivisten, Wissenschaftler — von allen Ecken des politischen Spektrums?  Das bildet die Realität besser ab, als wenn man nur die Sicht von einem einzelnen Journalisten liest, wie das in der klassischen Tageszeitung der Fall ist.“

Die Entscheidung gegen eine klassische Journalismus-Karriere kam also aus einem gewissen Idealismus heraus, sagt Nassal:

„Mit einer einzelnen Geschichte verändere ich weniger als wenn ich eine ganze Plattform baue.“

TheBuzzard-Mitgründer Dario Nassal, Foto: Munich Startup

Gemeinsam mit ihrem Mitgründer, dem Softwareentwickler Alexander Diete, entwickelten Friedrich und Nassal eine Plattform, die unterschiedliche Meinungen, Ansichten und Perspektiven zu einem Thema sammelt. Ziel von TheBuzzard ist es, Medienkonsumenten unterschiedliche, auch von der eigenen Meinung abweichende Perspektiven zu zeigen. Denn dadurch, dass Nachrichtenkonsumenten im Internet Zugriff auf so viele Informationen hätten, habe sich in vielen Fällen die Personalisierung von Inhalten durchgesetzt, so Nassal:

„Wir sehen immer mehr nur noch, was uns oder unseren Freunden gefällt. Besonders geschlossen sind natürlich Snapchat oder WhatsApp aber auch Zeitungen personalisieren immer mehr.“

TheBuzzard möchte den öffentlichen Diskurs erweitern, mehr Perspektiven ins Spiel und Filterblasen zum Platzen bringen. Ein Unternehmen, das Umsätze erzielt und eine Strategie verfolgt, hatten die Gründer zunächst nicht im Sinn. Für Medienstartups ist TheBuzzard damit ein recht typischer Fall: Zuerst entsteht die Lösung, dann das Unternehmen.

Das Startup sitzt noch bis Ende des Jahres im Media Lab Bayern. Der Accelerator der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien bietet Büroräume, finanzielle Unterstützung und Coachings.

Von der Problemlösung zum Startup

Ebenfalls bis Ende des Jahres arbeitet Picter im Media Lab. Das Unternehmen entwickelt eine Plattform für Bilddatenlogistik. Mitgründer Simon Karlstetter erklärt das Prinzip:

„Das Arbeiten mit Bilddaten ist bisher sehr umständlich und ineffizient. Der Produzent, zum Beispiel ein Fotograf, hat hochauflösende Fotos, die er so aber niemandem schicken kann, weil die Dateien viel zu groß sind.“

Jeder Empfänger habe unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen. Der Fotograf müsse die Daten deshalb in verschiedenen Größen und in unterschiedlicher Auflösung neu ablegen, um sie zum Verwender zu schicken. Dadurch entstünden nicht nur unglaubliche Mengen an überflüssigen Datei-Duplikaten, sondern, so Karlstetter:

„Das kostet auch Zeit und Geld. Und genau hier setzt Picter an. Dank Picter wird das Verschicken von Bilddaten überflüssig. Der Fotograf lädt seine Bilder einmal auf Picter hoch und von hier aus kann er beliebig Verwaltungsberechtigungen für die hochauflösenden Daten vergeben, die sicher online in der Cloud gespeichert sind. Picter liefert dem Empfänger die jeweils richtige Auflösung für den jeweiligen Verwendungszweck.”

Zwei der Picter-Gründer: Claudio Ricci (l.) und Simon Karlstetter (r.), Foto: Picter
Zwei der Picter-Gründer: Claudio Ricci (l.) und Simon Karlstetter (r.), Foto: Picter

 

Die Idee zur Plattform kam den Gründern, weil sie selbst Bedarf an einer Lösung hatten: Die Gründer von Picter stehen ebenfalls hinter dem non-profit Fotomagazin Der Greif, das dieses Jahr sein zehntes Jubiläum feiert. Als Blattmacher haben die Gründer unmittelbar erlebt, wie schwierig es ist, im größeren Stil mit Bilddaten zu arbeiten:

„Wir bekommen Bilder aus der ganzen Welt. Wir müssen uns darum kümmern, dass wir die Dateien in der richtigen Größe und zum richtigen Zeitraum erhalten. Außerdem müssen wir darauf achten, dass wir die Bilder rechtssicher verwenden können. Wir haben uns dann ein System gebaut, um dieses Thema effizient anzugehen. Erst im Anschluss haben wir gemerkt, dass wir mit unserem System ein Problem gelöst haben, das andere Organisationen, die viel größer sind als wir, auch haben.“

„Das meiste lernt man dadurch, dass man es tut.“

Ein naheliegender Schwachpunkt von jungen Gründern aus der Medienbranche liegt im Unternehmerischen. Das Media Lab Bayern unterstützt die Teilnehmer seines Fellowships deshalb mit Coachings und Workshops. Dario Nassal von TheBuzzard erzählt:

„Als wir ins Media Lab gekommen sind, waren wir noch völlige Anfänger. An der Uni hatten wir weder mit Mathe, noch mit BWL zu tun. Als wir die Idee hatten, die Plattform zu bauen, haben wir uns auch überhaupt nicht damit beschäftigt, ob und wie wir damit Geld verdienen können. Dem Media Lab haben wir viel zu verdanken.“

Schritt für Schritt haben die Gründer dann gelernt, wie man einen Business Plan und ein Pitch Deck erstellt, seine Finanzen plant.

„Wir haben auch hier erst verstanden, was es heißt, lean zu arbeiten. Die aktuelle Plattform haben wir anhand von Userfeedback weiterentwickelt. Wenn man einmal im Unternehmertum drinnen ist, ist das wie eine Brille. Ich verstehe jetzt auch viel besser, wie Unternehmen funktionieren.“

Picter hatte es da einfacher. Die Arbeit am Magazin Der Greif legte bereits den Grundstein für das Startup, so Simon Karlstetter:

„Auch wenn der Greif nicht kommerziell ist, waren teilweise zehn Leute an der Produktion des Magazins beteiligt. Das erfordert interne Strukturen. Viel von dieser Erfahrung kam uns bei Picter zu Gute. Wir haben auch vorher schon viel mit Kunden gearbeitet, Verhandlung und Bepreisung waren Teil des Tagesgeschäfts. Das Netzwerk und die Reputation, die wir mit Der Greif aufgebaut haben, ist auch ein enormer Vorteil für Picter. Wir sind seit zehn Jahren in der Fotoszene unterwegs und konnten sehr gute internationale Kontakte aufbauen. Neu für uns war aber beispielsweise das Investorenthema.“

Von den Workshops und dem Austausch im Media Lab habe aber auch Picter profitiert:

„Es hat auch ziemlich viel geholfen, uns außerhalb unserer Blase zu bewegen, zum Beispiel bei der Entwicklung von Sales-Strategien. Das meiste lernt man aber dadurch, dass man es tut.“

Wichtig, so Karlstetter, war für Picter der geschützte Raum, den das Media Lab bietet, um Dinge auszuprobieren. Doch spätestens, wenn sie das Laborumfeld verlassen, müssen die Startups Geld verdienen.

Mehrere Einnahmequellen sollen Finanzierung sichern

Allen Krisen in der Medienbranche zum Trotz lässt sich mit innovativen Lösungen Geld verdienen. Für Picter war die Monetarisierung des eigenen Service nie ein Problem. Die gute Vernetzung in der internationalen Fotoszene hat dem jungen Unternehmen dabei sicher geholfen, Geschwindigkeit aufzunehmen. Von Anfang an konnten Organisationen als zahlende Kunden gewonnen werden. Zusätzlich loten die Gründer derzeit weitere Einnahmequellen aus.

TheBuzzard setzt noch auf einen Mix verschiedener Umsatzquellen: Das Media Lab stellte im Rahmen des Fellowships eine Startfinanzierung zur Verfügung. Auch das Vocer Innovation Medialab, ein Stipendienprogramm für Innovationen im Medienbereich, unterstützt das Startup. Mit einem Funding von 50.000 Euro durch die Google Digital News-Initiative entwickelt TheBuzzard seinen Algorithmus weiter, der journalistische Texte auswertet und einschätzt. Das junge Unternehmen setzt zusätzlich auf unterschiedliche Einnahmequellen: Eine professionelle Variante des Debattenspiegels soll monatlich Geld in die Kassen spülen. Daneben, so Dario Nassal, seien sie im Gespräch mit Bundestagsbüros, politischen Stiftungen und Medienhäusern, die eine systematische digitale Presseschau zu verschiedenen Themen nachfragen.