Gründer, macht mehr aus eurer Crowd! – Warum Crowdfunding nicht erst bei der Finanzierung beginnt

Jede Woche kommen Gründerinnen und Gründer in die IHK München, um sich über das Thema Crowdfunding zu informieren und sich beraten zu lassen. Für viele steht die Finanzierung ihrer Idee im Mittelpunkt, oft aber auch der Marketing-Effekt, den eine gute Crowdfunding-Kampagne auslösen kann. Schnell kommt dann die Frage: Wie gewinne ich die Crowd für mein Projekt, welche Kanäle kann ich nutzen, um sie zu erreichen?

Was mich direkt zum Thema dieses Artikels bringt und zwar: Gründen mit der Crowd. Hierzu durfte ich letztens im InnovationsCafé des Strascheg Center for Entrepreneurship einen spannenden Vortrag von Crowd-Experte Michael Gebert lauschen und er traf den Nagel auf den Kopf. Zentrale Botschaft: Das Potenzial der Crowd – dieser heterogenen, zeitlich und örtlich verstreuten Gruppe von unbekannten Menschen – erschöpft sich nicht im Geldeinsammeln. Im Gegenteil! Wer erst beim Thema Geld an die Crowd denkt, wird es schwer haben, sie für sich zu gewinnen. Das versuche ich auch bei meinen Crowdfunding-Beratungen immer wieder zu transportieren. Denn die Crowd kann viel mehr sein: Ideengeber, Wissenspool, Mitgestalter, Produkttester, Mitarbeiter, Promoter, Fan-Community und am Ende klar auch Geldgeber. Und Gründer verschenken eine Menge Potenzial, wenn sie dies nicht rechtzeitig erkennen.

Vom Consumer zum Presumer

Möglich wird Crowdsourcing durch das, was jeder von uns mindestens ein Mal am Tag in den Händen hält: das mobile Internet. Egal ob Smartphone, Tablet oder Laptop, die ständige Möglichkeit zur Teilhabe hat auch unser Selbstverständnis als Konsument verändert und damit die grundlegende Einstellung zu Unternehmen. Das Internet beeinflusst, wie sich Menschen informieren (nämlich jederzeit und überall), wie sie Erfahrungen austauschen (nicht nur im Freundeskreis, sondern mit tausenden anderen weltweit) und wie sie kommunizieren (direkt, zeitnah und öffentlich). Damit wandelt sich der passive Consumer mehr und mehr zum aktiven „Presumer“, also zum Kunden, der schon vor der eigentlichen Markteinführung an der Gestaltung „seines“ Produkts mitwirken möchte. Zugegeben, die Erkenntnis ist nicht brandneu. Einige Unternehmen setzen mit Community-Plattformen, wie z.B. Tchibo Ideas schon seit Jahren auf das Crowdsourcing-Prinzip bei der Gestaltung neuer Produkte. Die wesentlichen Vorteile sind geringere Flopraten, langfristige Kundenbindung, schnelles Feedback aus der Community.

Perfektion entsteht nicht im stillen Kämmerlein

Warum sollten sich also Gründer nicht auch Unterstützung durch die Crowd holen, anstatt bis zur Perfektion in der berüchtigten Gründergarage vor sich hin zu basteln? – die Idee des „Lean Startup“ lässt grüßen (siehe auch unser Artikel „Hundert und eine Geschäftsidee“ – Mit Crowdsourcing zur Gründung). Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Plattformen, die jedem Einzelunternehmer und Startup das ermöglichen, was die Großen mit hohem Marketing-Budget umsetzen. So hat es zum Beispiel das österreichische Startup Luma Active getan. Sie setzten auf die „Weisheit der Vielen“. Ihre LED-Kopfbeleuchtung für Outdoor-Fans haben sie gemeinsam mit einer User Group aus 130 potenziellen Kunden bis zur Marktreife entwickelt. Mit dem Feedback und Anregungen aus der Crowd konnten sie das Produkt passgenau auf die Bedürfnisse der Kunden angleichen. Der Prototyp wurde von freiwilligen Testern auf Herz und Nieren geprüft. Bis Luma Active schließlich über eine Crowdfunding-Kampagne erfolgreich das Startgeld für die erste Produktion einsammelte. Der Unterschied zu anderen Kampagnen: Hinter dem Produkt stand bereits eine Crowd aus 130 Active Luma-Fans, die wiederum ihr Netzwerk für „ihr Produkt“ aktivierten.

Gemeinsam etwas Einzigartiges schaffen

Eine Community um das eigene Produkt zu schaffen und den Menschen so das Gefühl zu geben, dass hier etwas Einzigartiges entsteht, an dem sie beteiligt waren, darin liegt die eigentliche Chance. Dafür muss es nicht immer die groß angelegte, allumfassende und teure Crowdsourcing-Aktion sein. Oft reicht auch schon die aktive Auseinandersetzung mit bereits existierenden Communitys, z.B. in Foren, Blogs, Facebook-Gruppen und so weiter. Überall da, wo sich die Leute bewegen, die später eure Kunden sind und Spaß daran haben, eure Idee gemeinsam mit euch weiterzuentwickeln und voranzutreiben. Entscheidend ist das Zuhören und Teilhaben lassen. Ohne diese Momente bleibt auch eine Crowdfunding-Kampagne letztlich reines One-to-many Marketing. Und das ist alles andere als innovativ, auch nicht, wenn es mit Crowdfunding einen neuen Namen trägt.

Recherche-Tipp: Eine gute Übersicht über alle Arten von Crowdsourcing-Dienstleistern und -Plattformen gibt der Crowdsourcing Blog.