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Crowdfunding – wie geht das eigentlich?

Wie Crowdfunding erfolgreich sein kann, das hat das Team von Der Kontext bei seiner Startnext-Kampagne gezeigt und bereits vor Ende der Laufzeit das Fundingziel erreicht. Bernhard Scholz, Co-Gründer von Der Kontext, berichtet im Gespräch mit Linette Heimrich, Crowdfunding-Expertin der IHK München und Oberbayern, wie er und seine Co-Founder es geschafft haben, die Crowd auf ihre Seite zu bekommen und welche Unterstützung sie dabei von der IHK erfahren haben. Interview von Thomas Eder.

1.   Linette, Du bist bei der IHK München und Oberbayern Expertin für das Thema Crowdfunding. Welche Position nimmst Du gerade in der IHK für München und Oberbayern ein und welche Aufgaben übernimmst Du dabei?

Linette Heimrich: Als Beraterin für Crowdfunding und Crowdsourcing unterstütze ich vor allem Startups und Existenzgründer bei der Entscheidung, ob Crowdfunding für ihr Gründungsvorhaben in Frage kommt bzw. gebe Tipps, was sie bei der Planung einer Crowdfunding-Kampagne beachten sollten. Neben den Beratungen blogge ich rund um das Thema Crowdsourcing im MUCrowd-Blog und organisiere Veranstaltungen wie die IHK Crowdfunding Night. Die nächste findet am 16. Februar statt und widmet sich dem Thema Crowdfunding für Food Entrepreneure.

2.    Was unterscheidet Deiner Meinung nach die Unternehmenspräsentation auf einer Crowdfunding-Plattform von einem herkömmlichen Startup-Pitch? Worauf sollte man achten?

Linette Heimrich: Hier sollte man überlegen, welche Motivation hat die Crowd mein Projekt zu unterstützen? Studien haben herausgefunden, dass es beim reward-based Crowdfunding – also Crowdfunding mit materieller und ideeller Gegenleistung – vor allem hedonistische und altruistische Motive sind, die Menschen zum Geld geben bewegen. Also habe ich entweder ein innovatives Produkt, das Begeisterung auslöst oder ein Unternehmen, das z.B. ein gesellschaftliches Problem löst. Im Idealfall sogar beides. Wichtig ist, dass das eigene Auftreten mit dem Vorhaben harmoniert und stimmig ist und natürlich auch die Sprache der „Crowd“ spricht. Das Kampagnen-Video ist ein gutes Mittel, die persönliche Komponente ins Spiel zu bringen. Mit dem eigenen Gesicht hinter dem Projekt zu stehen, ist wichtig, um Vertrauen zu gewinnen.
Wie sich ein Startup präsentieren sollte, hängt natürlich auch davon ab, welches Crowdfunding-Modell es wählt. Beim Crowdinvesting ist beispielsweise der Informationsbedarf der Crowd-Investoren viel höher. Da diese langfristig größere Summen in das Unternehmen investieren. Hier braucht es einen ausgereiften Businessplan mit Übersicht über den Markt und Finanzteil, um die Crowd von dem Geschäftsmodell zu überzeugen. Auch hier geht es letztlich darum Vertrauen zu schaffen und zu halten.
Grundsätzlich gilt für alle Crowdfunder: Präsentiert euch und euer Projekt authentisch und ehrlich. Was zählt, ist eure Vision, eure Geschichte und eure Leidenschaft, sie zu verwirklichen. Insofern unterscheidet sich die Präsentation vor der Crowd gar nicht so sehr von einem Startup Pitch vor klassischen Investoren. Auch hier ist der „Faktor Mensch“ oft eins der entscheidenden Kriterien.

3.    Bernhard, Im Moment läuft ja gerade Eure Kampagne auf Startnext.com.. Dabei ist es wichtig innerhalb kürzester Zeit dem User effizient und einfach Euer Startup zu präsentieren. Wie würdest Du im Hinblick darauf Dein Startup in nur fünf Worten beschreiben?

Bernhard Scholz: Interaktives Hintergrundmagazin für aktuelle Themen.

4.    Fiel es Euch schwer Euer Unternehmen optimal auf der Crowdfunding-Plattform zu präsentieren? Wie seid Ihr dabei vorgegangen?

Bernhard Scholz: Etwas Hirnschmalz gehört schon dazu. Wir haben alles immer weiter vereinfacht, haben uns also gefragt, wie wir die wichtigsten Aussagen noch weiter reduzieren können. Es sollte nur noch die absolute Quintessenz von dem übrig bleiben, was wir mit dem Projekt erreichen wollen. Das beginnt bei der Wahl der Plattform, der Aussage unseres Videos, das Verfassen und Umschreiben der Texte, der Überlegung, wie wir nach Außen auftreten wollen und schlägt sich natürlich auch in den Dankeschöns wieder. An jedem Detail haben wir lange gefeilt und hoffen, dass wir jeweils das Wichtigste herausgearbeitet haben.

5.    Linette, woher kennst Du Bernhard Scholz von „Der Kontext“ und wie lief die Kontaktaufnahme bis zum Beratungsgespräch ab?

Linette Heimrich: Als Bernhard zu mir in die Beratung kam, war „Der Kontext“ noch in den Anfängen. Das ist jetzt über ein Jahr her. Zu dieser Zeit gab es schon einige erfolgreiche Crowdfunding-Projekte aus dem Journalismus-Bereich, wie etwa das Substanz Magazin, „Eine neue Version ist verfügbar“ von Dirk von Gehlen oder die Krautreporter. Alle samt neue journalistische Ansätze, die einen Kontrapunkt zu den bestehenden Angeboten setzen wollten. Mit „Der Kontext“ verfolgten Bernhard und sein Team eine völlig neuen Herangehensweise, komplexe Themen journalistisch aufzubereiten und anhand inhaltlicher Verknüpfungen zu strukturieren. Crowdfunding lebt von Neuartigkeit. Wirklich erfolgreiche Crowdfunding-Projekte lösen bestehende Probleme oder Herausforderungen unserer Gesellschaft. „Der Kontext“ hatte hierzu Potenzial.

6.    Bernhard, Warum habt Ihr Euch für eine Crowdfunding-Kampagne entschieden und welche Rolle spielte die IHK für München und Oberbayern dabei?

Bernhard Scholz: Das Crowdfunding auf Startnext ist unser Markteintritt mit dem Magazin „Der Kontext“. Wir haben das Magazin intensiv entwickelt und einen sehr innovativen Weg für die Vermittlung komplexer Themen gefunden. Jetzt steht die Produktion der ersten Inhalte an und um das zu stemmen benötigen wir die finanziellen Mittel aus dem Crowdfunding. Bei Linette in der IHK waren wir das erste Mal bei einem Gründungsberatungsgespräch – da waren wir noch totale Greenhorns. Sie hat auch recht schnell das Thema Crowdfunding angesprochen, da es sich für „Der Kontext“ gut eignet. Wir waren dann regelmäßig mit ihr im Kontakt, haben uns ihre Meinung eingeholt und waren ein paar Mal auf der Crowdfunding Night. Natürlich sprachen wir mit anderen Crowdfundern und letztlich haben wir auch die Kampagne selbst mit Linette besprochen bevor sie online ging.

7.    Wie hast Du das Beratungsgespräch empfunden?

Bernhard Scholz: Linette ist sehr positiv, Ideen sprudeln, sie hilft mit Kontakten sowie Rat und Tat. Ihre Erfahrung, ihr Know-How gibt sie gerne weiter und wir hatten stets das Gefühl bestens beraten zu sein. Darüber hinaus sticht ihr großartiges Engagement für das Thema Crowdfunding wirklich einzigartig hervor.

8.    Linette, Was sind die essentiellsten Punkte, die während solch einer Beratung diskutiert und besprochen werden?

Linette Heimrich: Zentrale Fragen sind: Ist Crowdfunding überhaupt das Richtige für den Gründer? Wenn ja, welches Modell passt zur Situation des Unternehmens? Wird eine Wachstumsfinanzierung gesucht oder geht es um die Markteinführung eines Produkts? Wie plant man eine Crowdfunding-Kampagne und welchen Aufwand muss man kalkulieren? Welche Kontakte und Netzwerke kann ich aktivieren? Das sind häufige Punkte einer Beratung. Es kommt aber auch immer individuell auf den Gründer an. Je besser vorbereitet jemand in die Beratung kommt, desto mehr kann man ins Detail gehen.

9.    Und was waren die essentiellsten Punkte, die Du aus dem Gespräch mitgenommen hast, Bernhard?

Habe einen Plan, habe eine Crowd, durchdenke alles dreifach!

10.    Was ist für Euch die Faszination von „Crowdfunding“ und worin seht ihr vor allem die Chancen im Vergleich zu anderen Finanzierungsmöglichkeiten?

Linette Heimrich: Das Internet macht etwas möglich, dass vor gar nicht allzu langer Zeit, noch undenkbar schien oder unglaublich aufwendig war: Und zwar die aktive Einbindung von Menschen bzw. Kunden in den Gründungsprozess. Und ich sage bewusst Prozess, denn Gründer sollten Crowdfunding nicht nur als Finanzierungsmöglichkeit begreifen. Viel spannender ist doch, die potenziellen Kunden schon zeitig für das eigene Vorhaben zu begeistern und an Bord zu holen, z.B. bei der Entwicklung des Produkts oder der Geschäftsidee aktiv einzubeziehen. Wer das gut meistert, kann schon früh eine loyale Community aufbauen, die hinter dem Produkt steht und es in die Welt hinausträgt. Wer die Crowd ausschließlich als Geldgeber sieht, hat das Prinzip im Grunde nicht verstanden. Die Crowd möchte Teil von etwas sein und sich einbringen. Als Gründer sollte man ihr die Möglichkeit dazu geben, dann entsteht eine Win-Win-Situation über das Finanzielle hinaus.

Bernhard Scholz: Crowdfunding ist viel mehr als nur ein Weg, um Projekte zu finanzieren. Es ist ein echter Markttest mit engagierten, wirklich interessierten und tollen Menschen – den „first Movern“. Mit ihnen kann man ein Produkt wesentlich verbessern, denn sie schauen genau hin und geben wertvolles Feedback. Die Kampagnen, die so richtig viel Geld einsammeln, werden fast immer von erfahrenen Crowdfundern durchgeführt, die schon wissen, wie sie ihre Fans mit einbeziehen können.
Außerdem ist die ganze Crowdfunding-Zeit, insbesondere ab dem Startschuss, sehr intensiv, aufregend und spannend. Wir genießen das sehr!

11.    Wie wird sich Deiner Meinung nach das Thema „Crowdfunding“ innerhalb der Startup-Szene in den nächsten Jahren weiter entwickeln, Linette? Gibt es irgendwelche aktuellen Trends?

Linette Heimrich: Crowdfunding wird sich als ein Baustein der Gründungsfinanzierung etablieren. Das heißt nicht, dass zwangsläufig jeder Gründer ein Crowdfunding startet. Aber es wird im Gründungsprozess selbstverständlicher werden. Für Crowdfunding selbst sehe ich vor allem das Potenzial, noch viel mehr (Lebens-)Bereiche als bisher zu erfassen. Irgendwann wird es auch für große Unternehmen oder auch öffentliche Institutionen normal sein, die Crowd mit ihren Fähigkeiten und Vorstellungen auf die ein oder andere Weise einzubeziehen.

12.   Eure Kampagne war erfolgreich. Was sind Eure nächsten Unternehmensziele, die Ihr mit dem finanzierten Kapital realisieren wollt?

Bernhard Scholz: Jetzt geht es Schlag auf Schlag – die Redaktion für das Magazin wird aufgebaut und wir produzieren sehr rasch die ersten Themen. Mit diesen Themen wollen wir dann weitere Leser von „Der Kontext“ überzeugen.

13.    Welche Tipps habt Ihr abschließend für andere Startups die ebenfalls eine Crowdfunding-Kampagne planen? Worüber sollte man sich definitiv vorher im Klaren sein?

Linette Heimrich: Zwei essentielle Dinge: 1. Unterschätzt den Aufwand einer Crowdfunding-Kampagne nicht. Crowdfunding ist kein schnelles Geld, sondern ein Fulltime-Job. Es erfordert Planung, Flexibilität und Einsatzbereitschaft.
2. Nehmt die Crowd ernst. Wer Vertrauen verspielt, hat schlechte Karten. Kommunikation ist darum das A und O einer guten Crowdfunding-Kampagne.

Bernhard Scholz: Die gleichen, die auch Linette uns gegeben hat – habe einen Plan, habe eine Crowd, durchdenke alles dreifach! Und ich würde noch ein Zitat von Muhammad Ali hinzufügen; bzw. ist das Original von irgendeinem General: Jeder hat einen Plan, bis er aufs Maul bekommt – habe also auch einen Plan B.

Tipp:
Für alle, die gerne mehr über Crowdfunding erfahren möchten: Am 16. Februar findet die 5. IHK Crowdfunding Night zum Thema  „Food & Crowdfunding“ statt. 

… und für alle, die sich gerne zum Crowdfunding-Manager ausbilden lassen möchten: Auch 2016 wird das Fachseminar „Crowdfunding Manager/in IHK wieder angeboten – mehr Infos zum Programm und zur Anmeldung gibt es auf der Seite der IHK Akademie.