© SCE und Mara Pollak

„In München muss kein Hund Angst vor dem Jagen haben“ – Falk Strascheg im Gespräch mit Munich Startup

Vom Unternehmer zum Wagniskapitalgeber – Der gebürtige Österreicher und Wahl-Münchner Falk Strascheg kann auf einen spannenden beruflichen Werdegang zurückblicken. Sein Weg führte ihn zunächst von Graz nach Augsburg, wo er ab 1962 als Elektroingenieur tätig war. Einige Jahre später stieg er in München in den Lasersektor ein, wo er schließlich 1971 sein eigenes Unternehmen gründete – ganz ohne Venture Capital, sondern eigenfinanziert mit einem Startkapital von 30.000 DM. Das Unternehmen, das von Beginn an profitabel war, entwickelte sich zur Erfolgsgeschichte mit Tochtergesellschaften in Brüssel, Paris und Mailand. Heute ist Falk Strascheg Wagniskapitalgeber in München. Munich Startup traf ihn zum Gespräch.

Wagniskapitalgeber Falk Strascheg
Wagniskapitalgeber Falk Strascheg

Herr Strascheg, Sie haben Ihr erstes Unternehmen mit eigenem Startkapital aufgebaut. Sollten Startups generell Ihrem Vorbild folgen und zunächst nach Möglichkeiten der Selbstfinanzierung suchen?

Nein, auf keinen Fall. Heutzutage gibt es genügend andere Möglichkeiten der Finanzierung, sowohl in kleinerem Maß in Form von öffentlicher Unterstützung als natürlich auch durch Venture Capital Geber. Das alles gab es zur damaligen Zeit ja nicht.

Was hat Sie nach Ihrem Exit dazu bewogen, Wagniskapitalgeber zu werden? Und wie läuft die Suche nach neuen Investitionsmöglichkeiten ab?

Die Entscheidung dazu fiel ziemlich schnell, einfach, weil ich wieder in junge Unternehmen investieren wollte. Meine erste Investition habe ich dann bereits 1984 getätigt. Das Unternehmen, in welches ich damals investiert habe, existiert übrigens heute noch. Bei der Suche nach geeigneten Investitionsmöglichkeiten handelte es sich zu Beginn eher um zufällige Entdeckungen oder persönliche Empfehlungen. In der Zwischenzeit haben wir allerdings einen ziemlich großen Dealflow. Uns erreichen circa 500 Deals pro Jahr, die von uns geprüft werden. Aber auch Veranstaltungen wie der Businessplanwettbewerb können dazu dienen, Investitionsmöglichkeiten zu entdecken.

In welche Branchen investieren Sie?

Eigentlich in ziemlich alle Branchen, bis auf Biotech. Das hat einen ganz einfachen Grund: Hier fehlt uns die Expertise. Ansonsten ist unser Portfolio sehr breit, es geht von Navigationssystemen bis hin zu E-Commerce.

Und nach welchen Kriterien wählen Sie aus? Gehen Sie nach außen und holen sich Experten ins Boot oder entscheiden Sie aus dem Bauch heraus?

Hier und da befragen wir Experten, aber im Großen und Ganzen entscheiden wir selbst anhand der Businesspläne und Pitches der Gründer.

Was muss ein Startup oder die Gründer Ihrer Meinung nach mitbringen, damit sie für Sie interessant sind?

Drei Säulen sind hier wichtig:

Erstens: Die Geschäfts- oder Dienstleistungsidee sollte gewisse Vorteile gegenüber bereits vorhandenen Angeboten haben. Zweitens: Der Markt für diese Idee muss nicht nur groß genug sein, sondern auch noch Wachstumsperspektiven beinhalten. Und drittens: Bei den Gründern muss es sich um gute Manager handeln. Darunter verstehe ich Menschen, die flexibel genug sind, um ein Unternehmen zum Erfolg zu führen. Die immer wieder neu nachdenken, überprüfen, ob sie auf dem richtigen Pfad sind und gegebenenfalls den Kurs korrigieren.

Angenommen Sie treffen auf diesen Gründertyp mit echten Managerqualitäten und sind von der Idee und/oder dem Markt aber nicht zu 100 Prozent überzeugt: Lassen Sie sich dann trotzdem manchmal zu einem Investment hinreißen?

Eigentlich nicht, aber in vielen Fällen beginnen Startups in einer gewissen Richtung und mit einer bestimmten Produktidee und stellen dann fest, dass der Markt doch nicht so da ist und das Produkt eigentlich anders sein müsste. Sie verändern und verbessern ihr Konzept und sind schließlich doch noch erfolgreich. Die meisten Gründer stellen am Ende, also wenn die Firma wirklich gewachsen und groß geworden ist, fest, dass sich ihre Ausgangsidee doch recht gewandelt hat. Hier kommt wieder die Flexibilität ins Spiel. Deswegen bedarf es manchmal nur einiger Korrekturen des Konzepts, damit ein Startup doch noch interessant für uns werden könnte.

Erfahren Startups bei Ihnen – neben der finanziellen Unterstützung – auch Coaching bzw. Mentoring?

Ja, wir bieten beides, aber dabei handelt es sich nicht um unsere Hauptkomponente. Aber natürlich ist es auch wichtig, dass unsere Erfahrungen weitergegeben werden.

Haben sich im Lauf Ihrer Investoren-Laufbahn irgendwelche Startups besonders bei Ihnen eingeprägt?

Ich denke hier an zwei Unicorns: Das eine ist Intershop, das zeitweise bis zu 10 Milliarden wert war oder zumindest zu diesem Wert gehandelt wurde. Und das andere ist Brokat, die zeitweise auch bis zu 5 Milliarden wert waren, mittlerweile aber Pleite sind. Letztendlich ist dieses Unternehmen daran gescheitert, dass das Ganze zu groß aufgezogen wurde und ein größeres Darlehen in der Höhe von 120 Millionen aufgenommen wurde. Die Gläubiger waren nicht bereit, für diese Bonds Abstriche zu machen und schließlich war auch keiner mehr bereit, die Firma zu übernehmen, was letztendlich auch tödlich war. Allerdings ist das alles erst passiert, nachdem wir wieder draußen waren.

Welchen Sektor, welche Branche erachten Sie als zukunftsträchtig?

Man muss sagen, dass bei Venture Capitalisten E-Commerce nicht mehr the Flavour of the Month ist. Aber wenn gute Konzepte dabei sind, etwas wirklich Neues – und damit meine ich nicht die 10. Hotel-Plattform – dann kann E-Commerce natürlich nach wie vor sehr interessant sein.

Man sagt ja immer, dass Berlin im Bereich E-Commerce deutlich weiter ist als München. Was meinen Sie dazu?

Ja, das stimmt. (lacht)

Aber Ihr Herz schlägt für München und Münchner Unternehmen. Was finden Sie am Standort München gut?

Man muss sagen, dass wir in München eine sehr gute Infrastruktur mit vielen Know-how-Trägern haben. Darüber hinaus gibt es traditionell einen großen Pool an Leuten, die in Technologiefirmen arbeiten, aus denen wiederum Leute für Startups rekrutiert werden können. Und nicht zuletzt verfügt München mit der Technischen Hochschule München, der Ludwig-Maximilians-Universität und der Hochschule München über eine starke Hochschullandschaft.

2002 riefen Sie an der Hochschule München das „Strascheg Center for Entrepreneurship“ (SCE) ins Leben. Welche Intention steckte dahinter?

Das SCE soll dabei helfen, den Studierenden unternehmerisches Denken und eine Gründerkultur näherzubringen. Denn es gibt viele gute Ideen junger Leute, die es aber manchmal nicht verstehen, dass ein Unternehmen nicht nur aufgebaut, sondern auch zum Wachsen gebracht werden muss. Das mag manchmal an der persönlichen Einstellung der Akteure liegen, aber oftmals eben auch am mangelnden Know-how. Mentoren können hier sehr hilfreich sein.

Eine stärker technisch ausgerichtete Hochschule wie die Hochschule München mit vielen Ingenieur- und Betriebswissenschaftlern hielt und halte ich immer noch für ein gutes Pflaster für diese Einrichtung. Allerdings wäre das ohne die Unterstützung, das Engagement und die positive Einstellung der Verantwortlichen der Hochschule niemals möglich gewesen.

Sie meinten, Mentoren können sehr hilfreich sein. Welchen Stellenwert schreiben Sie Netzwerkveranstaltungen zu?

Einen sehr großen, weil sich dort Leute treffen, die ähnliche Probleme haben und / oder über eine gewisse Erfahrung verfügen. Man kann sich auf Netzwerkveranstaltungen austauschen und miteinander kooperieren. Das finde ich ganz toll.

Fehlt denn Ihrer Meinung nach irgendwas am Gründer-Standort München?

Ab und an schaut es hier so aus, als ob man die Hunde zum Jagen tragen müsste. (lacht) Die Umgebungsbedingungen für Neugründungen sind in München sehr gut und dennoch fehlen oftmals die Ambitionen dazu. Aber natürlich ist es auch nicht jedermanns Sache, sich einem gewissen unternehmerischen Risiko auszusetzen.
Für alle, die gerne Gründen möchten, aber noch zögern: Meiner Meinung nach haben wir viele Institutionen, die auch Know-how vermitteln wie beispielsweise die verschiedenen Entrepreneurship Zentren an den Hochschulen. Hier wird nicht nur Wissen vermittelt, sondern es werden auch Entscheidungsträger zusammengebracht. In München muss also kein Hund Angst vor dem Jagen haben.