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Fairdoc: Zeitarbeit für ÄrztInnen

Fairdoc hat eine Antwort auf den Fachkräftemangel in der Medizin gefunden. Mit seiner Vermittlungs-App bringt das Münchner Startup unterbesetzte Kliniken und ÄrztInnen auf der Suche nach einem passgenauen Einsatz zusammen. Das Ergebnis: Flexible und kostengünstige Personalplanung. CEO und Mitgründerin Sylvia Edmands erklärt, wie das Konzept funktioniert, vor welche Herausforderungen die Bürokratie sie stellt und was sie warum im Gründerteam lieber selber machen.

Munich Startup: Was macht Fairdoc? Welches Problem löst Ihr?

Sylvia Edmands: In Kliniken und Krankenhäusern herrscht akuter Ärztemangel. Ausgeschriebene Stellen bleiben über Monate, manchmal sogar Jahre unbesetzt. Stationen, ja ganze Krankenhäuser, werden geschlossen. Das führt zu Engpässen in der medizinischen Versorgung – Tendenz steigend.

Fairdoc ist eine digitale Agentur für Arbeitnehmerüberlassung in der Medizin und hilft diese Lücken zu schließen. Krankenhäuser und Einrichtungen können mittels der Fairdoc-App kurzfristigen, temporären Ersatz rekrutieren. Dies ermöglicht Kliniken eine unabhängige, flexible und kostengünstige Personalplanung. Ärztinnen und Ärzte finden über die App unkompliziert temporäre Einsätze in ganz Deutschland. Einfach per Klick können sich registrierte Ärzte auf eine Vertretungsstelle bewerben, die auf die eigene Lebenssituation maßgeschneidert ist, in puncto Ort, Zeit und Dauer des Einsatzes.

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

Sylvia Edmands: Wir sind die erste digitale Leiharbeitsvermittlung für Ärzte auf dem Markt, die sämtliche durch die Digitalisierung erwirtschafteten Einsparungen an seine Kunden weitergibt. Unsere Vermittlungs-App haben wir als one-stop-shop gestaltet. Krankenhäuser wie Ärzte können Zeitarbeitseinsätze über Fairdoc komplett digital abwickeln: vom Erstkontakt über die Einsatzverwaltung bis hin zur Gehaltsabrechnung. Die verschiedenen Funktionen der App sorgen für reibungslose Abläufe und Transparenz für beide Seiten.

Fairdoc ist Weiterentwicklung von Talentee

Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory?

Sylvia Edmands: Fairdoc ist die Fortentwicklung der Networking- und Karriere-Plattform Talentee. Für Talentee hatten wir Algorithmus-basiertes Matchmaking genutzt, wie man es von Online-Dating-Portalen kennt. Auf diesem Weg brachten wir Studierende und Doktoranden mit den Fachabteilungen von Unternehmen zusammen, die auf der Suche nach entsprechenden Talenten sind.

Diese Recruiting-Idee haben wir im Zuge eines Pivots strategisch ausschließlich auf den Medizinbereich neu ausgerichtet und auf die dort herrschenden Bedürfnisse angepasst: Da wir mit unserer Tätigkeit Menschen zu einem Arbeitsverhältnis zusammenbringen, das sehr anspruchsvoll ist, erfolgt das Matching von Ärzten und Kliniken bei Fairdoc durch unseren Personal-Experten und Mitgründer, Mathias Tünnerhoff. Er und sein Team sichten die KI-basierte Vorauswahl und stellen sicher, dass der registrierte Arzt genau zu den Anforderungen und Bedarfen der Einrichtung passt – und umgekehrt.

Munich Startup: Was waren bisher Eure größten Herausforderungen?

Sylvia Edmands: Regulierung und Bürokratie – Fairdoc betätigt sich als Personaldienstleister im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung. Für das Verleihen von Arbeitnehmern gilt in allen Branchen, einschließlich dem Gesundheitswesen, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Das AÜG schützt Arbeitnehmer und gibt klare Vorgaben für das Arbeitsverhältnis. Wir benötigen eine entsprechende Lizenz, auf die wir zunächst mehrere Monate warten mussten. Außerdem werden wir regelmäßig von der Bundesagentur für Arbeit bezüglich der Einhaltung des AÜG überprüft.

Die von uns vermittelten Ärztinnen und Ärzte sind direkt bei Fairdoc als Voll- oder Teilzeitkräfte angestellt. Ein mit uns geschlossener Vertrag ist die Grundlage des Vertretungsverhältnisses. Das AÜG schreibt für diese Verträge beispielsweise die Schriftform vor, so dass wir die meisten unserer Verträge in Papierform mit der Post verschicken. Aufgrund dieser vertraglichen Regelung sind wir die Arbeitgeber der Vertretungsärzte. Daher ist eine weitere Herausforderung der Cashflow: unseren Einnahmen stehen relativ großen Ausgaben gegenüber.

Medizinische Versorgung in Deutschland verbessern

Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren?

Sylvia Edmands: In einem Jahr soll unsere Marke in unserem (relativ kleinen) Zielmarkt bekannt sein. Ärztinnen und Ärzte, die flexibel arbeiten möchten, sowie Entscheider in den Kliniken und Einrichtungen suchen gezielt Vertretungseinsätze mittels unserer App und wickeln diese über Fairdoc ab. Weil wir dem „fair” in unserem Namen gerecht werden, sind es die positiven Erfahrungen mit uns, die uns weiterempfehlen.

In fünf Jahren wollen wir weitestgehend digital und automatisiert arbeiten. So können wir uns auf die wenigen Human Touches konzentrieren, die unseren Service auszeichnen. Dieser, zusammen mit Schnelligkeit und Nutzererfahrung, hebt uns von den Mitanbietern positiv ab. Zu diesem Zeitpunkt bietet Fairdoc den bei uns registrierten Ärztinnen und Ärzten alles, was es ihnen ermöglicht, in ihrem Beruf erfolgreich zu sein und das in der gewünschten Work-Life-Balance. Insgesamt tragen wir von Fairdoc unseren Teil dazu bei, die medizinische Versorgung in Deutschland (und vielleicht auch in anderen Märkten) zu verbessern.

Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt?

Sylvia Edmands: München ist der Ort der Wahl! Für mich persönlich, weil ich mich dieser Stadt privat so verbunden fühle, dass ich mir gar nicht vorstellen könnte, woanders zu gründen. Wichtiger ist jedoch: Zwei meiner Mitgründer, Marcus Otto und Michael Wenglein, sind „alte Hasen” in der Münchner Startup Szene. Ihr erstklassiges Netzwerk kommt uns in vielen Aspekten zugute. Bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind wir für Remote Work offen.

Zeit und Geld sparen durch Selbermachen

Munich Startup: Outsourcen oder selber machen?

Sylvia Edmands: Selber machen! Das hat bereits mit der Programmierung der App begonnen. Für die Fairdoc-App entschieden wir uns für eine Low-Code Software. Unser Mitgründer, Marcus Otto, fungierte als Entwickler. Ohne jede Erfahrung in Software-Entwicklung, konnte er sich alle relevanten Skills über verfügbare Tutorials erarbeiten. Es ist gelungen, die gesamte Fairdoc-App mit allen Features innerhalb von vier Monaten an den Start zu bringen.

Für unsere Talentee-Plattform hatten wir die App und das Nutzerinterface traditionell entwickeln lassen. Das hat trotz des Einsatzes von bis zu sechs Entwicklern die doppelte Zeit gedauert. Die Abstimmungsprozesse waren häufig frustrierend und die Plattform kostete etwa zehnmal so viel wie die jetzige Low-Code Lösung. Unsere Erfahrung zeigt, dass wir durch Selbermachen wesentlich schnellere Time-to-Market erzielten, bei deutlich geringeren Kosten und einer sehr viel höheren Flexibilität.

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