Munich Startup: Was war die Hauptmotivation für die Gründung von Vyoma, was hat Euch dazu gebracht zu sagen: „Lasst uns das Verkehrsmanagement im Weltraum angehen“?
Stefan Frey, Vyoma: Die Motivation für die Gründung von Vyoma war die wachsende Sorge über die zunehmende Überlastung des Weltraums. Heute gibt es zehntausend aktive Satelliten und Hunderttausende von kleinen Weltraumtrümmern, die die Erde umkreisen. Selbst winzige Fragmente können aufgrund der hohen Umlaufgeschwindigkeiten massive Schäden verursachen. Wir sahen eine große Lücke im Umgang der Branche mit diesen Risiken und wussten, dass wir sie schließen mussten. Das Management des Weltraumverkehrs ist nicht nur eine technische Herausforderung – es ist entscheidend für die Zukunft der Weltraumforschung und des Satellitenbetriebs. Ohne eine angemessene Lösung ist die Nachhaltigkeit der Weltraumaktivitäten in Gefahr.
Vyoma konzentriert sich nicht nur auf die Überwachung des Weltraums, sondern geht sogar noch ein paar Schritte weiter: Wir wollen den Satellitenbetrieb vollständig automatisieren. Dabei geht es nicht nur darum, Kollisionen zu vermeiden, sondern auch darum, die langfristige Lebensfähigkeit des Weltraums als Ressource für alle zu sichern.
Munich Startup: Die Resonanz auf die Ideen war also von Anfang an positiv? Wo habt Ihr Unterstützung gefunden?
Stefan Frey: Von Anfang an erhielt Vyoma enorme Unterstützung von Europas dynamischer Raumfahrtgemeinde. Das Unternehmen beteiligte sich schnell an wichtigen europäischen Initiativen, darunter Projekte, die von der Europäischen Kommission, dem Europäischen Verteidigungsfonds und der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) finanziert wurden. Unser Engagement für die Nachhaltigkeit im Weltraum traf den Nerv von Organisationen, die sich ebenfalls Sorgen über die wachsenden Gefahren durch Weltraummüll machen. Diese Übereinstimmung mit den strategischen Zielen der EU hat uns geholfen, eine Dynamik aufzubauen und unsere Rolle bei der Entwicklung von Lösungen für eine der größten Herausforderungen der Weltraumforschung zu festigen.
Vyoma setzt auf bodengestützte Sensoren und künftig auch eigene Satelliten
Es war inspirierend zu sehen, wie viele Menschen unsere Vision für eine sicherere und nachhaltigere Weltraumumgebung teilen. Die Beziehungen, die wir innerhalb des Ökosystems aufgebaut haben, haben nicht nur unser Wachstum vorangetrieben, sondern auch die Dringlichkeit unserer Arbeit unterstrichen. Sie haben uns auch geholfen, die großartigen Talente an Bord zu holen, die jetzt die Entwicklung unserer Lösungen auf die nächste Stufe bringen.
Munich Startup: Wie genau funktioniert Eure Lösung? Woher bekommt Ihr Eure Daten?
Stefan Frey: Vyoma nutzt eine Kombination aus bodengestützten und (zukünftig) eigenen weltraumgestützten Sensoren, um die Weltraumumgebung genau zu beobachten. Unsere Satelliten – von denen der erste 2025 gestartet wird – sind mit optischen Sensoren ausgestattet, die Space Situational Awareness (SSA) in Echtzeit liefern und es uns ermöglichen, Objekte in der Umlaufbahn zu verfolgen und zu kartieren. Wir verarbeiten die Daten zu einem Katalog von Weltraumobjekten, der zur Vorhersage des Weltraumverkehrs in den kommenden Tagen genutzt werden kann. Auf diese Weise können wir es den Satellitenbetreibern ermöglichen, schnelle und fundierte Entscheidungen zu treffen, um mögliche Kollisionen zu vermeiden und die Umlaufbahnen bei Bedarf anzupassen.
Bessere Daten sind auch der Grund dafür, dass in Zukunft weniger Ausweichmanöver erforderlich sind, denn bessere Daten bedeuten, dass wir die Kollisionswahrscheinlichkeit mit größerer Sicherheit vorhersagen können. Wenn wir genau wissen, wo sich zwei Objekte befinden, können wir einen kleinen Abstand einplanen. Indem wir solche und andere Entscheidungen automatisch treffen, können wir den Satellitenbetrieb viel effizienter gestalten, als es heute möglich ist.
Zusätzliche Satelliten für einen überfüllten Orbit?
Munich Startup: Wie Du bereits gesagt hast, arbeitet Ihr auch an Eurer eigenen Konstellation im Weltraum, um Eure Dienste mit weltraumgestützten Daten zu bereichern. Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich erscheinen, weitere Objekte in eine bereits überfüllte Umlaufbahn zu bringen, um die Objekte in derselben Umlaufbahn zu kontrollieren. Kannst du erklären, warum das notwendig ist?
Stefan Frey: Auf den ersten Blick ist es kontraintuitiv, mehr Satelliten in einen bereits überfüllten Orbit zu bringen, aber für Vyoma ist es ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der Sicherheit im Weltraum. Heute werden nur etwa 40.000 Objekte, die größer als 10 cm sind, regelmäßig vom Boden aus verfolgt. Die 1.000.000 Objekte, die größer als 1 cm sind – und die bei einem Zusammenstoß mit Satelliten immer noch großen Schaden anrichten können – werden nicht verfolgt, da sie nicht aus großer Entfernung beobachtet werden können, ohne viel Energie zu verbrauchen. Unsere Satellitenkonstellation liefert umfassende, hochverfügbare und dennoch erschwingliche Daten über Weltraummüll, der nur wenige Zentimeter groß ist.
Das liegt daran, dass es im Weltraum keine Wetter- oder atmosphärischen Effekte gibt, die unsere Messungen stören. Wir verwenden große Blenden, die das Streulicht blockieren, wodurch wir hochempfindliche Instrumente erhalten. Dank der passiven optischen Technologie müssen wir keine großen Mengen an Energie verbrauchen. Und durch eine kluge Wahl der Umlaufbahn können wir konstante Beleuchtungswinkel der Sonne erreichen. All dies führt zu einem hochsensiblen, hocheffizienten Beobachtungssystem.
Außerdem besteht unsere voraussichtliche Konstellation nur aus zwölf Satelliten. Wir haben nicht vor, Hunderte oder gar Tausende von Satelliten zu starten.
Herausforderungen in der New-Space-Branche
Munich Startup: Wenn Ihr eigene Satelliten in den Weltraum bringt, werdet Ihr dann auch zu einem Hardware-Startup? Habt Ihr das von Anfang an geplant oder habt Ihr das erst später in Euren Businessplan aufgenommen?
Stefan Frey: Wir haben früh erkannt, dass es entscheidend ist, unsere eigenen Sensoren zu besitzen und zu betreiben. Um garantierte Latenzen und vertraglich festgelegte Prioritäten anbieten zu können, führt kein Weg daran vorbei. Wir bauen jedoch nicht unsere eigene Hardware. Stattdessen legen wir die genauen Anforderungen an die Sensoren fest, die wir brauchen, um unseren Kunden einen effektiven Service bieten zu können, und beschaffen dann die Teleskope und Satellitenbusse von den entsprechenden Spezialisten. Dieser Ansatz hilft uns dabei, einen 100 kg schweren Satelliten mit einem großen Teleskop in nur wenigen Jahren einsatzbereit zu haben.
Munich Startup: Welchen anderen Herausforderungen seid Ihr auf Eurer Reise bisher begegnet? Und wie habt Ihr sie gemeistert?
Stefan Frey: Die New-Space-Wirtschaft ist noch jung. Es gibt einen Trend zu mehr Standardisierung, aber wir müssen immer noch mit Komponenten arbeiten, die es nicht von der Stange gibt. Eine große Herausforderung ist es daher, eine zuverlässige Lieferkette zu haben. Wir gehen das an, indem wir unsere Lieferkette diversifizieren und sicherstellen, dass wir immer mindestens eine Alternative haben, falls es ein Problem mit dem ersten Lieferanten gibt.
Munich Startup: Wer sind heute Eure Kunden? Welche Rolle spielen öffentliche und private Kunden für Euch?
Stefan Frey: Unsere Hauptkunden sind Satellitenbetreiber, sowohl kommerzielle als auch institutionelle Einrichtungen. Sie haben natürlich ein Interesse daran, ihre Satelliten zu schützen und effizient zu nutzen. Sie sind informiert über bevorstehende Konjunktionsereignisse und können unsere Dienste nutzen, um Ausweichmanöver optimal zu planen.
Vyoma will ein vollständig automatisiertes System für Satellitenbetreiber entwickeln
Die Sicherheit ist jedoch nur ein Teil unserer operativen Fähigkeiten, ein anderer ist die Gefahrenabwehr. Der Weltraum wird immer mehr zu einer Domäne für militärische Aktionen. Das Abhören der Kommunikation von Satelliten mit anderen Satelliten ist keine Fiktion mehr. Unsere Dienste sind daher auch für die verschiedenen europäischen Weltraumstreitkräfte interessant, wo unsere Daten und Nachrichtendienste helfen können, den Verlust von Weltraumressourcen durch bösartige Angriffe zu verhindern.
Munich Startup: Welche Zukunft stellst Ihr Euch für Vyoma in der Raumfahrtindustrie vor?
Stefan Frey: Unsere Vision bei Vyoma ist es, ein vollständig automatisiertes System für Satellitenbetreiber zu entwickeln. Wir gehen diesen Weg Schritt für Schritt. Derzeit bieten wir Space Situational Awareness (SSA) und Space Traffic Management Services an, die Satellitenbetreibern helfen, sich in einer zunehmend überfüllten und komplexen Weltraumumgebung zurechtzufinden. Unsere Lösungen sollen dafür sorgen, dass der Weltraumbetrieb sicher, nachhaltig und effizient bleibt.
Mit Blick auf die Zukunft wollen wir unsere Fähigkeiten im Satellitenbetrieb ausbauen und eine stärkere Automatisierung anstreben. Auf diese Weise werden wir dazu beitragen, die Betriebskosten und -risiken von Satellitenbetreibern weltweit zu senken und Satelliten wirtschaftlich rentabler zu machen. Unser Ziel ist es, die notwendigen Werkzeuge bereitzustellen, um den Satellitenbetrieb zu rationalisieren und eine effizientere und sichere Verwaltung des Weltraumverkehrs zu ermöglichen.
Munich Startup: Vyoma wurde in Darmstadt gegründet, in unmittelbarer Nähe zu einigen der wichtigsten Einrichtungen der ESA. Was hat Euch dazu bewogen, Euren Hauptsitz nach München zu verlegen?
Stefan Frey: München bietet ein pulsierendes Ökosystem für Raumfahrttechnologie und -innovation mit der Nähe zu Forschungseinrichtungen und anderen Raumfahrtunternehmen. Der Umzug ermöglichte es Vyoma, ein breiteres Netzwerk von Talenten und Ressourcen zu nutzen und sich in einer Stadt zu positionieren, die für die europäische Raumfahrtindustrie immer wichtiger wird.