Solider Erfolg: Mit Dienstleistungen rund um die Themen Elektromobilität und Batterietechnik ist das Münchner Startup LION Smart seit 2008 von einer TUM-Ausgründung zu einem erfolgreichen Player avanciert. Die hauseigene Holding LION E-Mobility erwirtschaftete vergangenes Jahr einen Überschuss von knapp 500.000 Euro. Wie kam es dazu? Ein Lehrstück in fünf Akten.
I. Am Anfang steht die Marktlücke
Tobias Mayer, Mitgründer von LION Smart und zum Zeitpunkt der Gründung noch Student, blickt zurück:
„Prüfstände waren im Jahr 2008 sehr gesucht, das hatten wir in einem früheren Projekt an der Uni am eigenen Leib erfahren. Dementsprechend waren die Margen auch sehr gut. Wir dachten: Da muss man doch was machen. Bauen wir uns mit unserem bisher erworbenen Knowhow doch ein Labor auf!“
Gemeinsam mit Daniel Quinger und Michael Geppert, Kommilitonen an der TU München, fasste Mayer den Beschluss zur Unternehmensgründung. Mit einem weiteren Kommilitonen und zwei Betriebswirten wurde zusätzliches Knowhow an Bord geholt. Aus eigenem Kapital konnten die Jungunternehmer 100.000 Euro für die Gründung der LION Smart GmbH aufbringen. Drei Investoren steuerten insgesamt nochmal 200.000 Euro bei.
II. Schnell in die Gewinnzone
Das Team konnte gleich erste Aufträge an Land ziehen und mit den Gewinnen aus dem operativen Geschäft organisch wachsen. Die Marktlücke macht‘s. Ein Erfolgsfaktor auf den ersten Metern war für Mayer die relativ hohe Eigeneinlage zur Gründung:
„Es ist oft ein Fehler von Gründern, nur das Minimum einzulegen. Sobald ein Geschäft Personen- oder Hardware-getrieben ist, braucht man Geld. Das ist vielleicht etwas Anderes bei Software-Anwendungen, wenn die Gründer ohne eigenes Gehalt programmieren. Bei uns mit dem Testlabor haben wir aber gleich gesagt: Das bringt überhaupt nichts, mit der Minimumanforderung die Firma zu gründen.“
III. Mit dem Markt wachsen
Der nächste Meilenstein in der Firmengeschichte wurde von außen ins Rollen gebracht: Die TÜV SÜD AG ist auf das Testlabor von LION Smart aufmerksam geworden. Das Münchner Großunternehmen wollte ein eigenes Labor zum Testen von Batterien aufbauen, konnte aber kein passendes Personal finden. Eine spezielle Ausbildung gab es nicht, der Markt war neu. Der TÜV SÜD wollte die junge Firma kaufen, die Gründer bei sich anstellen. Diese ließen sich aber nicht so einfach überzeugen, hatte ihre Entrepreneurship-Karriere doch gerade erst begonnen. Man einigte sich, ein Joint Venture aufzubauen: 70% Anteile für den Seniorpartner, 30% für das Startup.
Die bestehenden Messstände verkaufte LION Smart an die neu geschaffene TÜV SÜD Battery Testing GmbH. An diesem Punkt reichte das Eigenkapital für die weitere Expansion nicht mehr aus:
„Wir haben gesehen, der Markt wächst sehr stark, da müssen wir investieren.“
Zum ersten Mal benötigte das Unternehmen Geld von außen. Mitten in der Lehmann-Krise war Venture Capital jedoch kaum zu bekommen und Bank-Kredite kamen nicht infrage:
„Die Banken haben unser Geschäftsmodell damals noch nicht verstanden. Sogar die Vorstände zeigten großes Interesse. Das neue Marktsegement zu bewerten fiel den Banken jedoch schwer und so hat man sich damals noch zurückgehalten.“
Die Betriebswirte im Gründerteam empfahlen einen Börsengang. Sie hatten bereits Erfahrung damit. Die Firmeneigner übertrugen ihre Anteile an der LION Smart GmbH auf die neu gegründete LION E-Mobility AG. Die verkauften Aktien wurden frei an der Börse gehandelt und befinden sich nun in Streubesitz. Den Erlös aus dem Anteilsverkauf ließen sich die Anteilseigner auszahlen und führten ihn in Form von Darlehen den beiden GmbHs — LION Smart und TÜV SÜD Battery Testing — zu.
IV. Folgenreiche Entscheidungen
Auf Betreiben der beteiligten Betriebswirte wurde die Schweiz aus Kostengründen als Standort der Holding gewählt. Nachdem diese ihre eigenen Anteile mittlerweile verkauft und sich vollständig aus dem Geschäft zurückgezogen hatten, reifte bei Tobias Mayer die Einsicht:
„Ich wäre im Nachhinein nicht gleich so früh an die Börse gegangen. Anfangs war die Schweizer Holding sehr günstig. Jedes Jahr wurden die Regeln aber mehr. Wir haben eigentlich so gut wie keinen Unterschied zu einer deutschen AG. Diese Entwicklungen waren aber schwierig abzusehen. Im Nachhinein ist man immer klüger.“
Überhaupt sollte die Entscheidung für eine Aktiengesellschaft wohl überlegt sein:
„Man muss das AG-Vehikel gut nutzen, um es sinnvoll zu verwenden. Ansonsten kostet das richtig viel Geld: Die geprüften Abschlüsse, die Buchhaltung. Unsere Revision muss auch noch von einer staatlich beaufsichtigten Schweizer Firma gemacht werden. Das ist mehr Aufwand und so ein Abschluss kostet richtig Geld.“
Im Nachhinein sieht Mayer in der Entscheidung für eine Aktiengesellschaft jedoch auch deutliche Vorteile gegenüber privatrechtlich geführten Firmen:
„Wir konnten uns ohne Banken zu guten Konditionen refinanzieren. Über Optionsprogramme lassen wir unsere Mitarbeiter am Unternehmenserfolg teilhaben und binden sie damit langfristig an uns.“
V. Auf zu neuen Ufern
Mit der Ausgliederung des Battery Testing in das Joint Venture war das ursprüngliche Geschäftsmodell von LION Smart weggefallen. Das Team setzt seitdem verstärkt darauf, das angesammelte Knowhow und die eigene Reputation zu monetarisieren. Drei Geschäftszweige sind dabei entstanden.
Erstens: Consulting. Unternehmen, Behörden und Ministerien sind auf das spezialisierte Fachwissen zum Thema E-Mobilität angewiesen. LION Smart bietet die Anfertigung von Gutachten an.
Der zweite Geschäftszweig: Für den Prototypenbau setzen selbst große Autohersteller auf spezialisierte externe Dienstleister. Die eigenen Abteilungen besitzen häufig nicht die Innovationskraft junger Kleinunternehmen. LION Smart unterstützt die Autobauer bei der Entwicklung, dem Prototyping und dem Weg in die Serie.
Besondere Hoffnung setzt Mayer in den dritten Geschäftsbereich, das eigene Batterie-Management-System (BMS). Es handelt sich hierbei um eine Platine mit passender Software. Sozusagen ein Gehirn, das dem Fahrzeug sagt, wie es das meiste aus der Batterie herausholt. Im Grunde besitzt jeder Hersteller ein eigenes BMS. Das Besondere jedoch: LION Smart bietet die gesamte Software kostenlos als open source an. Dadurch ist das System deutlich flexibler. Geld verdient das Unternehmen mit seinem BMS durch ein Freemium-Modell: Die Software ist kostenlos. Anpassung, Gewährleistung und Support kosten. Außerdem verkauft die Firma die fertig bestückten Platinen:
„Dort sind die größten Skaleneffekte erzielbar. Man muss die Hardware nur einmal entwickelt haben. Mehr Platinen auszuliefern ist von uns aus kein Problem. Bei größeren Stückzahlen sinken außerdem die Kosten.“
Apropos Skalierung: Ende Dezember vergangenen Jahres bezog LION Smart neue, größere Räumlichkeiten. Und auch für die Zukunft sind schon neue Geschäftsfelder absehbar: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz läuft aus und wer Solarzellen auf dem Hausdach installiert hat, kann den erzeugten Strom nicht mehr unbedingt ins Netz einspeisen. Die Zwischenspeicherung in Großakkus könnte also die Zukunft sein.
Es wird offenbar weiter nach Erfolgsrezept gekocht: Geschäftsentwicklung auf Sicht und Mut zur (Markt-)Lücke.