Vom Formalwissen zum Mind Set: Entrepreneurship-Ausbildung in Bayern

Die Hochschullehre entwickelt sich weiter. Mit der Entrepreneurship-Ausbildung entsteht ein interdisziplinäres Kompetenzfeld, das neue Brücken zwischen Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft schlagen soll.

Wesentliche Erfolgsfaktoren für einen Standort sind heute Innovationskraft und unternehmerische Aktivität. Entsprechend engagieren sich in diesen Bereichen auch der Staat, Länder und die Hochschulen.

Klaus Sailer
Prof. Dr. Klaus Sailer, SCE (© SCE)

„Wenn Studierende und Absolventen gründen, dann sind die Ideen oft wissensintensiv und technologielastig“,

so Prof. Dr. Klaus Sailer, Geschäftsführer des Strascheg Center for Entrepreneurship (SCE) an der Hochschule München.

„Diese Unternehmen sind häufig besonders innovativ, die Geschäftsmodelle sind skalierbar und bieten entsprechendes Wachstumspotenzial.“

München ist ein führender Standort

Die Studie Gründungsradar untersucht deutschlandweit, wie gut Hochschulen ihre Studierenden, Absolventen und Wissenschaftler bei der Gründung unterstützen. Mit der Technischen Universität und der Hochschule liegen im Bereich der großen Universitäten zwei Münchner Hochschulen ganz vorn. Die TU München verfügt etwa mit UnternehmerTUM nicht nur über eines der größten Innovations- und Gründerzentren Europas, sondern mit dem TUM Entrepreneurship Research Institute mit vier Professuren auch über eine der forschungsstärksten Einheiten.

Wissenschaftler trainieren Business Skills

Fraunhofer Venture fördert und begleitet die Ausgründungen von Wissenschaftlern aus dem Forschungsumfeld der Fraunhofer-Gesellschaft.

„Wir haben früh festgestellt, dass unsere Stärken in Forschung, Entwicklung und Patenten liegen. Doch um die Erkenntnisse zu verwerten, fehlten oft die notwendigen Skills“,

so Geschäftsführer Thomas Doppelberger.

„Das waren ganz grundlegende Fragen, etwa, wie man als Geschäftsführer mit Kunden oder Investoren spricht.“

In einem Projekt mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung wurde untersucht, wie diese Fähigkeiten gefördert werden können. So entstanden die Fraunhofer FDays. Im Rahmen des Programms setzen sich Wissenschaftler damit auseinander, wie sich aus einer wissenschaftlichen Erkenntnis ein Produkt formen lässt. Dazu werden etwa der Markt analysiert, Zielgruppen definiert und Geschäftsmodelle entwickelt. Die Teilnehmer aus Bayern treffen sich dafür am Standort München. Die FDays umfassen mehrere Module, darunter Präsenzveranstaltungen, selbständige Einheiten, Pitches und externe Coachings. Der erste Durchgang ist bald abgeschlossen. „Nicht jeder wird gründen, doch die Skills sind in jedem Fall wertvoll“, so Doppelberger. „Wir wollen die Teilnehmer für künftige Herausforderungen wappnen.“

Europaweites Netzwerk entwickelt die Lehre weiter

Die Hochschule München leitet derzeit die Entwicklung und Umsetzung bei Conneeect, dem internationalen Netzwerk von Hochschulen zur Etablierung und Verbesserung der Entrepreneurship-Lehre. Das europaweite Trainingsprogramm für Dozenten wird unterstützt und finanziert durch die Europäische Union. Die Teilnehmer sollen vom Zugang zur Europäischen Gründerszene, vom Ideenaustausch und ihrem so entwickelten Netzwerk profitieren. Coneeect bietet dafür fünf internationale einwöchige Intensivtrainings für je 50 Teilnehmer in München, Aberdeen, Sofia, Tel Aviv und Lissabon.

Businessplan vs. Mind Set

„In Bayern haben sich die Maßnahmen dahingehend entwickelt, nicht nur den Leuchtturm München zu fördern, sondern Initiativen an allen Hochschulen anzuregen und Gründungszentren aufzubauen“,

sagt Sailer.

„Die Hochschulen bewegen sich auch weg von der reinen Wissenschafts- und Forschungsfabrik, sie werden Teil der gesamten Gesellschaft.“

Das Thema Entrepreneurship helfe dabei, die Brücke zwischen Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft zu bauen. Die deutschen Hochschulen verfolgen dabei unterschiedliche Strategien. „In Deutschland liegt der Fokus noch immer stark auf der Gründung, im Sinne von ‚Wie schreibe ich einen Businessplan?‘. International geht der Trend in Richtung Persönlichkeitsbildung“, so Sailer.

Am Strascheg Center for Entrepreneurship wird die Ausbildung zunehmend interaktiv. Anstatt theoretische Inhalte zu lernen, erlangen Studierende Kompetenz anhand von realen Projekten und durch aktive Erfahrung. Businessplan-Skills stehen erst dann auf dem Plan, wenn sie wirklich benötigt werden.

Fazit

Beispielhaft ist das Proto-Förderprogramm, das mögliche Gründer schon sehr früh unterstützt. Die Teams erhalten kostenlos Räumlichkeiten, Infrastruktur und ein kleines Sachmittelbudget, um einen Prototypen zu entwickeln.

Prof. Dr. Herbert Gillig
Prof. Dr. Herbert Gillig, SCE (© SCE)

„Während viele Investoren und Förderprogramme später und mit viel größeren Summen ansetzen, geben wir einen kleinen Vertrauensvorschuss“

so Prof. Dr. Herbert Gillig, Leiter der Gründungsförderung am SCE,

„und wir haben festgestellt, dass man damit sehr viel bewegen kann.“

Sailer sieht die Hochschulen in der Verantwortung, die Studierenden auf die Zukunft in einem dynamischen Markt vorzubereiten. So müsse man etwa mit Unsicherheit umgehen, neue Konzepte umsetzen, mit anderen Disziplinen zusammenarbeiten und Leadership-Qualitäten mitbringen. „Die Entrepreneurship-Ausbildung ist eine große Chance, denn sie ist derzeit die einzige, die interdisziplinär diese Skills fördert“, so Sailer. „Es geht weniger darum, formales Gründungs-Know-how zu vermitteln, als vielmehr das unternehmerische Mindset auszubilden“.

Lukas Henseleit, VC-Magazin