© Andreas Heddergott - LH München

Nichts wie raus aus den Startup-Zentren? Was uns der DSM 2016 (nicht) sagt

Erst letzte Woche ist mit dem Deutschen Startup Monitor 2016 (DSM) die aktuelle Ausgabe einer der bekanntesten Studien zur deutschen Startup-Szene erschienen. Doch was sagen uns die Ergebnisse wirklich? Ein Kommentar.

Studien sind ein bisschen wie Wettervorhersagen: Ohne sie könnten wir nur mutmaßen, was der Fall ist. Echte Sicherheit geben sie uns aber auch nicht. Jede sagt etwas anderes, manche liegen richtig, manche daneben. Und welche schlussendlich recht hat, wissen wir oft erst, wenn es zu spät ist. Genau deswegen ist es wichtig, uns Studien genau anzusehen, wenn wir etwas aus den Ergebnissen lernen wollen.

Wandern Startups von den Zentren in die Peripherie?

Das gilt insbesondere für groß angelegte und offiziell anmutende Untersuchungen wie den DSM 2016: Herausgeber der Veröffentlichung ist der Bundesverband Deutsche Startups, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble begrüßt den Leser, das öffentliche Interesse ist groß.

Und gleich zu Beginn der Veröffentlichung hat es das erste Ergebnis der Studie in sich:

„Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Datengrundlage nunmehr breiter über Deutschland gestreut ist als in den Vorjahren.“

© DSM 2016
© DSM 2016

Sprich:  Weniger untersuchte Startups sitzen an den  bekannten Hotspots, mehr in der Peripherie. So rauschte der Berliner Anteil aller im DSM befragten deutschen Startups von 31,1% auf 17,0%. München sackt von 11,5% auf 7,0%, Hamburg von 8,3% auf 6,4%.  In der Hansestadt sind die Zahlen bereits Gegenstand einer Debatte über eine völlig verfehlte beziehungsweise gelungene Startup-Förderung der Landesregierung — je nach parteipolitischer Perspektive.

Aufgestiegen sind dagegen die Metropolregion Rhein-Ruhr von 10,3% auf 14,1% sowie die Region Stuttgart/Karlsruhe von 9,9% auf 12,4%. Erstmals bezieht der DSM in diesem Jahr auch die Region Hannover/Oldenburg mit ein und findet dort 6,9% aller deutschen Startups — nahezu dieselbe Anzahl wie in München und mehr als in Hamburg. Wer sich mit dem Startupgeschehen in Deutschland beschäftigt, darf auch ohne eine genaue Kenntnis der Gründeraktivität im Raum Hannover/Oldenburg überrascht sein.

Wie solche Verteilungen zustande kommen, darüber kann man nur spekulieren: Vielleicht ist das Interesse an einer Studienteilnahme in den Startup-Hochburgen abgeflaut oder viele Startups hatten keine Zeit, teilzunehmen. Vielleicht wurde die Studie regional unterschiedlich stark promotet. Natürlich könnte auch die bisherige Wahrnehmung einschließlich der bisherigen Ausgaben des DSM danebengelegen haben. Dies widerspräche jedoch einem guten Teil der Erfahrung von Gründern und Akteuren der Startup-Szene, den Ergebnissen anderer Studien und dem begründeten Common Sense.

Unbekannte Grundgesamtheit, unsichere Stichprobe

Jeder, der einmal in einem statistischen Proseminar saß, weiß, dass bei quantitativen Erhebungen sehr viel abhängt von der Größe und Qualität der Stichprobe.  Am Beispiel München sieht man etwa, wenn man die absoluten Zahlen ausrechnet, dass im Vorjahr 122  und dieses Jahr 86 Startups an der Studie teilnahmen. Ein Blick auf die Munich Startup Map zeigt: Obwohl die Map ebenfalls noch lange keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sind dort bereits 354 Münchner Startups verzeichnet. Es bestehen also mindestens viermal so viele Startups in  München, wie im DSM erhoben.

In der Studie selbst heißt es dazu, wegen der unbekannten Grundgesamtheit, also der wahren Zahl aller Startups in Deutschland, könne die Studie keine Repräsentativität beanspruchen:

„Der DSM 2016 […] dient dementsprechend vor allem dazu, einen ersten Eindruck über die Startup-Szene in Deutschland zu vermitteln.“

Von der vermeintlichen Enthüllung einer Verschiebung der Startup-Aktivität in Deutschland von den Zentren in die Peripherie bleibt damit aber wenig übrig. Letztlich zeigt die Rangliste nur die Zusammensetzung einer — in geographischer Hinsicht — eingeschränkt repräsentativen Stichprobe.

Vorsicht bei der Interpretation

Doch wie soll man es besser machen? Wie soll eine bessere Stichprobe gelingen, wenn wir die Menge aller Startups schlicht nicht kennen? Mit vertretbarem Aufwand ist das kaum zu bewerkstelligen.

Zu kritisieren ist deshalb die Interpretation solcher Studienergebnisse, nicht die Arbeit der Studienautoren selbst. Obwohl bis auf die Nachkommastelle angegebene Zahlen den Eindruck absoluter Exaktheit geben können, kann es sich dabei immer auch um eine Verzerrung durch die Stichprobe handeln. Das schließt im Übrigen nicht aus, dass die weiteren Ergebnisse des DSM überaus spannend sind und einen guten, in der Tiefe einmaligen Eindruck zum Startup-Geschehen in Deutschland geben.

Und wie beim Wetterbericht gilt: Lieber ein Ergebnis, das potentiell daneben liegen kann, als gar keins. Allerdings ersetzt auch der Wetterbericht nicht den gesunden Menschenverstand. Schließlich nehmen wir bei Regen einen Schirm mit — selbst wenn die Wettervorhersage strahlenden Sonnenschein voraussagt.

Der Deutsche Startup Monitor 2016 steht hier zum kostenlosen Download bereit.