Die 2016 neu gewählten Ashoka-Fellows © Ashoka

Soziale Probleme an der Wurzel packen – Nachgefragt bei… Ashoka

Ashoka ist eine Organisation, die weltweit Sozialunternehmer bei der Verbreitung ihrer Ideen unterstützt. Ziel ist es darüber hinaus, gemeinsam mit Fellows und Partnern, die Rahmenbedingungen für Sozialunternehmer und soziale Ideen in Deutschland zu verbessern – von Anerkennung über Finanzierungsmöglichkeiten bis systematische Kooperationen mit der öffentlichen Hand.

Katharina Hinze,  Koordinatorin des Ashoka-Auswahlprozesses, und Rainer Höll, Führungsteam, gaben Antworten auf unsere Fragen.

Rahmenbedingungen für soziale Innovation verbessern

1. Stellt Euch bitte kurz vor.

Katharina Hinze: Ashoka findet weltweit die Gründerpersönlichkeiten hinter neuen sozialen Lösungen und nimmt sie als „Ashoka-Fellows“ ins Netzwerk auf. Wir suchen nach Ideen, die ein soziales Problem an der Wurzel packen. Nach Menschen, die unseren Blick auf das Thema verändern. Ein Beispiel: Ashoka-Fellow Frank Hoffmann bildet blinde Frauen als Tastuntersucherinnen für Brustkrebsvorsorge aus. Damit verbessert er nicht nur die Krebsprävention und schafft Einkommensmöglichkeiten für blinde Menschen. Er verändert auch unsere Wahrnehmung von Behinderung – vom Defizit zum Potenzial.

Rainer Höll: Ashoka ist seit Anfang der 1980er aktiv und hat weltweit über 3200 Fellows wie Frank Hoffmann ausgewählt. In Deutschland gibt es uns seit 2003, wir sind 16 Personen im Team und arbeiten mittlerweile mit 62 Fellows. Unsere Arbeit geht dabei aber über die individuelle Förderung der Fellows hinaus. Wir wollen die Rahmenbedingungen für Sozialunternehmer in Deutschland zu verbessern.

2. Was bietet Ihr an Mehrwert für die Münchner Gründerszene?

Rainer Höll: Zu allererst hoffen wir natürlich, dass unsere Arbeit an den Rahmenbedingungen auch den Münchner Social Startups zu Gute kommt. Was die individuelle Förderung betrifft, so haben wir einige lokale Sozialunternehmer im Netzwerk, zum Beispiel Michael Stenger, der Gründer der schlaU! Schule, die unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ins Berufsleben begleitet.

Für junge Gründer haben wir unser Programm PEP, das Münchner Startups wie das Impact Hub München, die Bildungsorganisation Serlo oder den Verein „Kuchentratsch“ begleitet.

Und alle zwei Jahre findet unsere große Sozialunternehmerkonferenz in München statt. Auch unsere beiden Tochtergesellschaften, Talents4Good und die Finanzierungsagentur für Social Entrepreneurship FASE, sitzen in München.

Wirkungsvoll Stellschrauben drehen für deutschlandweite Lösungen

3. Ihr sucht Leuchtturm Projekte aus dem Bereich Social Entrepreneurship. Was wollt Ihr damit erreichen? Und worauf legt Ihr bei der Auswahl Wert?

Katharina Hinze: Das zentrale Kriterium für die Auswahl als Ashoka-Fellow ist die „Neue Idee“. Wir wollen diejenigen fördern, die eine wirkungsvolle Stellschraube gefunden haben, an der vorher noch kein anderer gedreht hat. Wir wollen ihnen mit Förderung und professioneller Begleitung ermöglichen, weiter an dieser Schraube zu drehen und ihre Lösung über ganz Deutschland zu verbreiten. Gleichzeitig wollen wir damit auch Rollenmodelle aufzeigen, wie man sich in kluger Weise für das Gemeinwohl einsetzen kann.

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Ein Beispiel für Sozialunternehmertum: Ashoka-Fellow Frank Hoffmann bildet blinde Frauen als Tastuntersucherinnen für die Brustkrebsvorsorge aus.

Rainer Höll: Das Wichtige an der neuen Idee ist, dass sie ein System verändert. Das kann zum Beispiel eine Idee wie die von Frank Hoffmann sein, die unsere Wahrnehmung von Behinderung verändert. Oder eine Idee, die ganz neue Ressourcen freisetzt. Ein aktuelles Beispiel dafür ist Ashoka-Felllow Inge Missmahl, die Flüchtlinge als psychosoziale Berater für andere Flüchtlinge ausbildet. Die Nachfrage nach Beratung ist groß, und Betroffene, die aus demselben Kultur- und Sprachraum kommen, können sich da sinnvoll einbringen.

Finanzierung? Wirkungsorientierung als  entscheidendes Argument

4. Um erfolgreich zu sein, muss ein Sozialunternehmen …

… seine Wirkung genau kennen (sagt Katharina Hinze). Welche Veränderung will ich bei meiner Zielgruppe erreichen? Wie kann ich meinen Erfolg messen, abseits von der Anzahl der erreichten Personen? Führt das, was ich tue, wirklich zu der Veränderung, die ich anstrebe? Hier muss ich selbstkritisch meine Aktivitäten hinterfragen und anpassen. Trial & Error gehört eben auch dazu.

Rainer Höll: Diese klare Wirkungsorientierung ist auch für viele Förderer ein entscheidendes Argument. Ein sehr nützliches Werkzeug, die eigene Wirkung zu dokumentieren, ist übrigens der Social Reporting Standard. Informationen dazu sind frei im Netz verfügbar.

6. Ashoka ist international aufgestellt: Gibt es etwas, was die deutsche Social Entrepreurship Szene anders – und besser – macht als andere?

Rainer Höll: Die deutsche Szene hat besonders gut verstanden, dass Erfolg oft nur in Kooperationen mit den großen bestehenden Systemen möglich ist: mit dem etablierten Wohlfahrtswesen, Krankenkassen, Kommunen, Ministerien. Hierzulande muss man meist keine abgekoppelten privaten Alternativen für Bildung oder Gesundheitsversorgung aufbauen. Das ist zum Beispiel in Schwellen- und Entwicklungsländern anders.

Was sozialen Gründern fehlt – und wie Ashoka darauf reagierte

7. Es gab bei Ashoka zwei Ausgründungen: Fase und talents4good. Wie kam es zu der Idee und was war der Zweck der Ausgründung?

Rainer Höll: Wie Katharina bereits sagte, wollen wir mit unserer Arbeit auch die Rahmenbedingungen für soziale Innovation verbessern. Als Grundlage dafür haben wir 2011 in einer Studie die Hürden für Sozialunternehmer in Deutschland analysiert.

Was vielen sozialen Gründern fehlt, sind geeignete Finanzierungsinstrumente und oft auch das richtige Personal, insbesondere auf der Management-Ebene. Als Reaktion darauf haben wir gemeinsam mit Unterstützern die Finanzierungsagentur FASE sowie die Personalvermittlungsagentur Talents4Good aus Ashoka ausgegründet. Hier finden Sozialunternehmer jetzt Beratung zu rückzahlbarer Finanzierung und Unterstützung bei der Personalsuche.

8. Last but not least: Bei welchen Gelegenheiten kommt man mit Euch ins Gespräch?

Katharina Hinze: Wir sind viel in Deutschland unterwegs, so zum Beispiel auf großen Konferenzen wie dem Vision Summit, bei dem sich soziale Gründer vernetzen. Wer unseren Newsletter abonniert oder uns auf Facebook folgt, bleibt im Bilde über aktuelle Veranstaltungen in der Social Entrepreneurship Szene. Wenn jemand Interesse an einer Partnerschaft mit uns hat, kommen wir auch gerne selbst vorbei.

Anmerkung der Redaktion: Wir führten Anfang 2016 ein Interview mit VerbaVoice, einem der  Münchner Ashoka Fellows. Hier zum Nachlesen.