Mehr Aufmerksamkeit für München! Interview mit Renaud Visage von Eventbrite

Eventbrite ist die Nummer eins unter den Online-Ticketanbietern weltweit. Wir haben die Gelegenheit bekommen, uns mit Gründer Renaud Visage über sein Unternehmen, die Zusammenarbeit mit anderen Startups und seine Sicht auf die deutsche und vor allem auch die Münchner Startup-Szene zu unterhalten.

Hallo Renaud, stell Dich doch nochmal kurz vor, für alle, die Dich noch nicht kennen!

Hi, ich bin Renaud Visage. Vor elf Jahren habe ich den weltweit führenden Ticketinganbieter Eventbrite mitgegründet. Als CTO kümmere ich mich um unsere technologische Entwicklung und unsere Infrastruktur. In meiner Freizeit reise ich am liebsten durch die Welt, lerne neue Kulturen kennen und lebe mich als Fotograf aus .

„Wir schielen nicht ständig auf den Exit“

Wie geht Ihr bei Eventbrite mit dem Thema Finanzierung um?

Bisher haben wir rund 200 Millionen US-Dollar von VCs eingesammelt. Mit dem Geld unserer Investoren sind wir sehr verantwortungsvoll umgegangen. Das sollte eigentlich jeder tun, der ein nachhaltiges Unternehmen aufbauen will. Nachhaltig sein bedeutet für uns: Wir wollen der weltweit größte Marktplatz für Veranstaltungen werden, und schielen dabei nicht ständig auf einen möglichen Exit. Wir wollen zwar auf jeden Fall an die Börse, aber das ist für uns nur ein weiterer Schritt hin zu unserem Fernziel.

CTO und Mitgründer von Eventbrite: Renaud Visage
CTO und Mitgründer von Eventbrite: Renaud Visage.
© Eventbrite

Mehr Geschäftssinn in München

Wie nimmst du die Startup-Szene in Deutschland und speziell in München wahr?

Das deutsche Startup-Ökosystem ist in den letzten zehn Jahren enorm gewachsen und ist für mich eines der Top-Netzwerke in Europa. Die Szene hier ist vergleichsweise schnell erwachsen geworden und ist mittlerweile den Communities in anderen europäischen Ländern zumindest ebenbürtig. Meine Mitgründer und ich haben diesen Prozess aufmerksam verfolgt. Momentan steht in Deutschland vor allem Berlin im Rampenlicht. Das finde ich ungerecht. Vor allem, weil viele Berliner Startups es schwer haben, profitabel zu werden. Münchener Startups scheinen mir da einen stärkeren Geschäftssinn zu haben, die globale Techbranche sollte ihnen mehr Aufmerksamkeit schenken.

Ihr wollt in München Eure Präsenz steigern. Was hat Euch dazu bewegt und was erhofft Ihr Euch von diesem Standort?

München ist einer der Dreh- und Angelpunkte der deutschen Eventbranche. Wir sind seit Jahren Ticketingpartner der Bits & Pretzels, und haben deren Entwicklung zu einer der spannendsten Tech-Konferenzen in Deutschland mitbegleitet. Im vergangenen Jahr haben wir dann auch die Internet World Business zum ersten Mal geticketet, machen dieses Jahr wieder das Holi Festival of Colours und jetzt auch Isle of Summer. Und neben diesen größeren Events gibt’s bei uns im Moment Tickets für über 450 Veranstaltungen in München. Damit steht schon mal ein solides Fundament, und es zeigt den Bedarf für innovatives Ticketing in der Landeshauptstadt. Darauf wollen wir jetzt aufbauen.

Ihr habt auch einen Sitz in Berlin: Wo liegen für Euch die größten Unterschiede zwischen der deutschen Hauptstadt und der bayerischen Landeshauptstadt?

Durch die “Eventbrite-Brille” betrachtet, ist unsere Durchdringung des Eventmarkts in Berlin viel höher als in München. Momentan (Januar 2017) gibt es auf Eventbrite mehr als doppelt so viele Events in Berlin (über tausend) als in München. Das wollen wir ausgleichen. Und allgemeiner gesprochen fällt uns der Unterschied zwischen den beiden Startupkulturen auf. Berliner Startups konzentrieren sich oft auf Verbraucher, Münchener neigen zu Angeboten für Unternehmen, wie z.B. Shore, Celonis oder Magazino.

Eventbrite

Wie blickt die US-Szene auf Deutschland?

Deutschland ist ein Muss für jedes US-Unternehmen, das in Europa erfolgreich sein will. Wenn man es in einem so speziellen Markt wie Deutschland – der einige Herausforderungen mit sich bringt – schafft, Fuß zu fassen, dan schafft man es üblicherweise auch im Rest Europas. Das gilt für Schwergewichte wie Amazon, McDonald’s oder Google ebenso wie für US-Unternehmen im Kreativ- und Digitalsektor. Es ist kein Zufall, dass Deutschland einer unserer ersten Launchmärkte in Europa war.

Enge Beziehungen zu anderen Startups

Was fehlt der deutschen Startup-Szene Deiner Meinung nach noch?

Ein stärkeres Bewusstsein für Profitabilität und der Wille, ein Unternehmen über einen profitablen Exit hinaus aufzubauen. Außerdem gibt es zu wenige Investoren, die bereit sind, auch eine längere Startrampe finanziell zu begleiten. Unsere eigenen Investoren sind nun schon seit mehreren Jahren an Bord, und genau das ist die Art von Engagement, die Startups dabei hilft, zu globalen Playern zu werden.

Arbeitet Eventbrite mittlerweile auch selbst mit Startups zusammen? Wenn ja, inwiefern?

Wir pflegen enge Beziehungen zu vielen Startups im Veranstaltungssektor und haben Integrationen mit über 150 Partnerfirmen wie Mailchimp, WordPress oder Salesforce sowie europäischen Unternehmen wie Eventkingdom, Boomset und Cleverreach. Zudem greifen viele Unternehmen auf unsere offenen APIs zu, um in ihrem Online-Angebot z.B. Events in ihrer Region aufzulisten.

Zum einen hilft uns dieser Ansatz dabei, unsere Entwicklungsarbeit auf unsere Kernkompetenzen zu konzentrieren; es gibt so viele Teilbereiche und sekundäre Services, die wir auch selbst entwickeln und anbieten könnten, aber spezialisierte Anbieter können das meistens besser, und wir würden zu viele Ressourcen darauf verwenden, die uns bei unserem Hauptprodukt fehlen würden.

Für unsere Kunden ist das übrigens auch besser: Die bekommen mit Eventbrite die besten Technologien für Ticketing und Events und können ihr Eventbrite-Profil über unser Partnerprogramm mit ihren Lieblingsdiensten für E-Mailmarketing, CRM, Umfragen, Einladungen, usw. verknüpfen.