Wer in Deutschland disruptive Innovationen in der Gesundheitsbranche umsetzen möchte, hat es nicht leicht. Die Gesetze und Auflagen sind für Startups oftmals eine zu große Hürde für den Markteintritt. Das Münchner Startup TeleClinic hat sich dennoch getraut und eine Online-Gesundheitsplattform gelauncht, über die Patienten von überall aus mit einem Facharzt sprechen können.
Was hat dazu geführt, ein digitales, innovatives Konzept im Bereich Telemedizin zu entwickeln? Prof. Dr. Reinhard Meier, Radiologe am Klinikum rechts der Isar München und am Uniklinikum Ulm, hatte in den USA den Trend zur Telemedizin beobachtet und eine enorme Nutzensteigerung für Patienten gesehen.
Durch die gemeinsame Forschung über Innovation in hochregulierten Märkten am Center for Digital Technology and Management (CDTM) kamen Prof. Dr. Meier und Katharina Jünger, Gründerin und CEO von TeleClinic, auf die Idee, die Erfahrungen aus den USA und das Wissen über regulierte Märkte zu verknüpfen. Auf der Suche nach einem spezialisierten Partner aus der Informationstechnologie stießen sie dann an der TU München auf Patrick Palacin, der dort Wirtschaftsinformatik studierte und mit ins Gründerteam einstieg.
Patienten scheuen Wartezeiten und Anfahrt
„Wir wollen erreichen, dass ein Patient nicht extra zu einem Arzt in die Praxis fahren muss. Durch unser Angebot können vor allem mobil eingeschränkte Menschen, wie beispielsweise junge Eltern, beruflich stark eingespannte Menschen oder Ältere weiter eine exzellente medizinische Beratung erhalten,“
beschreibt Gründerin Jünger den Nutzen für die Kunden. Keine Wartezeiten für einen Arzttermin, kein stundenlanges Herumsitzen in überfüllten Wartezimmern, nicht am Wochenende in die Notfallklinik müssen – das stellt für viele Patienten eine große Erleichterung dar.
Gesundheitssystem kann durch Telemedizin profitieren
Außerdem profitiert das Gesundheitssystem selbst ebenfalls von den Möglichkeiten der Telemedizin. So werden Notaufnahmen entlastet, indem der Patient Fragen wie „Muss ich zu einem Notarzt oder reicht es, wenn ich am nächsten Tag in die Praxis gehe?“ oder „Mein Kind hat hohes Fieber, was soll ich tun?“ direkt klären kann. Schnell geht es auch meistens: Die Wartezeit auf ein Gespräch beträgt bei TeleClinic im Schnitt nur drei Minuten. Eine Beratung wiederum dauert solange, bis sich die Fragen des Patienten geklärt haben. Durchschnittlich sind das zehn bis fünfzehn Minuten.
Obwohl es den bei TeleClinic beratenden Ärzten bislang nicht gesetzlich gestattet ist, Diagnosen zu stellen oder Rezepte auszugeben, kommt das Angebot gut an. Bis zu 150 Menschen pro Tag nutzen aktuell den Service. Dabei liegt das Durchschnittsalter bei 57 Jahren. Insbesondere holen sich Patienten eine Zweitmeinung per Videochat ein, beispielsweise bei Rückenproblemen oder Hautauschlägen. Auch Rechercheanfragen zu Fachärzten in der Nähe werden oft gestellt.
Deutschland hat Nachholbedarf
Das E-Health-Gesetz hat den Bereich Telemedizin in den Fahrplan mit aufgenommen. So ist gesetzlich vorgesehen, dass ab Juli 2017 Krankenversicherungen für Online-Videoberatungen finanziell aufkommen, wenn der Arzt den Patienten davor physisch gesehen hat. TeleClinic profitiert dadurch zwar nicht direkt, sieht es jedoch als einen Schritt in die richtige Richtung. Denn immerhin erfahren damit Videosprechstunden mit einem Arzt mehr Aufmerksamkeit und Akzeptanz.
In anderen europäischen Ländern ist man schon wesentlich weiter. In der Schweiz oder Großbritannien gibt es Telemedizin-Angebote bereits seit Längerem. Auch in Deutschland sind einige weitere Anbieter auf dem Markt, die eine medizinische Beratungshotline oder eine Online-Videosprechstunde anbieten. TeleClinic wiederum kombiniert beides. Denn die Telefonberatung ist besonders für ältere Menschen sinnvoll. Und der Videochat über Computer oder App ist spannend für Menschen, die unterwegs sind, sei es auf Geschäftsreisen oder im Urlaub.
Gründerstipendium und Wagniskapital für TeleClinic
Gegründet wurde das Unternehmen bereits 2015, im Mai 2016 ging es dann offiziell los. Mittlerweile verzeichnet das Münchner Startup über 1.500 aktive Nutzer, die sich von derzeit rund 150 Fachärzten aus etwa 30 verschiedenen Fachrichtungen beraten lassen können. Das Team des jungen Unternehmens umfasst aktuell 26 Mitarbeiter; weitere Stellen sind ausgeschrieben.
Unterstützt wurden die Gründer bis Herbst 2016 durch das Exist-Gründerstipendium. Als Wagniskapitalgeber stiegen für die Seed-Finanzierung außerdem verschiedene Business Angel ein. Insgesamt konnte das Startup dadurch ein finanzielles Fundament von 600.000 Euro legen.
Und wie soll es weitergehen? Katharina Jünger sagt:
„Da sich Deutschland ganz bald an die Digitalisierung anpassen muss, wie es bereits in anderen Ländern passiert ist, sehen wir TeleClinic als wichtigen Schritt in Richtung eines revolutionierten Gesundheitsmarkts in Deutschland.“
Munich Startup wünscht den Gründern und TeleClinic viel Erfolg beim Revolutionieren der deutschen Gesundheitsbranche und auf dem weiteren Weg.