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„Wer die Leute überzeugen will, muss eine gute Geschichte erzählen können“ – Markus Sauerhammer von Startnext im Interview

Immer mehr Startups entdecken Crowdfunding als Finanzierungsmöglichkeit für sich.  Ob es dabei um mehr als nur das reine „Geld einsammeln“ geht, welche Maßnahmen zu einer erfolgreichen Kampagne beitragen können und ob das Thema Crowdfunding schon in der Politik angekommen ist, das alles wollten wir von einem echten Experten wissen. Und haben dafür mit Markus Sauerhammer von Startnext gesprochen.

Crowdfunding ist viel mehr als eine reine Finanzierungsmöglichkeit für Projekte oder Gründungen. Was – außer Geld – können Gründer und Startups von einer Crowdfunding-Kampagne noch mitnehmen?

Markus Sauerhammer, Leiter Kooperation bei Startnext (© Kristoffer Schwetje / Startnext)

Die wichtigsten Mehrwerte von reward-based Crowdfunding für Startups ist die Kombination von Markttest, Kommunikationskampagne und (Teil-)Finanzierung durch vorweggenommene Umsätze. Das Interessante ist, dass durch diese Kombination der häufigste Grund für das Scheitern von Startups direkt vorweg- genommen wird: Gibt es eigentlich einen Markt für mein Produkt?

„Wer die Leute überzeugen will, muss in der der Lage sein, eine gute Geschichte zu erzählen“

Was macht eine erfolgreiche Kampagne aus? Gibt es Kampagnen, die Dir besonders im Kopf geblieben sind?

Wer die Leute überzeugen will, muss in der der Lage sein, eine gute Geschichte zu erzählen. Der Starter muss eine Vision formulieren können, wie er die Gesellschaft verändern will, die Idee auf den Punkt bringen und seine Zielgruppe damit begeistern können. Insgesamt ist es das Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt. Die sieben wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine Kampagne sind:

1. Projektidee: Bring Dein Vorhaben auf den Punkt und erkläre Deine Botschaft.

2. Video: Gib Deiner Idee ein Gesicht und stelle Dich selbst und Deine Idee vor der Kamera vor.

3. Bilder: Wähle ansprechende Bilder, die Dein Projekt veranschaulichen und die Aufmerksamkeit der Crowd auf sich ziehen.

4. Fundingziel: Definiere ein realistisches Zielbudget, mit dem Du Dein Vorhaben umsetzen kannst.

5. Dankeschöns: Biete fünf bis zehn attraktive Dankeschöns an, aus denen sich Deine Unterstützer ihre Gegenleistung auswählen können.

6. Zielgruppe: Überlege Dir genau, wer Deine Zielgruppe ist und wie und mit welchen Inhalten Du sie erreichen kannst.

7. Kommunikation: Trage Dein Projekt in die Welt hinaus – in sozialen Netzwerken, per E-Mail, auf Veranstaltungen oder über die Presse.

„Crowdfunding ist auch Imagekampagne für das Gründertum“

In meinem Kopf schwirrt inzwischen eine Vielzahl von tollen Projekten, die mittels Crowdfunding realisiert wurden. Sehr spannend finde ich Social Startups. Bislang wird diese Zielgruppe trotz des gesellschaftlichen Mehrwerts noch immer von Politik und klassischen Instrumenten der Gründungsförderung vernachlässigt. Tolle Projekte sind hier Cucula, Einhorn oder die Kiron University. Was das wirkliche Potenzial von Crowdfunding am besten aufzeigt ist die Kampagne von Original Unverpackt. Nach deren Erfolg gab es zwischenzeitlich über 15 weitere Supermärkte ohne Verpackung. Durch den transparenten und partizipativen Prozess beim Crowdfunding ist jede einzelne Kampagne auch eine Imagekampagne für Gründertum insgesamt und davon brauchen wir ja in Deutschland dringend mehr.

Würdest du sagen, dass das Thema Crowdfunding schon in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist? Oder gibt es hier noch Aufklärungsarbeit zu leisten?

Inzwischen ist Crowdfunding einem großen Teil der Bevölkerung ein Begriff. Aktuelle Umfragen zeigen auch, dass dies weiter zunimmt. Man sieht auch große regionale Unterschiede. Hier besteht ein großer Zusammenhang damit, wie die örtlichen Akteure das Thema vorantreiben und welche Leuchttürme in der Region eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne durchgeführt haben. Jedes einzelne Projekt inspiriert durch die enge Verzahnung mit der Kommunikation weitere Menschen, eigene Ideen auf die Straße zu bringen. Sieht man über den Tellerrand in die USA, schlummert bei uns in jedem Fall noch viel ungenutztes Potenzial.

Warum sollte ich als Privatperson überhaupt eine Kampagne unterstützen?

Durch Crowdfunding kann ich als Privatperson direkt mitbestimmen, welche Unternehmen, Projekte und Produkte realisiert werden. Bei der Unterstützung einer reward-based Crowdfunding-Kampagne erhalte ich dann meist als Dankeschön das fertige Produkt. Häufig zu einem Vorzugspreis oder in einer limitierten Sonderauflage. Zudem gibt es oft Gegenleistungen, die es ausschließlich im Rahmen der Kampagne erhältlich sind. Wenn man so mag, schlummert hier das Instrument zu einer nachfrageorientierten Innovationspolitik. Als Verbraucher bestimme ich somit nicht erst durch meinen Konsum, welche Ideen erfolgreich sind, sondern kann bereits vorab in diesen Prozess eingreifen.

Und wie sieht es mit der Politik aus: Ist das Thema Crowdfunding auch schon in den Parteiprogrammen angekommen?

Bereits im Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2013 gibt es den Beschluss, öffentliche Förderinstrumente mit dem Crowdfunding zu kombinieren. Leider diskutieren die zuständigen Stellen bislang ausschließlich Crowdinvesting. In meinen Augen eine große Fehleinschätzung, da der Blick in die USA zeigt, welch großes Potenzial in reward-based Crowdfunding schlummert. Alleine über die größte US-Plattform sind seit der Gründung in 2009 über 300.000 Arbeitsplätze und fast 9.000 Unternehmen entstanden.

Das größte Problem sehe ich darin, dass man die analogen Finanzierungsinstrumente mit öffentlichen Geldern unterstützt und sich Crowdfunding in diesem Wettbewerbsumfeld der Ideenfinanzierung seinen Platz erkämpfen muss. Ich vergleiche diese Politik gerne damit, als hätte man in den Anfangszeiten der Automobilindustrie den Menschen einen Zuschuss für den Kauf einer Kutsche gegeben und würde sich im Nachhinein wundern, warum bei uns keine Automobilindustrie entsteht. Es gibt aber inzwischen immer mehr Akteure in der Politik, die das Thema aufgreifen. So startet z.B. die L-Bank als erste deutsche Förderbank im April ein Finanzierungsprodukt, welches die Stärken von Crowdfunding und klassischer Gründungsfinanzierung kombiniert. Weitere Akteure folgen hier im Laufe des Jahres. Sieht man nach Österreich haben Graz und Linz bereits eigene Förderprogramme für die Vorbereitung einer Crowdfunding-Kampagne aufgesetzt. Es bewegt sich also so langsam einiges.

„Die meisten Gründer scheitern eben nicht an der Finanzierung, sondern am Markt selbst“

Was hältst du von Crowdinvesting?

Mich begeistert auch Crowdinvesting. Auf Startnext hatten wir einige Kampagnen laufen und nach diesen Erfahrungen das Thema vorerst eingestellt. In meinen Augen gibt es hier aber sowohl vom Markt als auch von politischer Seite noch viel Bedarf für die Gestaltung guter Rahmenbedingungen. Nach meinem Job als Gründungsberater habe ich mich bewusst für eine Tätigkeit im Umfeld von reward-based Crowdfunding entschieden, da hier die Effizienzen der Digitalisierung für den Realisierungsprozess neuer Ideen genutzt werden. Langfristig entscheidet eben nur der Umsatz mit dem Kunden, ob ein Unternehmen am Markt erfolgreich ist. Durch reward-based Crowdfunding beziehe ich genau diesen Prozess in die Entstehung neuer Ideen ein. Die meisten Gründer scheitern eben nicht an der Finanzierung, sondern am Markt selbst. Die Frage ist auch, ob der Großteil der Verbraucher besser den Nutzen einer Idee – was man ja über sein tägliches Konsumverhalten tut – oder die finanzielle Rendite einer potenziellen Anlage einschätzen kann?

Auf Startnext lassen sich ja viele Projekte aus dem Bereich Social Entrepreneurship finden – ein Thema, für das Du brennst. Was fasziniert Dich daran besonders? Gibt es Projekte, die Du aktuell besonders spannend findest?

Ich war lange im Bereich technologieorientierter Startups tätig und bin begeistert, was sich hier in naher Zukunft noch alles entwickeln wird. Wenn wir die aktuelle Entwicklung logisch weiterdenken, sind wir mit der Digitalisierung in ein Zeitalter des permanenten Wandels eingetreten. Die Geschichte zeigt uns, dass mit dem technologischen Wandel auch immer ein gesellschaftlicher Wandel einhergeht. In der Vergangenheit sind solche Transformationsprozesse nicht immer friedlich abgelaufen. Hier sollten wir nicht wieder die gleichen Fehler machen. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass gesellschaftliche Innovationen mit dem gleichen Nachdruck angegangen werden, wie technologische Innovationen. Social Entrepreneurship hat sich hier global als wichtiger und vor allem nachhaltiger Lösungsbaustein entwickelt. Leider ist es auch hier so, dass die Politik das Thema bei uns bislang ignoriert. Eine Studie der Thomson-Reuters Foundation hat ermittelt, dass Deutschland unter den 45 stärksten Wirtschaftsnationen im Bereich „Unterstützung durch die Regierung“ lediglich auf Rang 34 landet – zwischen Griechenland und Mexiko. Gerade wenn man sich unsere Tradition als Gestalter gesellschaftlicher Innovationen ansieht, sollten wir uns damit nicht zufriedengeben.

Passendes Werkzeug für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts

In dem Zusammenhang kommt Crowdfunding ins Spiel. Wir werden die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht mit den Werkzeugen des letzten oder gar vorletzten Jahrhunderts lösen. Oben habe ich bereits eine Reihe einzelner Kampagnen vorgestellt. Die nächste Ausbaustufe in dem Kontext ist die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen gemeinsam mit den Menschen. Ich glaube, nur so kann gesellschaftlicher Wandel funktionieren. Aktuell laufen zwei Crowdfunding-Contests, die in ihrer ganzheitlichen Ausgestaltung Inkubationsprogramme gesellschaftlicher Innovationen sind. Die gemeinnützige Hertie-Stiftung unterstützt über den Deutschen Integrationspreis Initiativen, die Lösungen für die Integration Geflüchteter schaffen und die Ideenkanal Stiftung will Liechtenstein zum Silicon Valley sinnstiftender Ideen machen. Beides sind gute Beispiele, wie ich Crowdfunding als Instrument für die Gestaltung zukunftsorientierter Lösungen auf kommunaler oder nationaler Ebene nutzen kann.