Risiko? Normalzustand! – Interview mit Foodora-Gründer Konstantin Mehl

Wir haben mit Konstantin Mehl gesprochen. Der sympathische Seriengründer räumt mit dem fest verankerten Gerücht auf, sein Startup Foodora sei bereits vor zwei Jahren verkauft worden. Aber: Anfang Juni kam es doch zum Exit! Wir können gespannt sein, was die Zukunft bringt, denn Konstantin verriet, er wolle in Münchner Startups investieren.

„Wir haben nicht an Rocket verkauft“

Konstantin, Du hast bereits mehrere Geschäftsideen umgesetzt. Nach der Gründung eines Blumen-Startups hast Du Foodora gegründet, nach dem Verkauf an Rocket hast du Kaia Health gegründet. Gibt es Deiner Meinung nach ein „Unternehmer-Gen“?

Erst einmal: wir haben nicht an Rocket verkauft, sondern an Lieferheld und zwar Anfang Juni. Wir wissen, dass wir laut dem Internet schon in 2014 ge-exited haben. Das finden wir spannend, entspricht aber nicht der Realität 😉

Das Unternehmer-Gen

Zur eigentlichen Frage: Ich baue gerne Produkte und arbeite gerne mit Freunden. Da ist eine der wenigen Alternativen also ein Startup zu gründen. Mein Bruder Bernhard baut ja auch ein Unternehmen — kisi, in New York. Das würde wieder für das Unternehmer-Gen sprechen.

Ideen haben viele, sie erfolgreich zu verwirklichen, das schafft nicht jeder. Was muss ein Gründer mitbringen, um eine Vision Realität werden zu lassen?

Ich denke es gibt im Wesentlichen drei Punkte:

  • Relentless recourcefulness (das haben ich von Paul Graham geklaut). Es gibt einfach so viele Hürden, die man vorher nicht kennt oder unterschätzt. Wenn man da nicht einfach unbeeindruckt weitermacht, wenn diese Hürden auftauchen, oder sogar die Situation ins Positive dreht, kann man schnell die Lust verlieren. Oft ist man auch enttäuscht, wenn z.B. Marketing oder Produkthypothesen zehnmal hintereinander falsch sind. Wenn man dann nicht bereit ist, nochmal zehn Hypothesen durchzuprobieren, scheitert man schnell.
  • Komplementäre Mitgründer: Ich bin ja kein Techie, deswegen und auch weil es mehr Spaß macht, gründe ich immer mit Manuel. Auf der anderen Seite sagt Peter Thiel auch, dass der häufigste Grund für das Scheitern eines Startups die Inkompetenz an der Vertriebsfront ist. Darum kümmere ich mich. Wenn man eines der zwei Puzzleteilchen nicht im Gründerteam hat, wird’s schwierig. Habe ich schon oft gesehen.

Richtige Personalauswahl als Erfolgsfaktor

  • Eine Vision, die sehr schlaue, pragmatische und zuverlässige Menschen anzieht. Egal wie viel man als Gründer arbeitet, es wird nie genug sein. Ich verbringe einen Großteil meiner Zeit damit, Menschen zu finden, die von unserer Mission überzeugt sind und eine wichtige Fähigkeit haben, die noch nicht im Team vorhanden ist. Die Wichtigkeit dieses Punktes unterschätzt man häufig. Man stellt Leute ein, die sympathisch sind oder man verwendet wenig Zeit auf Hiring generell. Daran muss ich mich häufig erinnern, damit wir die Personalauswahl nicht stiefmütterlich behandeln.

Deine neueste Gründung, die Kaia Health App, hilft gegen Rückenschmerzen. Konstantin, Du hast selber Rückenschmerzen gelitten. Wie wichtig ist es, bei der Idee für ein Startup einen eigenen „Pain“ zu haben?

Das ist für mich bisher die Grundvoraussetzung gewesen. Wenn ich selber ein Problem intensiv hatte, bin ich ein perfekter kritischer erster User und kenne die pain points ganz genau. Das bringt Geschwindigkeit in die Produktentwicklung.

Risiko? Normalzustand!

Welche Key-Learnings hast Du bei Deinen früheren Gründungen mitgenommen? Was machst Du nun anders – und besser?

Mittlerweile ist es sehr angenehm, dass mir Risiko als völlig normal vorkommt. Bei meinen ersten Gründungen hatte ich mich das manchmal beunruhigt. Jetzt ist das der Normalzustand.

Spannend ist auch zu sehen, wie verschieden Firmen sein können, vor allem Operations. Zwischen Foodora und Kaia liegt ein Riesenunterschied. Foodora war sehr operations- und kapitalintensiv. Kaia ist zu 100% ein digitales Produkt. Das hat natürlich große Vorteile und war eine aktive Entscheidung von uns.

Erfahrene Unternehmer berichten fast immer, dass sie wesentlich besser im Hiring geworden sind. Man bekommt einfach ein wesentlich besseres Gespür dafür, welche Menschen nur ihre Zeit absitzen wollen und welche Menschen wirklich etwas bewegen wollen und auch bereit sind, entsprechend Zeit und Energie zu investieren.

Zusammen mit Manuel Thurner hast Du bereits foodora gegründet. Inwiefern stimmst Du der Aussage „Never change a winning team“ zu?

100%!

„Mit einem guten Produkt Menschen berühren“

War der Exit bei Foodora von Beginn an geplant? Und wie ist das, wenn man ein Startup hochzieht und dann sein Unternehmen verkauft – wie bist Du damit umgegangen, nur noch begrenzt bzw. gar keinen Einfluss mehr nehmen zu können? 

Uns geht es wirklich darum, ein super Produkt zu bauen und damit möglichst viele Menschen zu berühren. Bei Foodora haben wir das perfekt umgesetzt. Ein super Produkt und eine unglaubliche weltweite Präsenz. Das hätten wir nie gedacht. Andere Unternehmer finden Macht, Einfluss und Geld wichtig. Dieser Typ Unternehmer wird in einem spannenden Buch als ‚King‘ beschrieben. Der andere Typ wird als ‚Rich‘ beschrieben.

Buch-Tipp für Erstgründer

Das Buch ‚Founders Dilemmas‘ kann ich jedem Unternehmer nur wärmstens empfehlen. Da schreibt ein Harvard Professor über Dinge, die man oft niemanden fragen kann, vor allem als first time founder.

Welche Zukunftsvision hast Du für Dein aktuelles Startup Kaia Health?

Wir wollen ein Schmerzmittel gegen Rückenschmerzen entwickeln, dass so häufig verwendet wird wie Ibuprofen. Also Ibuprofen nur als App. 😉

Langfristig wollen wir eine digitale Pharmafirma bauen mit mehreren Apps gegen verschiedene chronische Krankheiten. Mit unserem ‚AI Lab for chronic diseases‘ erforschen wir, welche Technologien digitale Therapien besser machen können. Das wird über längere Zeit eine dominante Rolle bei Kaia einnehmen.

Münchner Startup-Markt extrem unterschätzt

Und was willst Du darüber hinaus noch verwirklichen? Wie schauen weitere Zukunftspläne aus?

Das waren jetzt doch eigentlich schon genug Pläne, oder? Jetzt nach dem Exit bei Foodora überlege ich, in ein paar Startups aus München zu investieren, weil ich überzeugt bin, dass der Münchner Startup-Markt extrem unterschätzt ist und ich super viele spannende Leute hier kenne.

Wanted: pre-seed und seed-Ventures mit super Gründer-Typen

Also: Wer sucht Geld und braucht einen entspannten Investor?

Last not least: Du hast in New York studiert, mit Foodora warst Du in Berlin. Was zieht Dich zurück nach München? Und wieso ist München aus Deiner Sicht ein guter Startup-Standort?

In München haben wir zwei der besten Universitäten weltweit UND gleichzeitig eine sehr angenehme Kultur. Ein Entwickler von der TU München kann genauso viel wie einer vom MIT. Wir waren auch beide am CDTM und sowohl bei Foodora als auch bei Kaia rekrutieren wir fast ausschließlich Studenten und Alumni vom CDTM. Das ist unsere Münchner Familie!

Generell fliegt man aus München auch schnell überall hin in die Welt und hat sowohl in die USA als auch nach Asien eine gute geographische Positionierung. Wenn man viel herumfliegt, ist man ja auch wieder froh, in München entspannt in den Biergarten zu gehen. Die Samwers wohnen ja auch am Starnberger See und nicht in New York. 😉

Vielen Dank für das Gespräch, Konstantin. Wir freuen uns schon, von Deinen künftigen Investitionen in Münchner Startups zu hören!