Professor Manfred Broy © Zentrum Digitalisierung. Bayern

Professor Manfred Broy: „Das Münchner Ökosystem hat viel Potential“

Die Digitalisierung und der damit verbundene Wandel stellt die Wirtschaft vor große Herausforderungen. Einer, der sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzt, ist Professor Manfred Broy, Gründungspräsident des Zentrums Digitalisierung.Bayern. Wir haben mit ihm über die Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels gesprochen, welche Rolle Startups dabei spielen und wo er im Münchner Ökosystem Gefahren lauern sieht.

Herr Broy, stellen Sie sich bitte nochmal kurz vor!

Ich bin Gründungspräsident des Zentrums Digitalisierung.Bayern. Davor war ich ab 1989 Professor für Informatik der Fachrichtung Software und Systems Engineering an der TU München. Ich habe mich stets mit Fragen des Systementwurfs, der Systementwicklung und Softwareentwicklung beschäftigt, in den letzten Jahren stärker auch unter dem Gesichtspunkt der Frage, wie die Wechselwirkungen zwischen der Befähigung zur Entwicklung von Software und den strategischen Aufgaben in Unternehmen gerade unter dem Gesichtspunkt der digitalen Transformation sind.

Zu wenig Softwareaffinität im Mittelstand

Wie gut ist die bayerische Wirtschaft auf die Herausforderungen des digitalen Wandels vorbereitet? Welche Herausforderungen halten Sie für besonders brisant?

Die bayerische Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren sehr intensiv mit der Frage der digitalen Transformation auseinandergesetzt. Es sind eine ganze Reihe von Initiativen entstanden, und es ist eine starke Bewegung erkennbar, auch Unternehmen, die in dem Thema schon weit fortgeschritten sind. Besonders brisant halte ich den Umstand, dass gerade im Bereich des Mittelstandes und der produzierenden Wirtschaft noch zu wenig Softwareaffinität vorhanden ist. Hier müssen Unternehmen sehr schnell entsprechende Kompetenzen aufbauen und zwar nicht nur auf der operationalen, sondern auch auf der strategischen Ebene.

Zentrum Digitalisierung. Bayern
© Zentrum Digitalisierung. Bayern

Was werden die grundlegenden Veränderungen sein, die die Digitalisierung mit sich bringt? Viele Arbeitnehmer verspüren eine gewisse Angst vor dem digitalen Wandel, ist diese begründet?

Die Veränderungen der Digitalisierung sind allenthalben erkennbar und dramatisch. Sie betreffen den einzelnen Menschen gleichermaßen wie Firmen, Organisationen, ja auch das politische System, die Gesellschaft, die Kultur. Es ist nur natürlich, dass Menschen die Veränderungen immer mit einer gewissen Besorgnis zur Kenntnis nehmen, eine gewisse Angst vor dem digitalen Wandel verspüren. Ich denke aber, dass es gar keine Alternative dazu gibt. Das einzige, was hilft, ist sich intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen und soweit möglich den digitalen Wandel selbstbewusst mitzugestalten und genau zu überlegen, an welchen Stellen man wie teilnehmen will.

Etablierte Unternehmen können von Startups profitieren

Welche Rolle spielen Startups Ihrer Meinung nach für die Digitalisierung und für unsere Wirtschaft im Allgemeinen?

Die Startups spielen in der Digitalisierung schon deshalb eine besondere Rolle, weil die hohe Geschwindigkeit etablierte Unternehmen oft überfordert, schnell in neue Geschäftsfelder oder Technologien vorzudringen. Gerade für große Firmen sind die digitalen Veränderungen oft sehr schwierig und erfordern viel Zeit. Startups können sehr schnell neue Themen aufgreifen, müssen eben genau genommen gar keine digitale Transformation bewerkstelligen, sondern können auf der grünen Wiese in neue Themen starten. In Bayern hat das eine besondere Bedeutung, da wir nach wie vor eine starke Wirtschaft besitzen und deshalb die Frage der digitalen Transformation und der Rolle der Startups in der digitalen Transformation gerade für etablierte Unternehmen eine besondere Bedeutung hat.

Inwiefern unterstützen Sie Startups und junge Gründer?

Wir unterstützen Startups und junge Gründer in vielfältiger Weise. Das geht damit los, dass wir einige Programme moderieren, beispielsweise die Verbesserung der Entrepreneurshipausbildung an den Universitäten, dass wir intensiv mit Startup-Zentren und Acceleratoren zusammenarbeiten und dass wir insbesondere bemüht sind, die Kommunikationssituation zu verbessern und auch stärker Kontakte zwischen Startups und etablierten Unternehmen herzustellen.

Frühzeitige Kundeninteraktion und Flexibilität von Bedeutung

Um erfolgreich zu sein, muss ein Startup…?

Ich glaube, was entscheidend ist, dass ein Startup eine klare Fokussierung auf den Markt hat. Ich habe viele Startups gesehen, die eine an und für sich gute Idee hatten, aber versäumt haben, die Idee genau auf die Bedürfnisse des Marktes auszurichten. Es ist also wichtig, gerade am Anfang flexibel zu sein, bereit zu experimentieren und sich sehr schnell auf seine Kundschaft einzulassen.

Was ist der größte Fehler, den ein Startup machen kann?

Ich denke, der größte Fehler eines Startups ist, den Markt nicht genau im Auge zu haben. Kundennähe und frühzeitige Interaktion mit dem Kunden und den Märkten ist entscheidend.

München darf Trendwende nicht verpassen

Der Trend des Jahres ist…!

Ich sehe nicht den einen Trend des Jahres. Es gibt eine ganze Reihe von Trends. Natürlich ist im Augenblick das Thema künstliche Intelligenz und Maschine-Learning und damit verbunden Big Data ein wichtiges Thema. Das war aber auch schon die letzten Jahre so. Das Thema Blockchain wird intensiv diskutiert, ohne dass bereits abschließend erkennbar ist, wie bedeutsam es werden kann und andere Trends, auch aus den letzten Jahren, setzen sich fort, insbesondere das Thema Internet der Dinge, aber auch bestimmte Anwendungen wie autonomes Fahren.

Wie empfinden Sie das Münchner Ökosystem und die hiesige Startup-Szene? Was gefällt Ihnen und wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?

Ich glaube, dass das Münchner Ökosystem viel Potential hat. Manches ist allerdings noch zu entwickeln. Manchmal habe ich den Eindruck, dass gerade in München eine gewisse Etabliertheit und Saturiertheit zu beobachten ist. Die Wirtschaft läuft so gut. Es scheint alles so erfolgreich zu sein, dass die Gefahr besteht, dass man nicht rechtzeitig die Verschiebungen und den Wechsel in den Trends erkennt. Ich würde mir auch noch eine sehr viel stärkere Verknüpfung und Interaktion zwischen den unterschiedlichen Akteuren wünschen. Gerade die Digitalisierung zeichnet sich dadurch aus, dass sie Domänengrenzen überwindet. Und, wie bereits anfangs bemerkt, die Softwareorientierung muss noch sehr viel stärker an Durchschlagskraft gewinnen.

Vielen Dank für das Gespräch!