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Insurtech-Studie erwartet Kapitalmangel

Eine aktuelle Studie untersucht die boomende Insurtech-Szene und warnt vor einem drohenden Finanzierungsengpass.

Während das „InsurTech-Radar Deutschland“ der Unternehmensberatung Oliver Wyman und von Policen Direkt 2016 noch gut 50 aktive Insurtech-Startups in Deutschland zählte, sind es 2017 bereits 110.  Dietmar Kottmann von Oliver Wyman fasst die weiteren Ergebnisse zusammen:

„War die Insurtech-Szene 2016 noch stark vertrieblich geprägt, so begann 2017 ein Umdenken. Spannende neue Insurtechs mit neuen Versicherungsangeboten oder Innovationen im Versicherungsbetrieb kamen hinzu, der Mix wurde ausgewogener.“

Zwar führen vertriebliche Modelle mit 40% (2016: 63%) noch immer das Ranking der Insurtech-Startups an, doch wird Technologiekompetenz bei Jungunternehmen, die sich auf den Betrieb (38%, 2016: 21%) und das Angebot (22%, 2016: 16%) von Versicherungen konzentrieren, wichtiger. Dabei nahm auch die Bedeutung von Versicherungsfachwissen zu, sagt Nikolai Dördrechter, Geschäftsführer der Policen Direkt-Gruppe:

„Als Bedingung dafür müssen sich allerdings Gründerteams zusammenfinden, die Zweierlei mitbringen: tiefes Versicherungswissen wie auch Technologie-Know-how. Eine einzelne Person wird beide Kompetenzen selten in sich vereinen können.“

Insurtech-Startups fehlt Wachstumskapital

Im Rahmen einer weiteren Umfrage unter 36 deutschen Insurtechs ermittelten die Studienautoren Probleme, mit denen Versicherungsstartups konfrontiert sind:

„Es fehlt an Kapital speziell im Bereich hoher Anschlussfinanzierungen“,

sagt Dördrechter.

„Das Potenzial der aktuellen Investorenlandschaft genügt nicht. Auch von staatlicher Seite gibt es verglichen mit anderen Ländern derzeit noch zu wenig Unterstützung.“

Rund 70 Prozent der Gründer halten die staatliche Förderung in Deutschland für nicht ausreichend und 94 Prozent erwarten auch keine Besserung. Bei Seed-Finanzierungen sieht die Lage dagegen besser aus: Bei einem Kapitalbedarf von weniger als 250.000 Euro sieht nur jeder vierte Befragte Probleme. Finanzierungsrunden, in denen es um zwei Millionen Euro oder mehr geht, werden dagegen von zwei Dritteln als schwierig oder sehr schwierig angesehen.

„Damit fehlt Geld für die Wachstumsphase. Marktdurchdringung oder internationale Expansion werden erschwert“,

sagt Dördrechter. Nur ein Drittel der Gründer rechnet mit einer Entspannung in der Finanzierungsfrage in den kommenden 12 Monaten.

Rückversicherer sind als Investoren gefragt

Die größten Hoffnungen setzen die Befragten in Venture-Capital-Programme der traditionellen Versicherer aus dem Inland (71%) und dem Ausland (82%). Interessant ist hier ein weiteres Ergebnis: Drei Viertel der Befragten zeigen sich gegenüber einem finanziellen Einstieg von Primärversicherern im eigenen Insurtech skeptisch. Kottmann sagt:

„Unter den Skeptikern lehnen 28 Prozent eine solche Beteiligung sogar kategorisch ab. Man fürchtet um Kundenbeziehungen, einen Verlust von Freiheit und Agilität und unterstellt zudem eine negative Auswirkung auf Folgefinanzierungen.“

Anders die Einstellung der befragten Gründer gegenüber Rückversicherern: 44 Prozent bewerten ein finanzielles Engegament eines Rückversicherers als positiv, weitere 22 Prozent sogar als optimal. Oliver Wyman-Partner Kottmann sagt:

„In Beteiligungsfragen öffnet sich eine Schere: Einerseits stehen immer mehr Finanzierungsvehikel von Primärversicherern bereit. Andererseits wächst das Unwohlsein der Insurtechs, von eben diesem Kapital Gebrauch zu machen. Diese Diskrepanz zwischen Wollen und Zurückweisung wird langfristig zu Enttäuschungen führen.“