Wenn Begeisterung und Abwechslung zusammentreffen – Ein Interview mit Dr. Therese Tönnies von Qolware

Die promovierte Neuropsychologin Dr. Therese Tönnies war einige Zeit bei einem Konzern als Mensch-Maschine-Expertin im Bereich Healthcare tätig. 2016 jedoch gründete sie zusammen mit Partnern die Qolware GmbH, um durch Wearable-Technologien wie Smartwatches die Erkennung von Notfällen und Gesundheitsveränderungen bei chronisch Erkrankten und Senioren zu ermöglichen. Die gebürtige Französin spricht im Interview über Talente, Irrtümer, sowie die Vor- und Nachteile eines Gründerlebens.

Was hat Dich zur Gründung motiviert?

Der Entschluss, etwas Eigenes zu starten, kam letztendlich durch das Zusammentreffen von zwei Faktoren zustande: Einerseits die Begeisterung an der Thematik – ich fand und finde es unglaublich spannend, welche unausgeschöpften Potentiale die rasanten technologischen Entwicklungen der letzten sechs bis acht Jahre bieten. Andererseits habe ich schon immer eine Vorliebe für die Selbstständigkeit gehabt: Mir taugt ein sehr abwechslungsreicher Alltag. Und dort, wo andere vielleicht zu wenig Absicherung sehen, liegt für mich vor allem die Möglichkeit selber zu steuern und mich kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Über Unsicherheiten reden

Hattest Du Vorbilder beim Gründen?

So richtige Vorbilder habe ich nicht. Ich mache das alles ja nicht um so wie eine bestimmte andere Person zu sein, sondern um aus mir selber immer wieder das Beste herauszuholen. Allerdings suche ich immer Gespräche mit und Ratschläge von Menschen, die Erfahrungen oder einschlägige Expertise mit mir teilen können. Meiner Meinung nach ist es auch wichtig, in solchen Gesprächen offen über seine eigenen Schwächen oder momentane Unsicherheiten zu reden. Denn wer schon alles kann und gesehen hat, dem mag auch niemand etwas von sich mitgeben.

Wann und wo bekommst Du die besten Ideen?

Meist kommen mir Ideen zu innovativen Funktionen oder Services dann, wenn ich mich über ein paar Stunden viel zu sehr in ein Thema vertieft habe und mein Kopf anfängt, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Da kommt dann teilweise auch etwas Sinnvolles bei raus 😉

Als Nichttechniker wahre Potentiale erkennen

Dein größtes Talent?

Meine größte Stärke besteht darin, dass ich als Nichttechniker ein sehr gutes Verständnis für Technologien habe und sehr gut einschätzen kann, welche Potentiale sie zur tatsächlichen Unterstützung von bestimmten Personengruppen bergen. Und das sind nicht selten Verwendungen, welche initial so nicht vorgesehen oder angedacht waren.

Oft bedeutet es jedoch auch, dass bei mir nicht zwangsweise die neusten Trends ganz oben stehen, da diese teilweise sehr innovativ und technisch spannend sind, jedoch vollkommen an den Bedürfnissen der Zielgruppe vorbeientwickelt wurden. Technologische Errungenschaften sind nur so gut, wie sie für bestimmte Nutzer einen tatsächlichen Mehrwert bieten.

 Der größte Irrtum, dem Du je unterlegen bist?

Obwohl ich weiß, dass das Arbeiten in einem Startup nicht für Jedermann funktioniert, war ich in einem Fall definitiv nicht konsequent genug. Mittlerweile prüfe ich frühzeitig, ob Mitarbeiter für die Arbeit in unserem Startup geeignet sind, oder ein geregelter Alltag mit weniger Eigenverantwortung für sie wichtiger ist. Letztendlich habe ich daraus gelernt, frühzeitig solche Zeichen zu erkennen und auch deutlich konsequenter Entscheidungen zu treffen, die das Unternehmen weiterbringen.

Effizientes Networking

Deine Geheimwaffe beim Networking?

Wenn ich auf einer Veranstaltung mit bestimmten Personen reden möchte, erkläre ich immer, warum ich auf sie zukomme und warum ich denke, dass eine Unterhaltung für beide Seiten interessant ist. So ist sehr schnell klar, ob ich mit der richtigen Person rede oder nicht.

Die drei übelsten Vorurteile, die Dir im Gründeralltag begegnen?

Dazu fällt mir spontan nicht wirklich viel ein.

Was ein Doktortitel bewirken kann

War es für Dich von Vorteil oder von Nachteil, eine Gründerin zu sein?

Ein wiederkehrendes Thema muss ich vorab anmerken 🙂 Grundsätzlich unterscheiden sich Gründer und Gründerinnen nicht wirklich. Beide sind der Spezies der kreativen, risikoaffineren und Etwas-Selbst-Probierenden zuzuordnen und das wird in der Startup-Community auch weitgehend gelebt.

Ich selber habe einige Jahre in der Industrie verbracht. Hier war in bestimmten Situationen schon merkbar, dass ich als Frau, noch dazu sehr jung, nicht immer von vornerein als „voll“ genommen wurde. Da musste ich mich wahrscheinlich ein klein bisschen mehr beweisen als es bei vergleichbaren jungen Männern der Fall gewesen wäre. Interessanterweise hat in dieser Hinsicht das Tragen des Doktortitels einen ziemlichen Unterschied gemacht, was ich auch irgendwie traurig finde.

Was ich bei männlichen Gründern bemerkt habe, ist, dass sie insgesamt selbstbewusster und unbeeindruckter auftreten als Gründerinnen. Bei einer Unternehmung, welche per se unsicher und in vieler Hinsicht unvorhersehbar ist, gehört das zu einer Einstellung, die ich mir in den letzten Jahren auch bewusst antrainiert habe. Das empfehle ich — ganz gleichberechtigt — jedem Gründer und jeder Gründerin!

 Was liegt auf Deinem Schreibtisch gerade ganz oben?

Da ich gerade im Zug nach Frankfurt sitze stehen auf meinem temporären Schreibtisch derzeit nur mein Laptop, mein Telefon und natürlich ein großer Becher Kaffee!

Wohin geht’s als nächstes in den Urlaub?

Urlaub plane und nehme ich eigentlich fast nur spontan. Als Gründer muss man sich in den ersten Phasen natürlich sehr stark nach dem richten, was gerade ansteht, und den Betrieb für zwei-drei Wochen pausieren geht einfach nicht. Andersherum haben wir natürlich die Freiheit, auch mal unter der Woche und spontan ein paar Tage Auszeit zu nehmen, wenn gerade nichts Dringendes zu erledigen ist. Entsprechend war ich in letzter Zeit oft für ein paar Tage irgendwo in Europa unterwegs und werde wahrscheinlich in den nächsten Wochen noch nach Kroatien fahren – zusammen mit meinen beiden Mitgründern, von denen einer ursprünglich dorther kommt.

Was wolltest Du den Münchnern schon immer mal sagen?

München ist super, sowohl zum Arbeiten als zum Leben. Ganz besonders liebe ich jedoch die zentrale Lage, mit der man von nirgendwo sehr weit weg ist. Nutzt das aus!