© Social-Bee

„Anstoßen. Neu denken. Machen. Nichts ist unmöglich.“ — Interview mit Zarah Bruhn von Social-Bee

Ein Thema finden, für das man brennt — und dann einfach machen. Mit dieser Einstellung gründete Zarah Bruhn zusammen mit Maximilian Felsner 2016 das Startup Social-Bee. Und damit die erste soziale Zeitarbeitsfirma, die Geflüchtete aktiv in Arbeitsmarkt und Gesellschaft integriert.  Kein leichtes, aber ein wichtiges Thema.  Wir wollten von der Gründerin wissen, was sie antreibt, welchen Vorurteilen  sie  beim Gründen aber auch bei ihrer täglichen Arbeit begegnet und was sie glücklich macht. 

Was hat Dich zur Gründung motiviert?

Neben dem Studium habe ich im Cleantech Venture Capital gearbeitet. Hier habe ich viele Gründer kennengelernt und mich begeisterte, wie sie mit wirtschaftlichen Ideen und grünen Technologien nachhaltig Impact schaffen wollten. Darauf hatte ich auch Lust. Der Zünder war dann, dass ich mich in Schweden mit einer Studentin anfreundete, die selbst aus Syrien geflohen war. Das war Mitte 2015, als so viele Geflüchtete nach Europa kamen. Am Hauptbahnhof engagierte ich mich mit ihr für Geflüchtete und merkte schnell: das ist mein Thema. Meine Leidenschaft. Was vielleicht besonders ist: Die Entscheidung, dass ich ein Sozialunternehmen zur Integration von Geflüchteten gründen möchte kam lange vor der konkreten Idee. Die Willkommenskultur war groß — aber alle haben sich gefragt: was kommt dann? Ich wusste nur, dass ich ein Teil der langfristigen Lösung werden möchte. Der Rest war dann Analyse und Fleißarbeit — Geflüchtete verstehen lernen, Probleme identifizieren, herunterbrechen in Teilprobleme und verschiedenen Ideen ausprobieren. Ich selbst hätte nie gedacht, dass ich einmal mit einem Non-Profit Zeitarbeitsmodell in Kombination mit einem Integrationsprogramm Geflüchtete integrieren werde. Dieser Lösungsansatz ist so speziell, der fällt einem nicht einfach beim Einschlafen ein. Daher auch mein Appell beim Gründen: findet ein Thema, für das ihr brennt und legt los. Warum auf eine Idee warten? Die erste Idee am Anfang ist nie die, die es am Ende wird.

„Eigene Ideen sind die besten Vorbilder“

Hattest Du Vorbilder beim Gründen?

Eigene Ideen sind die besten Vorbilder, auf die man hinarbeiten sollte. Dennoch gibt es einige Persönlichkeiten, die mich inspirieren. Einige Beispiele: Denzel Washington hält tolle Reden. Bill Gates ist Vollblut-Unternehmer mit einem großen Herz. Amal Clooney ist eine Powerfrau, die sich für Gerechtigkeit einsetzt. Und dann noch die tollen Sozialunternehmer, die ich kennenlerne. Wie Bart Weetjens, der Ratten trainiert, unbeschadet Landminen zu entschärfen und so ganze Landstriche in Afrika entmint hat.
Wann und wo bekommst Du die besten Ideen?

Wenn ich an die Zukunft denke. Mir vorstelle, was wir in den nächsten Jahren noch erreichen könnten. Mir die wilden Träume anderer Gründer oder motivierender Speaker anhöre. Und mir dann überlege, wie wir dahin kommen können. Meistens auch zusammen mit Teammitgliedern oder Freunden, die ihre Ideen beisteuern, bei einem gemütlichen Bier.

Dein größtes Talent?

Anstoßen, Anstoßen, Anstoßen. Neu denken. Machen. Nichts ist unmöglich. Ich selbst würde mich als 30/70 Mensch bezeichnen. Ich stampfe meist immer die ersten 30 % aus dem Boden, die besonders weh tun und viel Energie erfordern und bringe den Ball ins Rollen. Hierbei hilft es mir, dass ich eine gute Mischung aus wilden Träumen und wirtschaftlicher Pragmatik mitbringe.

Der größte Irrtum, dem Du je unterlegen bist?

Mein Motto ist: „No regrets“. Fehler passieren. Man lernt daraus und schöpft neue Kraft. Sicherlich habe ich einige große Fehler gemacht, aber es gibt keine Entscheidung, der ich längerfristig hinterhertrauere. Ob etwas funktioniert sieht man meist erst, wenn man es ausprobiert. Wir haben viele Ideen bei Social-Bee. Einige gehen gut, einige schief. Das muss man abkönnen. Es würde mich kaputt machen, wenn ich beginnen würde jede Entscheidung und am Ende mich selbst in Frage zu stellen. Ich versuche möglichst die schlechten Gefühle, die einen ausbremsen, auszublenden und mich auf die positiven Erfolge zu konzentrieren.

Deine Geheimwaffe beim Networking?

Einfach natürlich bleiben. Es kommt nicht darauf an, was man sagt. Hauptsache man sagt etwas. Ein nettes Lächeln und ein starkes, selbstbewusstes Auftreten helfen. Nicht klein machen, aber sich selbst nicht so wichtig nehmen und zuhören. Die meisten Menschen freuen sich, wenn man sich für sie interessiert!

„Anpacken. Probieren. Sofort.“

Erscheint es Dir gerade als eine gute Zeit, um zu gründen? 

Es gibt nie die perfekte Zeit. Ich finde, man sollte sich von dieser passiven Lebenshaltung befreien. Nicht auf die richtige Zeit, die richtige Idee oder den richtigen Partner warten. Andere beneiden, sich vergleichen. Jammern, dass jemand anderes schneller war. Viele haben Ideen, sagen „das hätte ich auch gekonnt“. Aber den Punkt, den die meisten nicht erreichen ist die Umsetzung. Ich sage dazu nur: Anpacken. Probieren. Sofort.

Die drei übelsten Vorurteile, die Dir im Gründeralltag begegnet sind?

  •  „Gründen kann man gut in Teilzeit“ — das geht meines Erachtens nur mit Ideen, bei denen man alleine ist oder in den ersten Anfangsmonaten, beim ersten Ausprobieren. Wenn man dann aber eine Company aufbauen will, andere Gründer mit an Bord nimmt, große Träume hat — dann will und muss man alle Energie & Leidenschaft hineinstecken, die man hat. Wenn du dazu nicht bereit bist, dann lass es lieber gleich.
  • „Mit sozialen Themen kann man kein Business aufziehen“ — ein Non-Profit Unternehmen kann genauso agieren wie ein klassisches Startup. Nur, dass die Motivation anders ist. Geld verdienen ist nur Mittel zur Selbsterhaltung, zur Unabhängigkeit. Der Impact steht an vorderster Stelle.
  • Und dann natürlich die ganzen Vorurteile gegenüber Menschen mit Fluchthintergrund. Alltagsrassismus gehört leider zu unserem täglichen Brot.

Was liegt auf Deinem Schreibtisch gerade ganz oben?

Mein TEDx-Talk nächste Woche — ich vertrete Deutschland auf einer internationalen TED-Talk Konferenz über das Thema Migration und Flucht. Hierfür werde ich gerade professionell trainiert — eine neue und spannende Herausforderung.

„Es kommt selbst darauf an, was man daraus macht“

Was macht Dich glücklich?

Jedes Mal, wenn wir eine/n neue/n Geflüchtete/n einstellen, oder wenn jemand bei unseren Partnerunternehmen übernommen wird. Es ist ein tolles Gefühl zu wissen, wie wir damit das Leben der Geflüchteten und deren Familien verändern. Es gibt für mich nichts Besseres als zu sehen, wie unser Team die Welt ein Stück weit in die richtige Richtung bewegt. Mein Motto: „Love what you do“ — und das tue ich.
Ansonsten macht mich gutes Essen, Surfen an der Eisbachwelle und meine tolle Familie glücklich.

War es für Dich von Vorteil oder von Nachteil, eine GründerIN zu sein?

Im Großen und Ganzen ein Vorteil. Ein selbstbewusstes Auftreten, eine starke Business-Orientierung und den Mumm, seine Ideen durchzuziehen sind wichtige Voraussetzungen um wirklich ernst genommen zu werden. Viele Frauen mit tollen Ideen — gerade im sozialen Bereich — tun sich hier noch schwer. Dennoch bin ich auch hier der Meinung: es kommt selbst darauf an, was man daraus macht. Coachings sind eine tolle Möglichkeit sich weiterzuentwickeln (doch genau hier fehlt es an guten Programmen und Strukturen). Man muss schon etwas lauter und wilder sein, um nicht strukturell unterschätzt zu werden. Wenn man das aber ist oder lernt und so die Menschen — entgegen ihrer Erwartungen — überrascht, kann man als Frau umso mehr begeistern.