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„Digital Health: München bietet ein unschlagbares Ökosystem“ – Ein Interview mit Dr. Jochen Hurlebaus

Wer als Startup in München im Bereich Digital Health unterwegs ist, kommt an einer Person wohl nicht vorbei: Dr. Jochen Hurlebaus. Er ist Projektleiter und Head of Innovation & IP Management bei Roche Diagnostics. Gleichzeit ist er auch derjenige, der  gemeinsam mit den Kooperationspartnern Werk1 und Plug and Play den Digital Health Accelerator Anfang 2018 ins Leben gerufen hat. Ein Interview.

Jochen, wie stark ist aus Deiner Sicht das Münchner Ökosystem im Bereich Digital Health? Was ist die Besonderheit der hiesigen eHealth-Szene?

Generell wird München immer noch zu oft als Startup-Standort unterschätzt, obwohl wir seit Jahren eine sehr agile Startup-Szene haben. Weil sie sich stärker im B2B-Bereich bewegt, steht sie zwar nicht so stark im öffentlichen Fokus wie die Berliner Startup-Szene — aber dafür sind die Lösungen oft sehr fundiert und einzigartig.

„Digital Health: München bietet ein unschlagbares Ökosystem“

Im Bereich Digital Health bietet München aus meiner Sicht ein unschlagbares Ökosystem für Startups: Hier haben viele der großen Technologiekonzerne wie Google und Microsoft sowie zahlreichen Pharma- und Diagnostikunternehmen ihren Sitz. Darüber hinaus gibt es mit der Technischen Universität München (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) zwei international renommierte Universitäten, die nicht nur in der Technologie- und Medizin-Forschung führend sind, sondern auch stark in Förderprogramme für Startups eingebunden sind.

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Bildquelle: Startup Creasphere

Auch die Accelerator-Szene ist rasant gewachsen: Neben dem Werk1, das mit uns Anfang des Jahres den ersten Digital Health Accelerator in München aufgebaut hat, ist inzwischen auch der weltgrößte Accelerator Plug and Play – unser Partner für den aktuell laufenden Batch One (läuft nun unter dem Namen  Startup Creasphere) – mit einem Münchner Office mit Schwerpunkt auf Digital Health präsent.

Nicht zuletzt rückt Digital Health auch immer stärker in den Fokus der Bayerischen Landespolitik. Das Bayerische Wirtschaftsministerium geht hier mit gutem Beispiel voran, um bessere Rahmenbedingungen für Startups in diesem Umfeld zu schaffen.

Welche Vorteile oder Nachteile haben Digital Health-Startups im Vergleich zu anderen Branchen?

Die starke Nachfrage nach Digital Health-Lösungen und der hohe Spezialisierungsgrad sind ein klarer Vorteil: Wer als Startup die richtige Idee und das medizinische bzw. technologische Know-how mitbringt, hat wenig Konkurrenz zu fürchten. Andererseits ist der Weg bis zur Marktreife langwieriger und kostenintensiver als in anderen Branchen; deshalb scheitern viele Startups mit guten Ideen an der fehlenden Erfahrung im Bereich regulatorischer Anforderungen oder bringen nicht den langen finanziellen Atem mit, der für die oft mehrjährige Zulassungsphase nötig ist.

Wie können attraktive Geschäftsmodelle für eHealth-Startups aussehen? 

Während in vielen anderen Märkten die Selbstzahler-Mentalität durchaus gegeben ist, gestalten sich solche Geschäftsmodelle im deutschen Gesundheitswesen eher schwierig. Daher versuchen immer mehr Startups, Kooperationen mit Kassen abzuschließen oder im Bereich betriebliche Gesundheitsversorgung Fuß zu fassen.

Entscheidend ist, dass mit der entwickelten Lösung ein gesundheitsökonomischer Vorteil entsteht, das heißt die Verbesserung für den Patienten im Verhältnis zu den Kosten ausbalanciert ist. Hat man die Krankenkasse von Beginn an mit an Bord, kann man gemeinsam festlegen, welche Daten erhoben werden müssen, um den gesundheitsökonomischen Vorteil nachzuweisen.

Geschäftsmodelle mit großem Zukunftspotential

Was sind die Herausforderungen der deutschen Gesundheitsbranche in Deutschland und wie bringen Startups hier einen Wandel?

Die Digitalisierung bedeutet einen der größten Umbrüche, den die Gesundheitsindustrie je erlebt hat. Um erfolgreich die Weichen für die Gesundheitsversorgung von morgen zu stellen, ist es wichtig, dass verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Stärken zusammenarbeiten. Während die etablierten Unternehmen viel Know-how zum Beispiel im Bereich regulatorische Anforderungen mitbringen, das den Startups fehlt, bringen diese wiederum die Dynamik und neue Ideen ein, die für die Entwicklung digitaler Lösungen nötig sind.

Viele Startups zeichnen sich außerdem dadurch aus, dass sie für das Testen neuer Lösungen und Geschäftsmodelle direkt auf Patienten, Ärzte und weitere Akteure im Gesundheitswesen zugehen. So identifizieren sie neue Nischen, in denen Geschäftsmodelle mit großem Zukunftspotential reifen können. Ein solches Vorgehen ist für einen großen Konzern oft nicht ohne weiteres möglich. Durch die Zusammenarbeit lassen sich gemeinsam innerhalb kurzer Zeit vielversprechende Ideen und Technologien weiterentwickeln.

Aus unserer Sicht ist deshalb die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und digitalen Startups ein wichtiger Baustein, um erfolgreich die Weichen für die Gesundheitsversorgung von morgen zu stellen und so die personalisierte Versorgung von Patienten weltweit voranzutreiben.

„Dynamik der Startups hat für wertvolle neue Impulse gesorgt“

Und wie unterstützen Player wie Roche und der Digital Health Accelerator die Branche?

Hier gibt es ganz unterschiedliche Ansätze. Als Initiator und Hauptsponsor des Digital Health Accelerator in München war es uns von Anfang an wichtig, nicht nur finanzielle Unterstützung, Sachleistungen und eine Infrastruktur bereit zu stellen.

Für uns stand vor allem der direkte Austausch mit den Startups im Fokus und wir haben das Thema „Co-Creation“ großgeschrieben. Jedes Startup hat mit einem Business Owner von Roche an einem Pilotprojekt gearbeitet (Anm. d. Redaktion:  In Batch Zero war beispielsweise  Inveox dabei, im aktuellen Batch nimmt unter anderem cosinuss teil). In der konkreten Projektarbeit konnten wir am besten unser Know-how zu Themen wie Market Access, Design, Produktion und Validierung von mobilen Geräten vermitteln. Wie der deutsche Diagnostikmarkt funktioniert, haben die Roche-Mentoren den Startups zudem ganz praxisnah anhand gemeinsamer Kundenbesuche vermittelt.

Diese Art von Mentorenprogramm hat sich aus unserer Sicht für beide Seiten bewährt: Die Startups konnten so ihre Projekte weiterentwickeln, sich Business-Know-how aneignen und neue Kontakte in der Branche knüpfen. Wir bei Roche fanden den Perspektivenwechsel sehr spannend, und die Dynamik der Startups hat bei uns für wertvolle neue Impulse gesorgt.

Wie geht es weiter mit dem Startup Creasphere, dem Health Accelerator?

Aktuell läuft der Batch One mit sieben internationalen und nationalen Startups, die sich beim Selection Day Mitte September mit ihren Pitches durchsetzen konnten. Wie im Batch Zero setzen wir wieder auf einen intensiven Austausch zwischen Startups und Mentoren bzw. Co-Creation: Jeweils in zwölf Wochen-Programmen bekommen die Startups nicht nur hilfreiche Markteinblicke und Know-how vermittelt, sondern arbeiten konkret mit Business Ownern von Roche an ihren Digital Health Projekten und Geschäftsmodellen.

Der Selection Day für Batch One des Startup Creashpere Health Accelerators (Bildquelle: Startup Creasphere)

Ziel ist es, dass wir zukünftig zwei Batches pro Jahr durchführen. Roche ist mit Plug and Play dafür eine mehrjährige Partnerschaft eingegangen.  Wir sind dabei offen für weitere Partner und hoffen, schon bald etwas dazu sagen zu können.

Vielen Dank Dir,   Jochen Hurlebaus, für das Interview!