© Kitekraft

Kitekraft: Fliegende Windkraftanlagen

Saubere und günstige Energie mit fliegenden Windkraftanlagen gewinnen – das hat sich das Münchner Startup Kitekraft vorgenommen. Wie genau die Windturbinen funktionieren und welchen Herausforderungen sich das Startup bereits stellen musste, das beantwortet uns Kitekraft im Interview.

Munich Startup: Wer seid Ihr und was macht Ihr? Stellt Euch und Euer Produkt bitte kurz vor!

Kitekraft: Wir bauen fliegende Windkraftanlagen. Eine solche Anlage besteht aus einem angeleinten Elektroflugzeug, auch Drachen oder Kite genannt. Der Kite hat Onbord-(„fliegende“)-Windturbinen. Der Kite fliegt in liegenden Achten, um aus dem Wind elektrische Energie zu gewinnen. Der Kite ist damit ähnlich einer Flügelspitze einer herkömmlichen Windkraftanlagen, die den effektivsten Teil darstellt, da sie die größte Fläche umstreift. Unsere Kitekraft-Anlagen benötigen allerdings nicht Hunderte von Tonnen Beton und Stahl für einen Turm und ein Fundament, sondern lediglich ein dünnes elektro-mechanisches Seil und Software-Algorithmen. In diesem Sinne „digitalisieren“ wir die Energieerzeugung selbst: Der Kite ist praktisch ein Computer mit Flügeln. Logistik, Aufstellung und Inspektionen sind viel einfacher und günstiger als bei herkömmlichen Windkraftanlagen, auch an schwer erreichbaren Orten mit wenig Infrastruktur. Der Kite kann problemlos größere Höhen mit stärkeren Winden erreichen. Kosteneinsparungen von über 50 Prozent im Vergleich zu anderen Energiequellen sind möglich. Ein weiterer Vorteil dieser „Digitalisierung von Beton und Stahl“ ist, dass eine Kitekraft-Anlage kaum sichtbar ist, also kein Turm und keine riesigen Flügel notwendig sind.

2019 haben wir – André Frirdich (28), Christoph Drexler (29), Florian Bauer (31) und Max Isensee (31) – Kitekraft gegründet. Seit 2013 forscht Florian zunächst als Masterand, dann als Doktorand am Lehrstuhl für Elektrische Antriebssysteme und Leistungselektronik der Technischen Universität München (TUM) zum Thema Flugwindkraft. Er ist Elektroingenieur und für die Elektronik und Software-Algorithmen bei Kitekraft zuständig. André und Christoph haben ebenfalls die Masterarbeit zu dem Thema geschrieben. Beide sind Maschinenbau-Ingenieure, André mit Fokussierung auf Aerodynamik. André und Christoph sind entsprechend für die mechanischen und aerodynamischen Komponenten der Kitekraft-Anlagen-Entwicklung zuständig. Max ist Umweltingenieur, hat selbst in der Gründerszene bereits gearbeitet und eine Klimaschutzorganisation mitgegründet. Bei Kitekraft sorgt er für das Business-Development.

Nicht neu: das Prinzip der „Crosswind Kite Power“

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

Kitekraft: Das Prinzip „Crosswind Kite Power“ wurde in der Tat bereits 1980 in einem Paper von Miles Loyd erklärt. Seit den 2000er Jahren gibt es auch vermehrt Startups und Forschergruppen. Florian war beziehungsweise ist als Forscher Teil dieser Community und konnte sich in alle Konzepte vertiefen und diese vergleichend betrachten. Sein Ziel war es herauszufinden, ob Flugwindkraft wirklich das Zeug dazu hat, signifikant bei der erneuerbaren Energieerzeugung beizutragen, und wenn ja wie eine solche Flugwindkraftanlage aussehen muss.

Genau das hat er in seiner Doktorarbeit beantwortet. Das Ergebnis setzen wir gerade um: Kitekraft ist die einzige Lösung, die in kleinem Maßstab (ab ca. 10kW) bis hin zu sehr großem Maßstab (10MW) technisch und wirtschaftlich umsetzbar ist. Wir nutzen diesen Vorteil, indem die Technologie schnell mit Einnahmen sowie Kunden- und Technologievalidierung vermarktet und anschließend auch skaliert wird.

Munich Startup: Was war Eure bisher größte Herausforderung?

Kitekraft: Die größte Herausforderung ist es, eine robust und effizient funktionierende Kombination aus Kite-Konstruktion, Sensoren, Aktuatoren und Software-Algorithmen zu finden. Eine Kitekraft-Anlage ist ein komplexes System, hat man aber einmal die Lösung gefunden – daran arbeiten wir vier Ingenieure, die Kitekraft gegründet haben –, ist es leicht, in großen Mengen zu produzieren und hoch zu skalieren.

Munich Startup: Butter bei die Fische: Wie läuft das Geschäft?

Kitekraft: Wir sind noch in der Entwicklung und Erprobung unseres 1:2-skalierten Demonstrators. Die relativ kleinen Abmessungen erlauben schnelle und günstige Tests und Iterationen. Schon bald werden wir aber die Spannweite verdoppeln, wodurch wir mehr als die vierfache Leistung bekommen werden. Durch nichtlineare Effekte, unter anderem bei der Aerodynamik, ist es sehr lukrativ, den Kite hoch zu skalieren.

Erste Pilotanlagen für 2021 geplant

Diese 20 kW Kitekraft-Anlage ist dann das Markteinstiegsprodukt, sozusagen unser „Tesla Roadster“. Schon für nächstes Jahr (2021) planen wir Pilotanlagen um München. Eine solche 20 kW Kitekraft-Anlage ist für Microgrids konzipiert, die derzeit praktisch keine Windkraft nutzbar machen können, auch wenn der Wind stark weht, da die Logistik oder Sichtbarkeit einer herkömmlichen Windkraftanlage keine wirtschaftlich darstellbare Lösung ist.

Hier haben wir bereits mehrere Letters of Intent von Microgrid-Entwicklern mit einem Verkaufsvolumen im zweistelligen Millionenbereich. Wir müssen also praktisch nur die Entwicklung abschließen und können direkt verkaufen. Solche Anlagen werden auch für Landwirte, Unternehmen im Ländlichen, oder auch Privatleute mit entsprechenden Flächen verfügbar sein. Schrittweise werden wir dann zu 100kW, 500kW und in den Megawatt-Bereich bis hin zu 10MW-kiteKRAFT-Anlagen für die Netzeinspeisung und Offshore-Windparks entwickeln.

Munich Startup: Was bedeutet München für Euch?

Kitekraft: Die Technische Universität München (TUM) und die Gründerszene rund um UnternehmerTUM und Programmen wie Xpreneurs und Climate KIC sind hervorragend. Im Moment können wir durch des EXIST Gründerstipendium die TUM-Infrastruktur, also Büros, Werkstätten, IT verwenden. Das spart nicht nur Kosten, sondern auch viel Zeit. Von daher ist dieser Standort wirklich ideal. Ohne diese Vorteile, wären wir vermutlich noch nicht soweit wie wir es jetzt sind.

Munich Startup: Wie wird Euer Startup zum nächsten Unicorn? Oder sehen wir uns bald auf der Epic Fail Night?

Kitekraft: Wir werden die Kitekraft-Anlagen im kleinen Kilowatt-Bereich in schnellen Schritten in den Megawatt-Bereich hoch skalieren. Die größten Kitekraft-Anlagen werden mindestens so groß sein wie die größten herkömmlichen Windkraftanlagen.

Ein Unicorn ist ein Startup, welches einen Unternehmenswert von eine Milliarde Euro hat. Das bedeutet einen Jahresumsatz von ungefähr 100 Millionen Euro. Dies würden wir bereits mit dem Verkauf von nur 20 Anlagen pro Jahr in der 10 MW-Größenklasse erreichen, wenn man einen Preis von 0,50 EUR/W ansetzt (das in etwa halb so teuer wie eine herkömmliche Windkraftanlage ist).

Nächste Finanzierungsrunde steht an

Dazu muss man wissen, dass in Deutschland und global betrachtet die Windkraft das Rückgrad einer Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen sein wird. Damit sind um Größenordnungen höhere Verkaufszahlen von der Marktseite möglich. Unsere Investoren sehen ebenfalls dieses Potential, allen voran der Y Combinator aus dem Silicon Valley, welcher schon einige Unicorns hervorgebracht hat. Schon bald werden Investoren wieder die Möglichkeit haben einzusteigen, denn wir planen gerade unsere nächste Finanzierungsrunde.

Munich Startup: Isar oder Englischer Garten?

Kitekraft: Nach langen Tagen und Nächten von Tests, Schrauben, Bohren, Programmieren… beides ist recht zum Regenerieren.

Regina Bruckschlögl

Nach eigenen Startup-Erfahrungen blickt sie als Redakteurin von Munich Startup nun aus einer anderen Perspektive auf die Münchner Startup-Szene – und entdeckt dabei jeden Tag, wie vielfältig das Münchner Ökosystem ist. Startup Stories, die erzählt werden wollen!

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