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Multiconnect: „Wir haben auf das Sparring mit Startups extrem Bock“

Der Mittelständler Multiconnect arbeitet gerne eng mit Startups zusammen und hilft ihnen mit seiner Expertise und Ressourcen bei der Entwicklung ihrer Lösungen weiter. Aus dem Programm „MUC-Up“ sind schon einige erfolgreiche Produkte und Lösungen hervorgegangen, wie Manfred Artmeier, CCO von Multiconnect, im Interview verrät. Zudem erklärt er, wonach sein Unternehmen in einem Startup sucht und was Startups von einer Partnerschaft mit Multiconnect erwarten können.

Munich Startup: Wer ist Multiconnect und was macht Ihr? Stellt Euch bitte kurz vor!

Manfred Artmeier, Multiconnect: Multiconnect ist ein Mittelständler aus dem IKT-Bereich. Auf der einen Seite sind wir ein Telekommunikationsdienstleister, also Carrier, so richtig solide und seit 20 Jahren langweilig gelistet bei der Bundesnetzagentur. Auf der anderen Seite sind wir auch ein Software-Hersteller. Das bedeutet, dass wir Telefonate mit unseren Software-Anwendungen schlauer machen. Wir gehören zu einer Technologiegruppe mit drei Standorten in München, Wien und Mailand. Wir als Multiconnect kümmern uns dabei um das B2B-Geschäft und erwirtschaften mit diesem rund 30 Millionen EUR Jahresumsatz.

Munich Startup: Wie genau arbeitet Ihr mit Startups zusammen? Seit wann macht Ihr das bereits?

Manfred Artmeier, Multiconnect: Wir arbeiten seit drei Jahren sehr intensiv mit Startups in drei Bereichen zusammen: Zum einen sind wir für viele Startups der Carrier für deren Anwendungen, vor allem wenn die Startups gleich von Beginn an auf Cloud-Telefonie setzen. Warum setzen die Startups da auf uns? Wir sind dynamisch, flexibel, haben eigene Startup-Commercials und bei uns ist alles auf APIs aufgebaut. Im Grunde kann man also mit uns Telefonie wunderbar in die eigene CRM-Landschaft oder in die Customer Service-Strategie einbinden. Dies natürlich unterstützt von unserem Solutions-Team. Wir helfen sozusagen mit, die Telefonie in die Kommunikationslösungen der Startups zu integrieren.

„Das Produktsparring ist für uns das Interessanteste“

Als Zweites gehen wir strategische Partnerschaften mit Startups ein. Banal gesagt heißt das, dass Gründer, die etwas in für uns spannenden Themenfeldern machen uns als Sparringspartner haben wollen – vor allem in den Bereichen Vertrieb, Marketing und Produktmanagement. Dieses Produktsparring ist für uns das Interessanteste, weil dort Neues am Entstehen ist. Megaspannend ist dies gerade im Bundle mit Basis-Produkten von uns. Mit diesen Partner-Startups gehen wir dann eine strategische Zusammenarbeit ein. Die sitzen dann auch oft hier bei uns im Office direkt in der City am Platzl.

Der dritte Punkt ist, dass wir tatsächlich auch selbst ein Startup-Mentalität bei vielen Geschäftsfeldern haben. Augenscheinlich ist das bei unserer Mobilfunk-Schwester Spusu, die nun mit einem kleinen, jungen und dynamischen Team in Mailand versucht den italienischen Mobilfunkmarkt mit disruptiven Ansätzen zu erobern, nachdem ihr das in Österreich schon sehr erfolgreich gelungen ist.

Munich Startup: Welche Startups hattet Ihr denn schon zu Gast in Eurem Office?

Manfred Artmeier, Multiconnect: Ein sehr gutes Beispiel ist CX Labs, die Anfang des Jahres von Robert Klein gegründet wurde. Dieses Startup hat es sich zur Aufgabe gemacht, B2B-Kommunikationslösungen auf deren Seite zu ‚shopifyen‘. Wir haben mittlerweile für fast alles Onlineshop-Systeme, nur im B2B-Bereich sind sie doch eher selten – und noch seltener sind sie, wenn es um Telekommunikationsleistungen geht. Wenn Du zu einem der großen Anbieter gehst, wird es schwer, Dir mit 5-10 Mausklicks eine Cloud-Telefonanlage mit Rufnummer, einer Video-Call-Anwendung, Chatfunktionalitäten, etc. zusammenzustellen. Dazu kommen dann noch so altertümliche Dinge wie Einrichtungsgebühren oder lächerlich hohe Tarifmodelle für die Telefonie. Da bietet CX Labs einen echten Mehrwert. Sie schaffen es, dass man die komplette Cloud Telefonie in zehn Minuten voll produktiv schalten kann. Das ist für uns als Carrier natürlich extrem spannend. Und nicht nur für uns, CX Labs hat mittlerweile auch selber wieder etliche Startups als Kunden. Wirklich schön zu sehen, wie die gerade wachsen.

Manfred Artmeier, CCO von Multiconnect

Die Zusammenarbeit zwischen Multiconnect und Startups

Wie arbeiten wir mit CX Labs zusammen? Zuerst, indem wir ihnen bei uns im Office die nötige und repräsentative Infrastruktur zur Verfügung stellen. Das Team bekommt hier bei uns Office-Räume. So können sie hier in unserem doch sehr repräsentativen Office mitten am Platzl auch ihre Investoren- und Kundenpitches machen. Auch sind wir ein bisschen das Regulativ, denn viele gute Ideen, die technisch umsetzbar wären, gehen im Telekommunikationsbereich leider rechtlich nicht. Da haben wir natürlich die nötigen Einblicke und Erfahrungen, um unseren Partner entsprechend begleiten zu können. Und das Dritte ist natürlich, dass wir gemeinsam Produkte entwickeln. So liegen hinter der Technologie von CX Labs große Teile unserer Basistechnologie aus dem Bereich Voice-over-IP. Damit sind wir nichts Anderes als deren telekommunikatives Backbone. Dass ein Startup einen Fortschritt, einen Innovationssprung macht, ein neues Produkt, und unsere Technologie da zugrunde liegt, ist für uns natürlich das Wunderschönste.

Munich Startup: Wie seid Ihr dazu gekommen, auf diese Weise mit Startups zusammenzuarbeiten?

Manfred Artmeier, Multiconnect: Ganz einfach: Wir haben kein klassisches eigenes Produktmanagement, das Produkt-Pipelines vorgibt. Deswegen interessiert es uns, was „draußen“ los ist. Denn wir wollen flexibel und agil Produkte nach Marktnachfrage priorisieren statt im Produktmanagement-Elfenbeinturm zu sitzen. Dafür brauchen wir aber das Sparring mit externen Playern – vor allem eben mit Startups. Dabei kann natürlich auch rauskommen, dass die Idee oder die Lösung unseres Sparring-Partners für uns überhaupt keinen Sinn macht. Ich hatte erst kürzlich einen längeren Call mit einem Startup aus dem Bereich Smart-City bei dem das der Fall war. Die haben uns darauf angesprochen, dass sie unsere Initiative kommunen-werden-digital.de gut fänden. Nach einer Stunde sind wir darauf gekommen, dass wir nicht zusammenkommen werden, weil die Anwendungsfelder schlicht zu unterschiedlich sind. Aber das macht nichts, denn nur so lernen wir.

Unterstützung bei den ersten Schritten der Marktbearbeitung

Munich Startup: Wie geht es denn mit den Startups weiter, nachdem sie bei euch waren?

Manfred Artmeier, Multiconnect: Das eine Thema, wo wir jedem unserer Startups wirklich gut helfen können, ist bei der Marktbearbeitung. Denn die Vermarktung einer Kommunikationslösung im B2B-Bereich ist gar nicht so trivial. Auch, weil es eben so viele große Player und etablierte Mittelständler gibt, die das schon Jahrzehnte machen. Da bekommen kleine, innovative Firmen oft wenig Luft zum Atmen. Was man also oft braucht, sind schnelle vertriebliche Erfolge, um sich ein Standing aufzubauen. Hier unterstützen wir Startups mit einer Vertriebspartnerschaft. Gerade bei unseren über 300 Bestandskunden für Startups die Türe aufzumachen, kann einige Dinge beschleunigen.

Die ersten Kunden, die zum Beispiel CX Labs über uns gewonnen hat, waren eigentümergeführte Mittelständler, die wir ihnen vorgestellt haben. Da ich da das Intro gemacht habe, haben sie auch den Termin beim Eigentümer bzw. Entscheider bekommen. Mit dem Effekt, dass der Sales Cycle nicht etwa neun Monate lang war, sondern eher neun Tage dauerte. Natürlich haben wir auch ein bisschen Netzwerk zu VCs und Business Angels. Da helfen wir auch gerne, aber der Fokus liegt sicher bei Vermarktung und Vertrieb.

Munich Startup: Für welche Art von Startups interessiert Ihr Euch besonders?

Manfred Artmeier, Multiconnect: Für alle Startups, die in einem dieser drei Bereichen aktiv sind. Das eine ist Customer-Relationship-Management und Customer-Service. Gerade das Thema Customer-Experience ist für uns sehr wichtig, und zwar ganz egal in welchem Kontakt-Channel. Wir würden uns zum Beispiel auch dafür interessieren, wenn eine KI-Firma zu uns kommt, die es schafft Channel-übergreifend Kundenanfragen zu automatisieren.

Für Multiconnect spannend sind Startups aus den Bereichen Customer Service, Voice Commerce und Telekommunikation

Das zweite Feld ist Voice-Commerce. Da kommen wir als Telefonie-Anbieter ja auch her. Da könnte eine Menge sehr spannend für uns sein. Sprachsteuerung ist einfach ein Mega-Thema.

Und der dritte Bereich, für den wir uns interessieren, ist das Feld Telekommunikation. Wenn sich hier jemand ran wagt und in diesem „old-school“-Feld einfach etwas Dynamisches und Cooles machen möchte, sind wir sehr interessiert. Wie es eben CX Labs geschafft hat, die Cloud-Telefonie bzw. Cloud-Unified-Commuications für Firmen komplett online bestell- und steuerbar machen.

Munich Startup: Scoutet Ihr selbst nach vielversprechenden Firmen?

Manfred Artmeier, Multiconnect: Nein, aktiv rausgehen macht für uns wenig Sinn, dafür haben wir als Mittelständler gar nicht die Ressourcen. Gut 80 Prozent der Startup-Kontakte kommen aus unserem persönlichen Umfeld oder unserem Partnernetzwerk. Wir sind zum Beispiel 3CX-Platinum-Partner, haben relativ viele Kontakte in CRM-Firmen wie Zendesk, Freshdesk und anderen, und aus diesem Umfeld ergeben sich dann oft entsprechende Kontakte zu talentierten Gründern. Dabei will ich nicht, dass Multiconnect zu sehr Taktgeber wird, denn wir wissen ja auch nicht alles besser, sondern wollen uns auf Augenhöhe austauschen und intensiv sparren.

Munich Startup: In welcher Phase gehen Startups idealerweise auf Euch zu?

Manfred Artmeier, Multiconnect: Wenn wir an Startups denken, dann denken wir an den Übergang von der Seed- in die Startup-Phase. Also Early-Stage, dann macht nämlich diese Art der Partnerschaft auch Sinn für beide Seiten.

Munich Startup: Auf wen gehen Startups zu, wenn sie mit Euch ins Gespräch kommen wollen?

Manfred Artmeier, Multiconnect: Gut erreicht man uns eigentlich immer telefonisch. Wir haben hierfür inzwischen auch eine extra Nummer aufgesetzt, die +49 89 44288 666. Zudem haben wir unter eine Themenseite, die sich mit unserem Startup-Programm MUC-Up beschäftigt. Dort kann man sich übrigens auch für unseren Stammtisch anmelden – das Augustiner Bier geht auf uns. Es lohnt sich also sicher dort hinzukommen!

„Wir setzen auf Macher-Mentalität““

Munich Startup: Nenne uns das k.o.-Kriterium beim Pitch!

Manfred Artmeier, Multiconnect: Wir haben extrem Bock drauf, uns mit den Startups zu sparren, aber wir müssen eine Macher-Mentalität erkennen. Nichts gegen Träumer, ganz im Gegenteil, aber für bloße Meta-Strategie-Debatten fehlt uns die Zeit. Ich will deswegen ganz konkret wissen, mit was löst Ihr welches und wessen Problem und was ist der Outcome für den Kunden. Aber keine Angst, es geht uns dabei nicht um die Prüfung eines Businessplans. Wir wollen schlichtweg wissen, ist der Pitch auch konkret genug, damit wir helfen wollen und können. Und ja klar, das Startups sollte aus den drei Verticals kommen, die ich erwähnt habe, also aus Customer-Service, Voice-Commerce oder irgendwas mit Telekommunikation machen – da kennen wir uns eben am besten aus und können gezielt helfen.

Zudem sollten sie mindesten zwei von drei unserer Hilfestellungen echt brauchen, also entweder bei Vertrieb und Marketing, dem erwähnten „Downtown-Office-as-a-Service“ oder eben unsere Carrier-Leistungen. Und was mir auch noch wichtig ist: Sie sollen bei uns völlig ihr eigenes Ding machen. Wir sind nicht Aufpasser oder Antreiber, sondern „Partner on Request“ – und das auf Augenhöhe. Übrigens, weil mir das auch ein Anliegen ist: wenn jemand sich nicht direkt als Startup-Partner bewerben will, aber vielleicht ein halber Tag Workshop zu einem bestimmten Thema von Interesse ist, das er oder sie bei oder über uns aufgeschnappt hat, gerne. Und wenn es nur auf einen Kaffee, ein Bier oder einen Fruchtsaft ist, uns kann man immer geradeaus ansprechen.

Es fehlt die Vernetzung von Startups und Mittelstand

Munich Startup: Was macht die Münchner Startup Szene aus Eurer Sicht richtig? Was könnte sie besser machen?

Manfred Artmeier, Multiconnect: Wenn ich mir die letzten Jahre anschaue, muss ich sagen, München ist ein funktionierendes Startup-Ökosystem. Woran es aus meiner Sicht aber hapert: Es fehlt die Vernetzung zum Mittelstand in der Stadt und im Umland – gerade im Bereich IT. Firmen wie wir waren vor zwei Jahrzehnten auch einmal so etwas wie Startups, auch wenn man das damals hierzulande noch anders genannt hat. Da hat sich zu vielen Themen viel Wissen gebildet von dem junge Unternehmer und Unternehmen sicher profitieren können.

Und ich weiß von Gesprächen mit Eigentümern und Geschäftsführern: Viele Mittelständler in der Größenordnung wie wir, also in der Range von 10 bis 100 Millionen Euro Jahresumsatz, wollen gerne mehr Austausch mit Startups. Man kommt da aber noch viel zu selten zum Austausch. Und das liegt an beiden Seiten: Mittelständler haben oft nur ihre Branchenmessen und Tagungen auf der Uhr und Startups haben eben ihre eigenen Events und Fachmessen. Gerade zu Corona-Zeiten wäre die Zeit für neue, virtuelle Formate. Das sollten wir meiner Meinung nach schleunigst angehen, denn ich kann diesen Austausch nur empfehlen.