Ekaterina Grib und Eirini Psallida, zwei der Gründerinnen von Kewazo
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Kewazo: „Wir brauchen mehr Vielfalt“

2018 wurde das Münchner Startup Kewazo gegründet. Die Informatikerin Eirini Psallida und die Wirtschaftswissenschaftlerin Ekaterina Grib gründeten zusammen mit den vier Mitgründern Alimzhan Rakhmatulin, Artem Kuchukov, Sebastian Weitzel und Leonidas Pozikidis das Robotik-Startup während ihres Masterstudiums. Im Jahr 2017 hatten sich die GründerInnen ein Exist-Stipendium gesichert und bis jetzt knapp 500 Tausend Euro an öffentlichen Fördermitteln erhalten. Außerdem konnte Kewazo 3,8 Millionen Euro in zwei Seed-Finanzierungsrunden einsammeln. Heute leitet Psallida die Softwareentwicklung des Bauroboter-Unternehmens, während Grib für die Finanzen und die Geschäftsentwicklung verantwortlich ist und das Gründungsteam im Vorstand vertritt. Wir haben mit beiden Gründerinnen ein Interview geführt.

Munich Startup: Wie kam es dazu, dass Ihr Kewazo in einem so großen Team gegründet habt? Welche Vorteile, welche Nachteile erlebt Ihr durch Euer großes, diverses Team?

Ekaterina Grib: Die Vision von Kewazo ist es, ein führendes Unternehmen im Bereich der Baurobotik zu werden. Die Entwicklung intelligenter Robotersysteme erfordert viel Wissen und Erfahrung aus vielen verschiedenen Bereichen. Um unsere Vision zu verwirklichen, brauchen wir daher ein starkes und vielfältiges Team, das Bauingenieurwesen, Baurobotik, Automatisierung, Software und betriebswirtschaftliche Kenntnisse vereint. Wir glauben fest daran, dass die Innovation und Kreativität durch ein multikulturelles und vielfältiges Umfeld gefördert werden.

Durch die Gründung Impact generieren

Munich Startup: Was hat Dich persönlich zur Gründung motiviert?

Eirini Psallida: Von Anfang an fühlten wir uns wie ein starkes, einzigartiges Team. Unsere großartige Beziehung war die Hauptmotivation für mich, dieses Projekt fortzusetzen, das nach dem ‚Think.Make.Start‘ (dem interdisziplinären Kurs der UnternehmerTUM) zu einem Unternehmen wurde. Wenn man eine Firma gründet, sind die wertvollsten Kräfte, die man hat, ein starkes Team, das einen unterstützt, sowie die eigene Leidenschaft und Begeisterung. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen.

Ekaterina Grib: Seit meiner ersten ernsthaften Beschäftigung wusste ich immer, dass ich mein eigenes Unternehmen haben wollte. Aber ich dachte eher an konventionelle Geschäfte und Startups waren nie auf meiner Agenda. In der TUM erlebte ich zum ersten Mal die inspirierenden Präsentationen der anderen Unternehmer, die gerade ihr Studium beendet hatten, aber bereits um einen Platz auf dem Markt für ihre Firmen kämpften. Ihre Geschichte und ihre Leidenschaft brachten mich auf die UnternehmerTUM, wo meine Gründerkarriere begann: Mein erstes Startup-Projekt scheiterte nach sechs Monaten. Aber unser zweites Projekt wurde erfolgreich. Meine größte Motivation bis heute ist der Impact: der Impact für unsere konservative Branche und die hart arbeitenden Nutzer, der Impact für das Kewazo-Team und der Impact für mich in Bezug auf persönliches Wachstum und Lernen.

Munich Startup: Hattest Du Vorbilder beim Gründen?

Eirini Psallida: Ich würde sagen, dass die Gründung eines Unternehmens in meinem Leben ein wenig unerwartet kam. Ich habe die richtigen Menschen zur richtigen Zeit getroffen. Daher hatte ich nicht wirklich Vorbilder. Aber jetzt, wo ich mehr in die unternehmerische Welt eintauche, würde ich versuchen, noch mehr von Gründern zu lernen, die ähnliche Werte teilen wie ich.

Ekaterina Grib: Ich hatte nie ein ganz klares Vorbild für die Gründung, wurde aber inspiriert von meinen Mitgründern, dem kreativen Umfeld der UnternehmerTUM und ihren interessanten Gründern, die ich bei Networking-Events und Vorträgen getroffen habe. Heute würde ich Demet Suzan Mutlu nennen – Gründerin und CEO von Trendyol. Sie hat ihr Modeimperium aus eigener Kraft aufgebaut. Ihre mentale Stärke und Entschlossenheit sind wirklich inspirierend.

Bei Herausforderungen: Sucht die Abkürzung!

Ekaterina Grib
Ekaterina Grib

Munich Startup: Wann und wo bekommst Du die besten Ideen?

Ekaterina Grib: Im Austausch mit meinen Mitgründern, aber auch durch Lernen von Experten, Büchern, Artikeln und anderen Unternehmern. Viele Herausforderungen, die wir heute durchlaufen, sind nicht einzigartig – jedes Startup hat ähnliche Phasen durchlaufen und ähnliche Probleme erlebt. Mein Tipp: man muss immer nach einer Abkürzung suchen. Beim Unternehmertum geht es darum, mit den wenigen, verfügbaren Zutaten ein köstliches Gericht zuzubereiten. Meistens ist es aber jedoch so, dass mindestens einer dieses Rezept schon einmal gekocht hat. Man muss nur von dieser Person lernen und seinen eigenen Weg finden.

Munich Startup: Dein größtes Talent?

Eirini Psallida: Ich denke, mein größtes Talent ist Anpassungsfähigkeit und die Fähigkeit, unter Druck zu arbeiten. Als Gründerin muss man oft offen für schnelle Veränderungen sein und aufgeschlossen bleiben. Und gleichzeitig muss man lernen, die Ideen schnell und unter großem Druck umzusetzen.

Munich Startup: Der größte Irrtum, dem Du je unterlegen bist?

Ekaterina Grib: Einer der größten Irrtümer, mit denen ich oft konfrontiert wurde, ist die Unterschätzung des Arbeitsaufwands und der Fristen. Als Gründerin versuche ich oft, mehrere Bereiche abzudecken, und das hat oft seinen Preis. Wir befinden uns alle in einem stetigen Lernprozess. Das ist definitiv auch der größte Vorteil eines Startups.

Kewazo überwindet die Vorurteile in der Bauindustrie

Munich Startup: Die drei übelsten Vorurteile, die Dir beim Gründen begegnet sind?

Eirini Psallida

Eirini Psallida: Unsere Erfahrungen bei Kewazo mögen ein bisschen hart sein, aber wir haben uns schließlich auch dazu entschlossen, ein Startup in der Bauindustrie zu gründen. Über die Jahre habe ich viele Vorurteile von Kunden, Lieferanten oder auch bestehenden Konkurrenten gehört. Die Top-3 würde ich so zusammenfassen:

  1. Technologie und Leadership: Männer sind die besseren Führungskräfte und technologisch begabter.
  2. Junge Frauen in der Baubranche: Unsere Kunden und Anwender sind zu 99,9 Prozent Männer und in der Regel auch deutlich älter beziehungsweise erfahrener als wir. Auch wenn wir anfangs einige Vorurteile spürten, konnten wir uns mittlerweile durchsetzen und fühlen uns auf Augenhöhe.
  3. Die Karriere von Frauen: Frauen konzentrieren sich ab einem bestimmten Punkt im Leben lieber auf ihr Privatleben als auf ihre Karriere. Ich finde es schade, dass immer noch so gedacht wird und das öffentliche Bild der Frau automatisch in so eine Schublade gepackt wird.

Munich Startup: Erscheint es Dir gerade als eine gute Zeit, um zu gründen? Warum?

Ekaterina Grib: Es gibt nie einen perfekten Zeitpunkt, ein Unternehmen zu gründen! Und es wird immer eine Herausforderung sein, aber wenn man sich für das Unternehmertum interessiert, dann sollte man es unbedingt versuchen. Von Anfang an haben wir uns entschieden: Selbst wenn wir scheitern haben wir die Chance auf eine beeindruckende persönliche Entwicklung. Ein Jahr in einem Startup fühlt sich an wie drei Jahre in einem konventionellen Unternehmen. Sicherlich hat man weniger Freizeit und meist mehr Druck. Aber wenn man von den richtigen Leuten umgeben ist, nimmt alles seine eigene Dynamik an und man hat das Gefühle alle Herausforderungen meistern zu können.

Ich würde daher potenziellen Gründern und insbesondere Gründerinnen wirklich Mut machen, ihren Weg zu gehen und die Herausforderung anzunehmen. Gerade jetzt – abgesehen von COVID-19 – gibt es in Deutschland viele Möglichkeiten für GründerInnen und es ist ein wirklich tolles Ökosystem vorhanden.

Inspiration für künftige Gründerinnen

Munich Startup: Findest Du es wichtig, dass in Deutschland mehr Frauen gründen?

Eirini Psallida: Auf jeden Fall! Ich würde sagen, dass das Startup-Ökosystem, besonders wie ich es in München sehe, noch weit von der Gleichberechtigung der Geschlechter entfernt ist. Wir brauchen mehr Vielfalt und alle Stimmen sollen gehört werden. Nur so können wir das Beste aus Innovation und Kreativität herausholen. Je mehr weibliche Vorbilder wir haben, desto mehr werden wir sehen, dass junge Frauen inspiriert und motiviert werden sich in Richtung Unternehmertum zu bewegen.

Munich Startup: Wie unterstützt Ihr andere Gründerinnen?

Ekaterina Grib: Als eine der wenigen Gründerinnen, die sich auf ConTech (= Construction Tech, Anm. d. Red.) konzentrieren, verstehe ich das Thema des Empowerments von Frauen sehr gut. Daher war und bin ich immer gerne bereit, zukünftige Gründerinnen mit Ratschlägen zu unterstützen und meine Erfahrungen zu teilen. Ich versuche auch, Studentinnen und Unternehmerinnen zu inspirieren, indem ich als Gastrednerin an verschiedenen Veranstaltungen, Vorträgen und Seminaren teilnehme. Gern auch international, denn das trägt dazu bei, noch mehr Inspiration für zukünftige Unternehmerinnen zu kreieren.

Spannende Zeiten vor Markteintritt

Munich Startup: Was liegt auf Deinem Schreibtisch gerade ganz oben?

Eirini Psallida: Momentan befinden wir uns mit Kewazo in der Markteintrittsphase und der Einführung unseres ersten Produkts “Liftbot” in der Bauindustrie. Das ist sehr aufregend und gleichzeitig sehr herausfordernd. Mein Hauptaugenmerk liegt darauf, die Leistung unseres Systems in Bezug auf die Software zu verbessern und die Performance unseres Systems beim Kunden zu unterstützen. Gleichzeitig denken wir bereits an die nächste Version unseres Robotersystems und zukünftige Anwendungen.

Ekaterina Grib: Meine drei größten Herausforderungen im Moment sind Vertrieb, Fundraising und Finanzen für Kewazo. Wir sind gerade dabei, unsere Series-A-Finanzierungsrunde abzuschließen, um unsere Firma zu skalieren und unser Team weiter zu stärken.

Munich Startup: Was macht Dich glücklich?

Eirini Psallida: Menschliche Beziehungen sind in meinem Leben von größter Bedeutung. Die Menschen, die ich liebe und denen ich vertraue, sind das, was ich brauche, um glücklich zu sein und weiterzukommen. Der Rest wird kommen.