Deutsche Startups im Geldrausch: Investitionen haben sich verdreifacht

Deutsche Startups konnten sich im ersten Halbjahr 2021 mehr frisches Kapital als je zuvor sichern: Es flossen insgesamt 7,6 Milliarden Euro an deutsche Jungunternehmen – das ist mehr als dreimal so viel wie im Vorjahreszeitraum und mehr als in jedem gesamten Jahr zuvor. Auch die Zahl der Finanzierungsrunden stieg kräftig um 62 Prozent auf 588.

An der Spitze des Investmentgeschehens bleibt laut ‚Startup-Barometer‘ der Beratungsgesellschaft EY Berlin mit 263 Finanzierungsrunden mit einem Volumen von 4,1 Milliarden Euro. Dahinter folgt Bayern mit dem Startup-Zentrum München: Im ersten Halbjahr haben Startups im Freistaat in 120 Runden Investitionen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro eingesammelt. Abgeschlagen folgen Baden-Württemberg (307 Millionen Euro in 36 Runden), Nordrhein-Westfalen (171 Millionen Euro in 52 Runden) und Sachsen (134 Millionen Euro in 19 Runden). Die Startup-Zentren Berlin und Bayern vereinen damit mehr als 87 Prozent des insgesamt in Deutschland eingesammelten Kapitals.

„Im vergangenen Jahr hatte die Pandemie zu einem leichten Dämpfer beim Finanzierungsvolumen geführt“,

sagt Thomas Prüver, Partner bei EY.

„In diesem Jahr sehen wir ebenfalls einen Corona-Effekt, allerdings in die umgekehrte Richtung: Die Finanzierungsaktivitäten und -summen explodieren geradezu. Im ersten Halbjahr haben so viele Startups frisches Kapital erhalten wie nie zuvor. Vor allem aber fließen inzwischen Summen in einzelne Jungunternehmen, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wären.“

Nach 8 mittelgroßen Finanzierungen im Vorjahreszeitraum wurden dieses Jahr bereits 16 gezählt. Die Zahl der Transaktionen mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro stieg von 2 im ersten Halbjahr 2020 auf nun fünfzehn. 71 Prozent der Deals umfassen jedoch noch immer höchstens fünf Millionen Euro. Der Finanzierungsboom habe mehrere Gründe, so Prüver:

„Zum einen ist sehr viel Liquidität im Markt, die im aktuellen Niedrigzinsumfeld nach attraktiven Anlagemöglichkeiten sucht. Vor allem aber sieht der Markt inzwischen völlig neue Perspektiven für innovative Technologieunternehmen. Die Digitalisierung hat im Pandemiejahr einen riesigen Schritt nach vorn gemacht. Der Knoten ist geplatzt und neue, disruptive Geschäftsmodelle werden jetzt mit ganz anderen Augen gesehen als vor der Pandemie.“

„München hat geschafft, sich als zweiter wichtiger Standort zu etablieren“

Gerade die ganz großen Deals finden in erster Linie in Berlin und Bayern statt. Von den zwanzig größten Investitionen im bisherigen Jahresverlauf entfielen zwölf auf Berlin, sechs auf Bayern und jeweils eine auf Baden-Württemberg und Sachsen. Der größte Deal des bisherigen Jahres war das 1-Milliarde-Dollar Investment in Celonis, mit dem die Münchner zu Deutschlands erstem ‚Decacorn‘ wurden. Thomas Prüver sagt:

„Berlin und Bayern sind eindeutig die international sichtbarsten Startup-Standorte Deutschlands. München hat es in den letzten Jahren geschafft, sich als zweiter wichtiger Standort zu etablieren – dank spezifischer Stärken im Technologie-Bereich. Andere Regionen registrieren zwar ebenfalls Zuwachsraten, können aber gerade bei großen Deals nicht mithalten. Es spricht einiges dafür, dass dieser Trend vorerst anhält – trotz intensiver Bemühungen in vielen Regionen, an der eigenen Attraktivität für Startups und Investoren zu arbeiten.“