Munich Startup: Was macht Euer Startup? Welches Problem löst Ihr?
Treesense: Die Bewässerung von Stadtbäumen wird aufgrund des Klimawandels immer relevanter. Städte, Gemeinden oder Wohngesellschaften vergeben hierfür Bewässerungsaufträge an Baumpfleger, Landschaftsgärtner und oft sind auch Baum-Sachverständige mit involviert. Das größte Problem ist, dass derzeit nur nach Wetterlage entschieden wird, ob eine Bewässerung nötig ist. Der Administrationsaufwand ist hierfür zeitintensiv und dabei ist nicht mal sichergestellt, dass nach dem tatsächlichen Baumbedarf bewässert wird. Das bedeutet wiederum, dass entweder zu viel Wasser verbraucht wird oder die Bäume wegen Trockenheit sterben, was teuer werden kann.
Wir haben das Wearable für Bäume entwickelt, also einen Sensor, der einen Realzeit-Überblick über den Trockenstress von Bäumen gibt. Die Daten zeigen also remote und zu jeder Zeit an, ob eine Bewässerung nötig ist – ohne aufwändige Begehungen durch Experten. Unsere Software dient also als Predictive Maintenance für Stadtbäume, indem die Entscheidung zur Bewässerung datenbasiert und automatisch erfolgt.
Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!
Treesense: Derzeit werden, wenn überhaupt, Bodenfeuchte-Sensoren verwendet, um abzuschätzen, ob die oberste Schicht des Bodens genug Wasser hat. Hierbei sind aber so viele Faktoren, wie die Bodenbeschaffenheit, Baumqualität oder die Wurzeltiefe nicht mit einbezogen. Treesense Pulse zeigt die tatsächliche Reaktion des Baums auf, indem er den Wasserhaushalt in den Xylem-Kanälen des Baums monitort. Das ist auch für die Wissenschaft eine komplett neue Lösung, um den Hitzestress von Bäumen flächendeckend zu erkennen.
Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory?
Treesense: Als Forstwissenschaftler hat Giancarlo schon 2013 angefangen, an einer Lösung zum Monitoring von Trockenheit von Bäumen zu forschen, um eigentlich weitere Indizes zur Waldbrandprävention zu entdecken. Die Idee, den Widerstand im Baum zu messen, kommt tatsächlich aus der Medizintechnik und so kam der Kontakt mit Julius am Heinz-Nixdorf-Lehrstuhl für Biomedizinische Elektronik der TUM zustande. Auch mit dem Engagement von Prof. Hayden und Dr. Brischwein konnten wir mit dem EXIST-Stipendium Treesense zu einem Gründungsprojekt entwickeln und uns gemeinsam kennenlernen.
Treesense: Partnerschaft mit den Stadtwerken München
Munich Startup: Was waren bisher Eure größten Herausforderungen?
Treesense: Unzählige! Wir hatten zunächst einen Tech Push, also eine Innovation, ohne den Markt richtig zu kennen. Durch viele Gespräche mit Experten und Nutzern konnten wir letztlich das Problem der Stadtbaumbewässerung identifizieren. Derzeit merken auch wir den weltweiten Mikrochip-Mangel und so mussten wir ein Übergangsprodukt entwickeln, was uns ein paar Monate nach hinten geworfen hat. Julius hat das am Ende in der Hardware-Entwicklung brutal gut managen können.
Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren?
Treesense: Derzeit haben wir mit einigen Großkunden Pilotprojekte mit kleinen Stückzahlen im Markt. Im B2B-Markt können wir unsere Hardware und Software an Baum-Sachverständige und Landschaftsgärtner vertreiben. Der nächste Meilenstein ist ein flächendeckendes Monitoring für eine Stadt oder Gemeinde. Ein solches Projekt wollen wir im besten Fall schon dieses Jahr sichern. Da helfen uns die Verbindungen zu Städten wie Madrid, München oder Wien und vor allem auch unsere Partnerschaften mit städtischen Organisationen wie die Stadtwerke München.
Langfristig wollen wir es schaffen, die Technologie als Standard zur Evaluierung der Baumvitalität zu etablieren. Wie spannend wäre es, wenn wir die Effekte des Klimawandels auf unsere Bäume quantifizieren zu können, weil wir einen direkten Vergleich zwischen heute und in 5 Jahren hätten? Es geht also insgesamt über die Stadtbaumbewässerung hinaus. Wie bewässern wir in der Landwirtschaft effizient, damit die Böden auch in 15 Jahren nicht mit Düngemitteln verseucht sind? Wie trocken sind die Bäume unserer Wälder tatsächlich und was bedeutet das für die Waldbrandgefahr? Das sind dann so spannende Fragen der Nachhaltigkeit, wo wir unseren Beitrag leisten wollen.
„Das Startup-Netzwerk, das man sich in München aufbauen kann, ist schon immens“
Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt?
Treesense: Insgesamt sehr positiv. Die Nähe zur TUM und zum Gründungszentrum mit unserer Gründungsberaterin Carmen Baur hat uns gepusht. Für die Hilfe sind wir schon sehr dankbar. Auf der anderen Seite merken wir schon auch, dass der Fokus vieler Stakeholder nicht unbedingt auf Bäumen liegt – da kämpfen wir uns eher durch und versuchen, das Bewusstsein zu schärfen, dass Nachhaltigkeit in traditionellen Branchen nicht so schnell mit dem klassischen Unicorn-Case umzusetzen ist. Wir lieben es aber, mit vielen anderen Startups zu sprechen, welche im Grunde ähnliche Herausforderungen haben wie wir. Das Startup-Netzwerk, das man sich in München aufbauen kann, ist schon immens.
Munich Startup: Risiko oder Sicherheit?
Treesense: Aus unserer Erfahrung gehen Wissenschaftler in der Regel eher den sicheren Weg und testen jede Hypothese lieber einmal zu viel als zu wenig. Wir lernen aber, dass wir unsere Ziele nur erreichen können, wenn wir All-in gehen. Wir waren und sind eigentlich durchgängig in Situationen, in denen wir nicht wissen, was passieren könnte. Kaum lösen wir ein kritisches Problem, das uns killen könnte, so vergehen keine 2 Stunden, in denen das nächste kommt. Das macht ja auch das Leben als Gründer aus.