Munich Startup: Unser letztes Interview ist inzwischen zwei Jahre her. Was hat sich seitdem bei Plug & Play getan?
Frederike Rohr, Plug & Play: Es ist viel passiert. Zum einen sind wir extrem gewachsen: Weltweit haben wir mittlerweile 48 Locations, alleine im letzten Jahr sind zehn neue hinzugekommen. In der EMEA-Region haben wir mittlerweile über 20 Büros. Innerhalb von Deutschland sind wir in Hamburg, Frankfurt, Stuttgart und München vertreten. Das neuste Büro haben wir gerade in Düsseldorf aufgemacht / ist geplant. Und in all diesen Locations spielen wir eine Doppelrolle: Denn zum einen sind wir ein Venture-Capital-Fonds, tätigen also Investments in den Industrien, die an den jeweiligen Standorten vertreten sind, und zum anderen sind wir global die größte Innovationsplattform für Corporate Innovation.
Unser Serviceangebot hat sich dabei in den vergangenen Jahren – auch hier in München – extrem weiterentwickelt. Vom klassischen Accelerator sind wir viel mehr zu dezidierten Services für unsere Corporate Partner übergegangen. So geht es beispielsweise bei den Pilotprojekten zwischen den Abteilungen unserer Partnerunternehmen und den Startups weniger um Showcasing als um die konkrete Zusammenarbeit. Auf diese Weise hat sich unser Accelerator-Programm mittlerweile mehr in ein Business-Development-Programm verwandelt. Darüber hinaus bieten wir viele individuelle Workshops für unsere Corporate Partner. Von „How to identify the right startup“ über „How to choose a focus topic“ bis hin zu „How to Pilot“ umfasst unser Programm wirklich alles rund um das Thema Startup Collaboration. Mit Themen wie Internal Transformation oder Culture Change gehen wir aber auch darüber hinaus. Wir organisieren Innovation Days bei unseren Partnern im Office oder virtuell, Senior Executive Coachings und vieles mehr. Unser Serviceangebot hat sich wirklich stark weiterentwickelt.
„Hier geht es um extrem frühphasige Investments“
Munich Startup: Und was hat sich im Bereich Startups bei Euch getan?
Frederike Rohr: Was unsere Fonds und unsere Investmentstrategien betrifft, haben wir uns weiterentwickelt. Plug & Play hat ja verschiedene Vehikel, aus denen wir investieren. Zum Beispiel haben wir erst vor kurzem das „Startup Camp EMEA“ gelauncht, ein Programm, das es in den USA schon länger gibt. Hier geht es um extrem frühphasige Investments, bei denen wir den Gründern wirklich ab Tag 1 Finanzierung geben. Dabei handelt es sich um den klassischen 50.000-Euro-für-5-Prozent-Equity-Ansatz.
Darüber hinaus investieren wir natürlich immer noch aus dem Family Office der Familie des Plug & Play-Gründers, hier liegt der Sweet Spot zwischen 50.000 und 150.000 Euro, aber die Investments gehen auch schon einmal bis 500.000 Euro. Außerdem haben wir zwei weitere Fonds geraist: Einmal den „Future of Commerce Fund“ und einmal den „Supply Chain Fund“. Beide sind sehr Industrie-spezifisch, sie verfügen über Mittel im zweistelligen Millionenbetrag und wir wollen mit ihnen auch späterphasig investieren.
Alles zusammengenommen wollen wir Startups von Tag eins an unterstützen: Zuerst mit dem Startup Camp, dann über unseren klassischen Family-Office-Investment-Arm und schließlich mit dem „Future of Commerce Fund“ und dem „Supply Chain Fund“. So vergrößern wir immer mehr unser Startup-Portfolio, das ja bereits jetzt sehr, sehr groß ist.
Keine thematischen Einschränkungen für das Startup Camp von Plug & Play
Munich Startup: Wonach genau sucht das Startup Camp?
Frederike Rohr: Wir suchen nach Gründern, die mit Plug & Play signifikante Traction aufbauen wollen und unterstützen hierbei von Tag 1. Zum einen, ist für uns hier natürlich das Team sehr entscheidend. Zum anderen achten wir auf die Marktgröße und das Timing und wollen, dass ein echtes Problem gelöst wird. Die Unis und ihre Entrepreneurship-Programme stehen dabei für uns viel mehr im Mittelpunkt als früher, in München zum Beispiel das CDTM oder Manage & More. Thematisch suchen wir dabei querbeet. Wir selbst sind ja auch selbst in allen Industrien vertreten: Von Fintech, Mobility, Energy, Supply Chain, Sustainablity, Food Tech, über Retail und Agriculture, bis hin zu Industry 4.0 und Enterprise sind wir in allen Themen aktiv. Wir wollen mit dem Startup Camp den Gründern vom ersten Tag an helfen. Mit unserem Corporate Netzwerk können wir sie extrem gut dabei unterstützen, Kunden zu bekommen, erste Piloten durchzuführen und Feedback einzuholen.
Munich Startup: Wie werden denn die Startups für das Camp ausgewählt?
Frederike Rohr: Hierfür haben wie in EMEA ein IC, also ein Investment Committee, implementiert, welches die Investment-Entscheidungen trifft. Und das sind auch die Entscheider für das Startup Camp. Die Vorschläge kommen aber erstmal aus den vielen Büros, die wir in der EMEA-Region haben. So wollen wir auch, dass alle Teammitglieder motiviert sind, sich für das Startup Camp einzusetzen. Denn natürlich hat jeder von uns ein eigenes großes Netzwerk, zum Beispiel zu den Universitäten, an denen wir selbst studiert haben, und können so regional alles sehr gut einschätzen. Das heißt also, dass beispielsweise erstmal der Standort München entscheidet, ob wir etwas ins IC bringen und erst dann geht es ans Komitee. Das IC selbst besteht aus vier Personen, darunter eine unserer Kolleginnen aus München, Carolin Wais. Sie leitet bei uns das Brand & Retail Vertical und ist eine großartige Investorin mit sehr viel Energie und sehr viel Know-how in unterschiedlichen Industrien.
„Die Region an sich wächst extrem“
Munich Startup: Plug & Play gilt global als der aktivste VC für Early Stage Startups, und im Silicon Valley läuft das Startup Camp schon deutlich länger als hier in Europa. Gibt es hier Unterschiede zwischen dem Geschäft in den USA und Europa?
Frederike Rohr: Natürlich haben wir in den USA eine längere Historie. Und da haben wie ja schon sehr früh starke Erfolge mit Firmen, in die wie investiert haben, gefeiert, wie etwa Paypal oder Dropbox. Das hat sich in Europa fortgesetzt, mit N26 beispielsweise. Insgesamt haben wir in der Region inzwischen einige Uni- und Soonicorns im Portfolio wie Flutterwave, Vestoo, IDnow und viele mehr. Und wir hatten auch sehr viele Exits in den letzten Jahren.
Dabei agieren wir hier in der EMEA-Region sehr autark, unsere Portfoliofirmen wachsen konstant. Wir haben allein von München aus in den letzten zwei Jahren über 18 Investments gemacht, außerdem managen wir das gesamte Axel-Springer-Portfolio für Plug & Play. Das heißt, die Region an sich wächst extrem. Und deshalb können wir es uns auch sehr gut vorstellen, hier einmal einen eigenen Fonds für die Region aufzulegen.
Munich Startup: In welche Münchner Startups habt Ihr denn schon investiert?
Frederike Rohr: Wir haben aus München schon in sehr viele Startups investiert, aber natürlich nicht nur in Münchner Startups, sondern global. Wir haben hier also auch Portfolio-Firmen aus Singapur, England und den USA, beispielsweise. Aber wir haben auch in viele Startups aus München investiert, darunter Presize, Cliniserve, Wellabe, IDnow, Zelros, Chatchamp, Celus, Minqi, Buzzlab und Virtonomy. Davon sitzen auch einige mittlerweile in unserem 2000 Quadratmeter großen Büro. Wir haben ja einen großen Coworking Space bei uns – und übrigens auch einen Event-Space, den jeder buchen kann. Für uns ist es super, wenn wir unsere Firmen so nah bei uns haben.
Der Germany Summit von Plug & Play
Munich Startup: Mit dem Germany Summit steht am 28. und 29. Juni das erste große Live-Event seit Beginn der Corona-Krise bei Euch an. Um was genau geht es dabei?
Frederike Rohr: Wir konzentrieren uns dieses Jahr auf die Bereiche Healthcare, Brand & Retail und Fintech. Wir erwarten tolle Gäste von unseren Startups und Unternehmen, die zusammen ihre Piloten auf der Bühne vorstellen. Das heißt also von zum Beispiel Roche stehen dann die Abteilungen auf der Bühne, die gemeinsam mit den Startups berichten, was sie erreicht haben. Und am zweiten Tag liegt der Fokus auf der Zukunft von Brand und Retail. Da geht es dann auch um Themen wie Web3 und Metaverse. Natürlich kommen viele große Unternehmenspartner von uns, von der Schwarz Gruppe über Mediamarkt-Saturn, Biotronic und Novo-Nordisk bis hin zu Accenture. Dabei erwarten wir Gäste aus aller Welt.
Munich Startup: Ist der Germany Summit ein neues Event-Konzept von Euch?
Frederike Rohr: Wir haben in München drei Verticals – Insurance, Retail und Health – und wir haben bisher eigentlich immer einen gemeinsame Summit gemacht, weil es natürlich innerhalb dieser drei Bereiche viele Überschneidungen gibt. Das Insurance-Team macht dieses Jahr seinen Summit aber in Amsterdam, zeitgleich zu einer großen Konferenz zu dem Thema, die in der Stadt stattfindet. Dafür haben wir dieses Mal unsere Frankfurter Kollegen mit dem Fintech-Vertical mit dabei und wir freuen uns ganz besonders, dass wir das gemeinsam umsetzen können. Und genau das ist neu: Dass wir unsere Summits jetzt mit unseren unterschiedlichen Standorten in Deutschland gemeinsam machen und so die Überschneidungen und Synergien der einzelnen Themenschwerpunkte noch besser zeigen können.
Ansprechpartner im Münchner Office
Munich Startup: Letzte Frage: Hat sich bei den Ansprechpartnern für Startups bei Euch etwas verändert?
Frederike Rohr: Wir sind 25 Leute bei uns im Team. Ich leite das gesamte Büro und unser Health Vertical, Xenia kümmert sich um Insurtech und Carolin wie gesagt um Retail. Und wir alle sind natürlich immer offen für Anfragen und neue Kontakte. Wirklich neu ist jetzt das Venture Team. Da gibt es pro Vertical natürlich unterschiedliche Kollegen, die das machen.