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Bobbie: „Wir holen den Baustoffhandel aus den 80ern“

Bestellungen aus dem Papierkatalog sind für VerbraucherInnen schon lange Vergangenheit – im Baustoffhandel hingegen waren sie bis vor kurzem noch der Standard. Das Münchner Startup Bobbie wollte dies nicht akzeptieren und arbeitet seit 2017 beharrlich an der Digitalisierung der Branche. Wir haben mit den beiden Gründern Tim Kuhlmann und Alexander Gran gesprochen.

Munich Startup: Was macht Euer Startup? Welches Problem löst Ihr?

Bobbie: Bobbie – Baustoffhandel 4.0 ist eine Baustoffbeschaffungsplattform für Bauunternehmen. Das heißt, wir kaufen Baustoffe ein, verkaufen und liefern sie. Denn natürlich will ein Bauunternehmen für eine Baustelle nicht selbst 400 unterschiedliche Baustoffhersteller managen, genauso wenig wie ein Baustoffhersteller Geschäftsbeziehungen mit den über 280.000 Bauunternehmen in Deutschland pflegen will. Stattdessen verlassen sie sich im Vertrieb auf Handelspartner wie uns.

Das Geschäft mit dem Handel mit Baustoffen ist alt und auf Grund der hohen Nachfrage in den vergangenen Jahren auch weiterhin sehr erfolgreich. Der etablierte Handel hat aber die Digitalisierung weitestgehend an sich vorbeiziehen lassen – vielleicht auch gerade wegen seines Erfolgs. Das heißt, dass Produktinformationen noch in Papierkatalogen nachgeschlagen werden. Bobbie digitalisiert und automatisiert die Beschaffung von der Angebotsanfrage bis zum Lieferschein und holt so den Baustoffhandel aus den 80ern. Unsere digitale Basis ist dabei eine wachsende Baustoff-Datenbank sowie eine Prozesslandschaft, welche die Komplexität der Baustoffe mit all ihren Eigenschaften und deren Logistik vom Hersteller bis zur Baustelle abbildet.

Bauunternehmen profitieren auf diese Weise von einer nie dagewesenen Preis-Leistungs-Transparenz unterschiedlicher Hersteller und einer größeren Produktauswahl für ihre Bauvorhaben. Die Baustoffbeschaffung wird somit nicht nur günstiger, sondern auch resilienter bei Lieferengpässen. In Zukunft bestellen dann Bauunternehmen dank integrierter Schnittstellen zu ihren ERPs Baustoffe direkt aus ihren Planungstools heraus. Dabei haben sie dann Zugriff auf tausende Produkte mit allen Daten, inklusive verbindlicher Preise und Frachtkosten zum Bauvorhaben. Somit entfällt der unfassbar aufwändige und fehleranfällige Angebotsanfrageprozess und zusätzlich wird zum ersten Mal ein preis-scharfes Design-to-Cost für Bauprojekte in Echtzeit möglich. Ein klarer Wettbewerbsvorteil für unsere Kunden.

„Die Baustoffbranche ist definitiv reif für die digitale Transformation“

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

Bobbie: In Tat hat sich die Anzahl der Startups, die im Umfeld der Digitalisierung der Baustoffbeschaffung arbeiten, seit unserer Gründung 2017 stark erhöht. Wir sehen das positiv, denn es bestätigt unsere Wahrnehmung, dass die Baustoffbranche definitiv reif für die digitale Transformation ist.

Wir beobachten, dass viele unserer neuen Marktbegleiter Bauunternehmen oder Herstellern eine digitale Schnittstelle zum etablierten Handel anbieten oder seine Logistikfunktion ergänzen. Damit digitalisieren sie aber nur einen Teil des Beschaffungsprozesses. Wir sind der Auffassung, die maximale Effizienz und Transparenz in der Beschaffungskette – und somit der maximale Mehrwert für Hersteller und Bauunternehmen – kann nur durch eine volldigitale Plattform wie Bobbie ohne weitere Zwischenplayer erreicht werden.

Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory?

Bobbie: Tim ist in der dritten Generation in einer „Beton & Baustoff-Familie“ und Mitglied der Geschäftsführung eines mittelständischen Betonpflasterherstellers. Dadurch hat er lange die Konsequenzen eines überholten Geschäftsmodells und der veralteten Prozesse des etablierten Handels ertragen müssen. Zwar unterhielt er sich dort mit seinen Kollegen darüber, wie man den Baustoffhandel ins 21. Jahrhundert bringen müsste, ans Gründen hat er dabei aber nicht gedacht.

Geändert hat sich das, als er auf einem Junggesellenabschied Alex kennengelernt hat. Der Absolvent der RWTH Aachen ist ein erfahrener Software-Entwickler und Projektleiter mit einer unternehmerischen Ader. Die zwei verstanden sich auf Anhieb gut und Alex sah, welches Potenzial die Digitalisierung in diesem Markt heben kann. Nach ein paar Brainstorming-Abenden war den beiden dann klar, dass der Product-Market-Fit passt, aber der etablierte Handel Probleme machen würde. Doch die beiden wussten auch: Es gibt Dinge, die bereut man, wenn man sie nicht macht. Also haben Tim und Alex den Beschluss gefasst, Bobbie zu gründen und ihren Erfolg auf die Inhouse-Kompetenz von sowohl Software-Entwicklung als auch Baustoff Produkt- und Marktwissen zu bauen.

Bobbie erlebte zu Beginn eine lange Leidensphase

Munich Startup: Was waren bisher Eure größten Herausforderungen?

Bobbie: Als Plattform brauchen wir sowohl Lieferanten als auch Kunden, und am Anfang hatten wir keins von beiden. Einerseits brauchten wir ein hinreichend großes Portfolio an Herstellern, um Bauunternehmen umfassend beliefern zu können. Andererseits gewinnt man die Hersteller als Lieferanten aber nur, wenn man ihnen Kunden bringt. Dieses Henne-Ei Problem mussten wir erstmal lösen.

Für uns bedeutete das zu Beginn eine lange Leidensphase. Denn in den ersten 2 Jahren war die Skepsis unter den Herstellern groß, ob digitale Vertriebswege überhaupt funktionieren können. Insbesondere weil man befürchtete, bisherige langjährige Vertriebspartner mit dem Eröffnen neuer Vertriebswege zu verärgern. Hinzu kam dann auch noch der Widerstand der etablierten Händler. Da wurde auch schon mal zum Telefon gegriffen, um Hersteller davon abzuhalten, auf unserer Plattform zu sein. Wir hatten zwar mit Widerständen gerechnet, aber dass es so schlimm wird, dachten wir dann doch nicht.

Wir mussten also viele Klinken putzen um eine kritische Masse an Herstellern für uns zu gewinnen. Als wir das aber geschafft und die Hersteller gute Erfahrungen mit uns gemacht hatten, hat sich das Blatt für uns gewendet. Die Branche ist sehr eng vernetzt und sowas spricht sich schnell rum. Ab dann wurde das Aufbauen von Geschäftsbeziehungen mit neuen Herstellern immer einfacher. Als wir dann noch eine Kooperation mit der Bamaka, der größten Einkaufsgesellschaft der Bauwirtschaft in Deutschland, eingehen konnten, war das so etwas wie ein Ritterschlag für uns. Inzwischen wollen mehr Hersteller mit uns arbeiten, als wir gerade verarbeiten können.

Munich Startup: Wie laufen die Geschäfte?

Bobbie: Es arbeiten inzwischen über 600 Hersteller mit uns. Seitdem wir uns Ende 2021 aktiv dem Vertrieb zugewandt haben, sind unsere Umsätze um 30 Prozent pro Monat gestiegen. Über 70 Prozent unserer Umsätze sind von wiederkehrenden Bauunternehmen. Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung!

„Wir sind hier gut vernetzt und haben einige gute Freunde gefunden“

Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt?

Bobbie: In München gibt es eine hohe Dichte an VCs und Business Angels und natürlich eine boomende Baubranche. Und sehr viele Startups, mit denen man sich austauschen kann, auch am Bau. Wir sind hier gut vernetzt und haben einige gute Freunde gefunden, mit denen wir auch an übergreifenden coolen Lösungen arbeiten. Denn es nutzt ja nichts, wenn sich jetzt viele digitale Inseln bilden. Das große Startup-Umfeld hier bringt aber auch Herausforderungen: So sind wir bei weitem nicht das einzige Startup, das gerne mehr neue Kollegen einstellen will.

Munich Startup: Risiko oder Sicherheit?

Bobbie: Alle zwei Gründer hatten vor Bobbie gute sichere Jobs. Die zu verlassen und von null weg ein Startup hochzuziehen bedeutet schon einiges an Risikobereitschaft! Aber wir nehmen das Risiko mit Augenmaß. Dadurch, dass jeder von uns über zehn Jahre Berufserfahrung mitbringt, denken wir über die ganz verrückten Ideen ggf. etwas länger nach. Und mit inzwischen 40 Bobbie-MitarbeiterInnen wächst auch das Verantwortungsgefühl gegenüber der Belegschaft.