Foto: Encourage Ventures

Netzwerk für Investorinnen – Interview mit Silvia Hänig von Encourage Ventures

Das Investorinnen-Netzwerk Encourage Ventures unterstützt mit seiner Arbeit weiblich geführte Startups bei ihren Gründungs- und Expansionsvorhaben. Wie genau, das erklärt uns Silvia Hänig, die den regionalen Hub von Encourage Ventures in München aufbaut, im Interview.

Munich Startup: Silvia, kannst Du uns erklären, was Encourage Ventures genau macht?

Unsere Interviewpartnerin Silvia Hänig von Encourage Ventures. (Foto: Silvia Hänig)

Silvia Hänig, Encourage Ventures: Gern, insgesamt sorgt Encourage Ventures als mittlerweile größtes deutsches Netzwerk für Female Founding dafür, dass mehr Vielfalt in die Investorenlandschaft Einzug hält. Denn 96 Prozent der Venture-Capital-Unternehmen werden von Männern geführt und auch große Investments werden vor allem bei männlich geführten Startups getätigt. Nur verschwindend geringe 1,6 Prozent des Wagniskapitals geht an weibliche Gründerinnen. Diese Schieflage wollen wir ändern. Encourage Ventures reichert bahnbrechende Ideen mit Expertise und vor allem Kapital an. 

Munich Startup: Nach wie vor gibt es deutlich weniger Investorinnen als Investoren und der Anteil von Gründerinnen liegt in Deutschland laut dem Deutschen Startup Monitor 2021 bei weniger als 18 Prozent. Siehst Du zwischen beiden Aspekten einen Zusammenhang?

Silvia Hänig: Ja, hier sehe ich schon einen Zusammenhang. Denn viele weibliche Startups haben bereits ihre Pitches vor männlichen Investoren hinter sich, bevor sie zu Encourage Ventures kommen. Hier fühlen sie sich nach eigenem Bekunden viel besser mit ihrem Business Model aufgehoben, da sie vor Frauen pitchen. Da spielt sicherlich das ’sich besser verstanden fühlen‘ und die vertraute Atmosphäre eine große Rolle. 

Weniger Risikobereitschaft von Gründerinnen

Munich Startup: Würdest Du aus Deiner Erfahrung heraus sagen, dass Frauen anders als Männer investieren? Wenn ja, wie zeigt sich das?

Silvia Hänig: Während der Finanzkrise wurde ja beobachtet, dass Frauen defensiver und vorsichtiger investieren, was sich danach als klüger herausgestellt hat. Da sie mit dieser Anlagestrategie erfolgreicher waren. Das kann man allerdings nicht wirklich generalisieren. Insgesamt beobachte ich allerdings, dass Frauen besonnener investieren und auch sehr kluge kritische Fragen stellen, bevor sie sich auf einen Deal einlassen. Studien belegen ja auch, dass Frauen generell nicht so risikobereit sind wie die Männer. Das gilt ganz klar auch für Investitionen. 

Munich Startup: Welche Technologien oder Branchen interessieren Euren Kreis an Investorinnen besonders?

Silvia Hänig: Da gibt es keine Präferenzen. Da sich Encourage Ventures ja noch im Aufbau befindet, freuen wir uns über jede Investorin, die unserem Netzwerk beitritt. Aktuell haben wir schon über 500 Investorinnen und eine ähnlich große Anzahl registrierter Startups. Tendenz steigend.

Munich Startup: Gründen Frauen anders als Männer?

Silvia Hänig: Fakt ist: Frauen gründen weniger, aber Fakt ist auch: Frauen gründen anders. Im Vergleich zu rein männlichen Gründungen haben sie oft die nachhaltigeren Motive. Sie wollen beispielsweise Unternehmenskulturen verbessern, sie wollen Mütter aus der Teilzeitfalle wieder in die Führungslaufbahn zurückbringen, sie kümmern sich um nachhaltige Produktionsmethoden oder wollen das deutsche Bildungssystem revolutionieren. Ihre Motivlagen sind deutlich ‚edler‘ als rein männliche Gründungen, die häufig auf neue Plattformen und Technologien abzielen. Was auch auffällt ist, dass Frauen meist allein gründen, und nicht im Team mit ‚Kommilitonen‘. 

Unkomplizierten Zugang zu Wagniskapital

Munich Startup: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele Frauen, die gründen wollen, ein wichtiges Thema. Was muss sich aus Deiner Sicht ändern, damit Frauen, die bereits Kinder haben oder eine Familie gründen wollen, sich nicht von einer Unternehmensgründung abhalten lassen?

Silvia Hänig: Der Weg in die Selbständigkeit gerade bei Müttern oder auch jungen Frauen, die noch keine Mütter sind, aber in der Festanstellung den Karriereknick fürchten, muss erleichtert werden. Hierzu hat Encourage Ventures konkret ein Positionspapier entwickelt, welches die Forderung für ein besseres Startup-Ökosystem deutlich macht: gerade in der Wachstums- und Skalierungsphase ist es wichtig, dass Frauen unkomplizierten Zugang zu Wagniskapital erhalten. Gerade wenn eine Mutter gründet, braucht sie schnell kompetente Mitarbeitende, hier sollte es Programme geben, die bei den Personalkosten für weibliche Startups systematisch unterstützen. 

Munich Startup: Welche Vorteile bringen Deiner Ansicht nach divers aufgestellte Gründer-Teams mit sich?

Silvia Hänig: Natürlich bringen divers aufgestellte Gründerteams auch ein größeres Perspektivenspektrum ein. Auch Age Diversity ist gerade bei Gründern sehr hilfreich. Bei Encourage Ventures profitieren die Gründerinnen stark von den erfahrenen Mentorinnen, die sie gerade in der Anfangsphase sehr eng begleiten und ihnen wertvolle Hilfestellungen in ganz unterschiedlichen Unternehmensbereichen geben. Von der Vermarktung bis zum Controlling.  

Munich Startup: Erscheint es Dir gerade als eine gute Zeit, um zu gründen?

Silvia Hänig: Die wirtschaftlichen Vorzeichen stehen zwar nicht gerade zum Besten, dennoch sollte das der generellen Motivation zu gründen keinen Abbruch tun. Wirtschaftlich schwierige Zeiten, waren schon für viele heute erfolgreiche Unternehmen der Anlass, sich mit Services und Produkten zu beschäftigen, die Veränderung bringen. Vor diesem Hintergrund stehen die Zeichen gut.

‚Closed-Circle-Mentalität‘ in München

Munich Startup: Was könnte aus Deiner Sicht am Gründungsstandort München noch verbessert werden?

Silvia Hänig: Im Zuge meiner Aufbauarbeit für den regionalen Hub von Encourage Ventures ist mir eine gewisse ‚Closed-Circle-Mentalität‘ in München aufgefallen. Den Bekundungen vieler Entrepreneurial Organisationen und Initiativen – auch von der bayerischen Staatsregierung – zufolge hat man den Eindruck, hier herrscht ein hoher Vernetzungswille. Dann wird allerdings schnell klar, wer neu dazu kommt, muss sich erst einmal beweisen. Diese Mentalität ist für weibliche Neugründungen, noch dazu im Tech-Umfeld, kontraproduktiv. Open and Growth Mindset würde sicher besser funktionieren.

Munich Startup: Welche Investorin oder welchen Investor würdest Du gerne einmal persönlich treffen? Und was würdest Du sie oder ihn fragen?

Silvia Hänig: Da ich einige brillante InvestorInnen schon persönlich getroffen habe, fällt mir da Warren Buffet ein. Ihn würde ich gern mal fragen, welchen Deal er schon einmal gehörig in den Sand gesetzt hat.