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2022 im Rückblick: Durchwachsen, aber solide

Als Jahr voller Krisen machte 2022 letztlich auch der Münchner Startup-Szene zu schaffen. Doch auch wenn die letzten zwölf Monate deutlich zurückhaltender ausfielen als das Vorjahr zeigte sich 2022 solide. Der Jahresrückblick in Zahlen.

Alle Daten zur Münchner Startup-Szene in Rückblick 2021 stammen aus unserem Data & Insights-Dashboard. Wer mehr erfahren will, kann auch selbst die Datenbank nach weiteren Insights durchsuchen.

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 2,1 Milliarden Euro in Startups aus München und dem Umland investiert. Das entspricht etwas weniger als der Hälfte der gesamten Investitionssumme 2021 (4,4 Milliarden Euro). Damit muss das Ökosystem zwar einen deutlichen Einbruch im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen, allerdings liegt die Summe der Investitionen immer noch deutlich über 2019, dem letzten Jahr ohne Krise. Damals konnten die Münchner Startups insgesamt 1,6 Milliarden Euro einsammeln. Entsprechend nahm auch die Anzahl der Investitionen ab: Gab es 2021 noch 236 Closings, waren es 2022 nur 197. Damit ging auch das durchschnittliche Investitionsvolumen von rund 18,6 Millionen Euro in 2021 auf nun 10,7 Millionen Euro zurück.

2022 zeigt Probleme in der Seed- und Pre-Seed-Phase

Für die Entwicklung im Rekordjahr 2021 waren zahlreiche Mega-Investments verantwortlich. So gab es damals 10 Finanzierungsrunden über 100 Millionen Euro. 2022 hingegen waren es nur vier:  Celonis konnte seine Series-D-Runde um 400 Millionen Dollar plus einer zusätzlichen freien Kreditlinie in Höhe von 600 Millionen Dollar erweitern, Personio sammelte in seiner Series-E-Runde zusätzliche 190 Millionen Euro ein, Kinexon schloss seine Series-A-Runde mit 122,5 Millionen Euro ab und Finn sicherte sich mit seiner Series-B 103 Millionen Euro.

Kaum einen Unterschied gibt es hingegen bei den Finanzierungen zwischen 100 Millionen und 10 Millionen Euro. In dieser Größenordnung wurden im Münchner Ökosystem im vergangenen Jahr 43 Runden abgeschlossen – 2021 waren es 44. Blickt man zudem auf die durchschnittliche Finanzierungshöhe ohne die Mega-Investments über 100 Millionen Euro (2022: 6,9 Millionen Euro; 2021: 6,3 Millionen Euro) zeigt sich: Münchner Startups in der Wachstums-Phase konnten sich beinahe unbeeindruckt von den Krisen des Jahres 2022 finanzieren.

Probleme haben Jungunternehmen vor allem in ihrer frühen Phase: Die Zahl der Seed- und Pre-Seed-Finanzierungen fiel von 157 in 2021 auf 126 in 2022. Ein Trend, der durch die rückläufige Gründungsaktivität im vergangenen Jahr noch eine Weile andauern dürfte.

Die Entwicklung einzelner Branchen

Bemerkenswert in der Entwicklung des vergangenen Jahres ist auch die Konzentration des investierten Kapitals in nur wenigen Branchen. Spitzenreiter ist hier der Bereich Health, in den insgesamt 429 Millionen Euro investiert wurden. Im Vorjahr belegte die Branche hingegen Platz 3 mit 599 Millionen Euro. Der Bereich Transportation, der 2021 mit insgesamt 1,4 Milliarden Euro dominierte, rutscht auf Platz 2 und 343 Millionen Euro ab. Rang drei wird von HR-Startups belegt, die insgesamt 264 Millionen Euro einsammeln konnten (2021: 370 Millionen Euro). Damit vereinen die drei Bereiche gut die Hälfte des 2022 in Münchner Startups investierten Kapitals auf sich.

Obwohl die Investitionssummen zwar generell zurückgingen, gab es im vergangenen Jahr auch einige Branchen, die im Vergleich zum Vorjahr ein deutliches Plus verzeichnen konnten. So legte zum Beispiel der Travel-Bereich um mehr als das doppelte von 52,9 Millionen auf 136 Millionen Euro zu. Auch der Legal-Bereich, der in den vergangenen Jahren kaum mit Investitionen bedacht wurde, konnte sich auf insgesamt 63 Millionen Euro verbessern. 2021 gab es hier lediglich 1,7 Millionen Euro. Empfindliche Verluste müssen hingegen die Bereiche Robotik (von 415 Millionen Euro auf 80,8 Millionen Euro) und Marketing (von 241 Millionen Euro auf 34,6 Millionen Euro) hinnehmen.

Der Gesamtwert des Münchner Startup-Ökosystem steigt weiter

Alles in allem konnte das Münchner Ökosystem auch 2022 seinen Gesamtwert weiter steigern, wenn auch etwas gemächlicher als im Jahr zuvor. Gemessen an den summierten Unternehmenswerten lag das Münchner Startup-Ökosystem am Ende des vergangenen Jahres bei 53,2 Milliarden Euro. 2021 war das Ökosystem noch 46,1 Milliarden Euro wert. Neue Einhörner – also Startups mit einer Bewertung über 1 Milliarde Dollar – brachte das vergangene Jahr allerdings nicht hervor.

Zuletzt erreichte auch die Zahl der Exits ein neues Hoch: Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 33 Münchner Startups von anderen Unternehmen übernommen oder an die Börse gebracht. Im Vorjahr gingen die GründerInnen von 32 Startups solche Schritte. Am aufsehenerregendsten dürften dabei die Übernahme von Fazua durch Porsche und die Übernahme von Reflekt durch das US-Unternehmen PTC gewesen sein.

Ein Rückblick auf das vierte Quartal 2022

Das vierte Quartal des alten Jahres brachte mit Blick auf die Finanzierungsrunden einen eher ruhigen Jahresausklang. Mit insgesamt knapp 377 Millionen eingesammelten Euro war Q4 das zweitschlechteste Quartal des Jahres. Die größten Summen gingen dabei an Holidu (75 Millionen Euro), The Mobility House (50 Millionen Euro) und Limehome (45 Millionen Euro) (die wichtigsten Investitionen des Quartals haben wir euch hier zusammengefasst).

Die Zahl der Investitionsrunden lag im vierten Quartal 2022 mit 38 unter dem Niveau von Q3 (43 Finanzierungen) sowie des Vorjahresquartals (55 Finanzierungen). Die durchschnittliche Höhe der Investitionsrunden lag bei rund 9,9 Millionen Euro. In Q3 2022 lag der Schnitt bei 14,8 Millionen Euro, im Vorjahresquartal bei 27,3 Millionen Euro. Damit lag das vierte Quartal 2022 auch leicht unter dem Jahresdurchschnitt von 10,7 Millionen Euro.

Fond-Closings sah das Münchner Ökosystem im letzten Quartal des Jahres 2022 insgesamt vier. So legte Golding Capital Partners zwei neue Fonds auf, den „Golding Energy Transition 2022 Fund of Funds“ mit insgesamt 300 Millionen Euro Kapital und der „Golding Buyout Co-Investment 2020 Fund of Funds“ schloss sein Final Closing mit 273 Millionen Euro. Vsquared Ventures legte einen neuen Early-Stage-Fonds mit 165 Millionen Euro Volumen auf und Munich Private Equity Partners sammelte 392 Millionen Euro für seinen vierten Dachfonds ein. Die neu hinzugekommene Gesamtinvestitionssumme beträgt somit 1,1 Milliarden Euro.