© tacterion

Maschinen, die fühlen wie ein Mensch: tacterion

Eine Technologie mit großem Potenzial, selbstbestimmtes Arbeiten, eine gezielte Förderung —  es gibt gute Gründe zum Gründen, auch  für das Münchner Startup tacterion. Wir besuchen Daniel Strohmayr, einen der Gründer,  in den Räumen der MunichRE. Hier hatte das Jungunternehmen dank der Teilnahme am LMU Entrepreneurship Center Lab für mehrere Monate Unterschlupf gefunden.

Neue Möglichkeiten der Mensch-Maschine-Interaktion

Das Spin-off des  Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)  will  eine  einzigartige, flexible, taktile Sensortechnologie auf den Markt bringen, mit der Objekte fühlen können wie ein Mensch. Mit dieser „SensorSkin“ genannten Technologie werden Produkte intelligenter und es entstehen ganz neue Möglichkeiten der Mensch-Maschine-Interaktion. Grundlage der Technologie ist eine polymerbasierte Folie, eben jene Haut, die flexibel auf Objekte angebracht werden kann und dann  die Stärke des Drucks auf bestimmte Stellen des Materials erkennt und leitet.

Und was passiert, wenn man mit einem Hammer auf den Sensor  einhämmert? Seht selbst…

YouTube

Für das Abspielen des Videos nutzen wir YouTube. Dadurch werden Daten an externe Dienste sowie in unsichere Drittländer übermittelt. Um das Video anzeigen zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung. Die Einwilligung kann jederzeit für die Zukunft widerrufen werden. Weitere Informationen hierzu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Ich willige ein und möchte das Video laden.

Der Antrieb — selbstbestimmt

Gegründet im Oktober 2015, sind Dr. Michael Strohmayr, Geschäftsführer und Entwickler der Technologie, sein Bruder Daniel Strohmayr, erklärter Brückenbauer im Marketing und Vertrieb, und Denis Schneider,  zuständig für die Entwicklung der Elektronik, zu dritt die Initiatoren des Unternehmens.

Für Michael, der am DLR Institut für Robotik und Mechatronik promovierte,  war sehr früh klar: aus dieser Robotikforschung muss man ein Pro20160413-Teamfoto-tacterion-3dukt machen! Für Daniel, der neben Business Administration an der LMU auch Technology Management am CDTM studiert hat,  stand beim Gründen auch das Thema Selbstbestimmtheit im Fokus. Gleichzeitig geht es ihm  darum, „die Komfortzone zu erweitern und mich immer wieder vorzuwagen. “   Ganz nach Vorbild anderer sehr erfolgreicher CDTM-Gewächse wie Stylight oder eGym.

Die Finanzierung — öffentliche Fördermitteln ermöglichten den Start

Aktuell wird tacterion noch durch Fördermittel der Helmholtz Gemeinschaft getragen, die Spin-Offs aus verbundenen Forschungseinrichtungen wie dem DLR unterstützt.  Damit kann Daniel  nun — nicht mehr nur nebenbei — das Startup weiter aufbauen. Die 285.000 Euro schwere Förderung zur Weiterentwicklung der Technologie geht zwar an das Institut für Robotik und Mechatronik, aber dieses finanziert die Gründer, die sich so voll auf ihr Startup konzentrieren können.

Daniel meint: „Gerade bei so einem kapitalintensiven Thema aus der Forschung heraus ist eine Gründung nur mit öffentlichen Fördermitteln möglich. Die öffentliche Hand ist entsprechend daran interessiert, dass aus der Technologie auch ein tatsächliches Produkt wird.“ Sieben Jahre Forschung am DLR sind in die Entwicklung eingeflossen, die einzigartige Sensortechnologie ist mittlerweile patentiert. Für die Nutzung  zahlt das Startup eine Lizenzgebühr; das DLR wird  an künftigen Umsätzen beteiligt. In Kürze läuft die öffentliche Förderung  aus — dann heißt es für tacterion, auf eigenen Beinen zu stehen.

Und wie läuft es mit weiterer Unterstützung?

Es schaut gut aus:  Seit der Ausgründung musste das Startup noch keine Miete zahlen. Zuerst durch den Accelerator Techfounders unterstützt, schloss sich nahtlos die Förderung im  LMU EC Lab an. Auch das Coaching und die Vernetzungsangebote sind viel wert, beispielsweise durch den Cashwalk der LMU oder bei MUST.

„Es gibt viele Möglichkeiten und wir nutzen die auch. In München schaut niemand nur auf sich -– da wird sehr viel getan. Wir sind sehr dankbar“,  sagt Daniel. Und im Vergleich zu anderen Städten? „Es ist vielleicht etwas ruhiger als Berlin, aber mit mehr Substanz dahinter. Für uns als Hardware Startup finden wir in München das ideale Umfeld.“

Der Status-Quo —  Technologiereife vorantreiben

Lange Entwicklungszeit und ein noch längerer Vorlauf, um den ersten Industrie-Kunden zu gewinnen. Nach einem Pilotprojekt mit Festo, einem Industriepartner aus der Steuerungs- und Automatisierungstechnik, der über Techfounders kam,  müssen die Gründer nun zeigen, dass sie große Stückzahlen in immer gleich hoher Qualität liefern können.  

„Wir   haben  schon ein gutes Standing: Wir werden wahrgenommen, die Tech Scouts der Firmen kommen auf uns zu.“ Das ist die eine Seite. „Aber es ist nochmal was anderes, wirklich Kunden zu gewinnen und Unternehmen zu finden, die sagen: ja, wir trauen Euch zu, nächstes Jahr 100.000 Sensoren zu liefern“, ergänzt Daniel. Daran arbeiten die Gründer aktuell — konkreten Tests halten die Sensoren stand, auch über harte Belastungen hinweg.

Die tacterion Sensoren sind robust und extrem elastisch
Detailaufnahme des Sensoraufbaus (© tacterion)

Für ein namhaftes Industrieunternehmen (das noch nicht genannt werden darf, Anm. d. Red.) hat das Startup bereits gezeigt, dass es dessen Geräte mit tacterions Sensoren berührungsempfindlich machen kann. Und sobald dieser Vertrag erst unterschrieben ist,  ist sich Daniel sicher: den zweiten, dritten Kunden gewinnen, das wird dann einfacher.

Die Zukunft — 2018 in den Geschäften

Und wo soll es hingehen? „Wir gehen dahin, wo der Markt zieht. Dabei planen wir selektiv und beurteilen: was ist aus der Startup Perspektive sinnvoll? Wenn wir an die Fertigung denken heißt das: Was können wir mit der einen Fertigungs-Anlage noch an Kunden bzw. Segmenten bedienen“, erklärt Daniel.

Aktuell richtet sich tacterion an drei ausgewählten Branchen für das B2B bzw. B2B2C Geschäft aus, unter anderem Wearables, Virtual Reality und Handheld-Equipment. Also beispielsweise dank des komplett biegbaren Sensors  Bedienelemente in Kleidung einzubauen, ohne dass diese sich versteift; oder in der  virtuellen Welt Objekte konkret anfassen zu können.

Die Vision: Niemand muss mehr eine Bedienungsanleitung lesen. Künftig geht es nur noch darum, das Gerät anzufassen — und das Objekt weiß dank der sensiblen taktilen Sensoren dann schon, was der Nutzer will. Die Technologie passt sich dem Menschen an und nicht umgekehrt.

Wie flexibel und elastisch die Sensoren sich verformen lassen, ist beeindruckend (Quelle: tacterion)
Die Sensoren lassen sich flexibel verformen (© tacterion)

Konkret heißt das: 2018 sollen Serienprodukte mit integrierter SensorSkin im Laden erhältlich sein.  Praktisch ist dabei, dass die Größe der Sensoren nach oben hin skalierbar ist, und die Produktionsanlage für differenzierte Anforderungen ganz  unterschiedlicher  Kunden umrüstbar. Darüber lassen sich wunderbar Skaleneffekte erzielen.

Und hat tacterion einen Rat für andere Gründer?

In Hightech-Startups dauert vieles länger — die Entwicklung des Produkts, die Tests, die Kundengewinnung im B2B Bereich. „Das ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Mein Tipp: Die Ruhe bewahren und die langfristige Perspektive sehen, auch wenn kurzfristig mal nicht alles klappt! Da ist wichtig, sich zu sagen: nicht lange, dann stehen wir wieder ganz woanders,  empfiehlt Daniel.

Wohin die Reise geht und wo tacterion in ein paar Monaten steht, ob  das Startup dann Miete  zahlt, wann der erste Kunde   einen Vertrag unterschreibt –wir sind gespannt und werden berichten.