fos4X: Wie ein Münchner die Windenergie revolutioniert

In der Windenergie wird, wie in vielen anderen Branchen, die nächste Welle der Innovation von Sensoren und Informationen getrieben. Wir haben mit dem jungen Münchner High-Tech Unternehmen fos4X gesprochen, das mit seiner „Rotor Blade Sensing“-Technologie und Software die Basis für diese Entwicklung liefert.

Die Digitalisierung der Energiebranche schreitet zügig voran. Der Bedarf an sauberem Strom wird nicht zuletzt mit der Elektromobilität weiter stark steigen. fos4X will diesen Wandel mit seinen Lösungen aus der faseroptischen Messtechnik mitgestalten. Denn in der Windbranche sind die klassischen Wege zur Ertragsoptimierung durch Kostensenkung und Effizienzsteigerung weitestgehend ausgeschöpft. Mit Sensorik wird in Windkraftanlagen zwar gearbeitet, jedoch gibt es da, wo der Wind die Anlage trifft, kaum serienmäßig Sensoren.

fos4x gründer hoffmannfos4X-Gründer Lars Hoffmann meint:

„Wir gehen davon aus, dass in einigen Jahren jedes neue Rotorblatt schon ab Werk mit einer Vielzahl an Sensoren ausgestattet sein wird. Es handelt sich also um einen ohnehin dynamischen Markt mit einer sehr dynamischen Nische.

Und wir haben eine fantastische Ausgangsposition in ebendieser Nische.“

Optimierung der Windparks durch Sensorik sowie Software

Aufgrund von Blitzschlag und hohen mechanischen Belastungen ist es eine schwierige technische Aufgabe, Informationen direkt am Rotorblatt zu erhalten, also dort, wo die Lasten auftreten. Noch schwieriger ist es, für die gesamte Lebensdauer von über 20 Jahren in einer Windkraftanlage zuverlässig und präzise zu messen.

Der Gründer geht davon aus, dass sein Unternehmen einer der Hauptplayer in dieser Nische sein wird, denn fos4X kann die technischen Herausforderungen lösen, und zwar kostengünstig und gleichzeitig zuverlässig. Neben der Sensorik – der Hardware – bietet das Münchner Tech-Unternehmen auch Edge Computing Software. Die Auswertung der Daten erfolgt auf Basis von Algorithmen, die auf der Anlage selbst die erfassten Daten analysiert, Informationen generiert und daraus Handlungsanweisungen erzeugt, also die Anlage steuert.

Kostenersparnis und zuverlässige Messungen

An einem Beispiel erklärt: Wenn sich im Winter Eis an den Rotorblättern bildet, dürfen Anlagen wegen der Gefahr von Eisabwurf nicht mehr betrieben werden. Wenn das Eis abgeschmolzen ist, kann die Anlage wieder Geld verdienen. Automatisch geht das aber nur, wenn man direkt am Blatt die Eismasse erfassen kann. Wie das funktioniert? Lars Hoffmann erläutert:

„Wir tun das anhand der charakteristischen Schwingungseigenschaften der Rotorblätter. Damit kann die Anlage automatisch sicher abgeschaltet und wieder in Betrieb genommen werden. Mit dieser Anwendung alleine erwirtschaften viele Turbinen mit unserer Lösung mehr als 10.000 Euro pro Winter zusätzlich.“

Von München aus schnell beim Kunden

Am Unternehmenssitz südlich der Brudermühlstraße können die Entwickler im großzügigen Innenhof das Schwingungsverhalten der Rotorblätter und die firmeneigene Sensortechnik direkt testen. Gleich daneben ist das Labor, wo die Sensoren fit gemacht werden für die Windenergieanlagen und das Firmenlager, von dem aus die Sensoren in die ganze Welt verschickt werden.

Beschleunigungssensor von fos4X

Ob München ein so günstiger Standort für ein Unternehmen der Windenergie-Branche ist? Zwar hat kein einziger Kunde von fos4X hier seinen Firmensitz, dafür ist man von München aus schnell bei den Kunden in Hamburg, China oder Nordamerika. Ein gutes Dienstleister-System garantiert den Kunden schnellen Service. In Deutschland hat das erfolgreiche Jungunternehmen bis Ende 2017 bei allen drei Windkraftanlagenherstellern seine Produkte in der Serie, die großen internationalen Anlagenhersteller folgen 2018. Also alles machbar von München aus. Außerdem sind die Zulieferer nah. Und ein großer Talent-Pool mit hochausgebildeten Ingenieuren ist verfügbar, aus dem viele gute Mitarbeiter zum Unternehmen gestoßen sind.

Profitieren von der einmaligen Finanzierungslandschaft

Nicht zuletzt ist die Finanzierungslandschaft in München herausragend. Hiervon profitierte auch fos4X stark. Bereits seit 2005 forschte das Gründerteam an der TU München am Institut für Messsysteme und Sensortechnik im Bereich optischer Messtechnik. Lars Hoffmann ging nach seiner Promotion zu einer Beraterfirma, stieß aber 2010 zur Ausgründung wieder zum Team. Die Gründung wurde zu Beginn gefördert durch Exist-Forschungstransfer.

2012 legte das Startup richtig los. Zu diesem Zeitpunkt hatte es durch den High-Tech-Gründer-Fonds (HTGF), Bayern Kapital, Unternehmertum Venture Capital Partners sowie Business Angels die nötige Seedfinanzierung von 800.000 Euro erhalten. Anfangs bestand das Gründerteam aus vier Personen, zwei eher technisch orientierte Gründer, ein Informatiker und Lars Hoffmann, der BWL studiert hatte.

Die Gründer entwickelten das Produkt am Markt entlang, Schritt für Schritt. Ebenso schrittweise folgte eine Finanzierungsrunde auf die nächste: Mitte 2013 erfolgte die zweite Finanzierung, mit 1,4 Mio. Euro, bei der die Unternehmertum Venture Capital Partners als Hauptinvestor tätig wurden. Zwei Jahre darauf, 2015, kam eine erneute Finanzierungsrunde mit insgesamt 2,7 Mio. Euro zustande, bei der die Falk Strascheg Holding GmbH neben anderen Investoren Hauptinvestor wurde.

Die Finanzierungen waren wichtige Meilensteine für das Jungunternehmen. Hierdurch konnten einerseits die Markterschließung, andererseits auch die Produktinnovationen vorangetrieben, und gleichzeitig auch die Business Operations ausgebaut werden. Erfolgreich. Denn 2016 lag der Jahresumsatz bei 3,1 Mio. Euro, bislang hat das Jungunternehmen seinen Umsatz Jahr für Jahr verdoppeln können.

Teamerfolge, Etappenziele und Durchhaltevermögen

Zwar war der Gründer stets optimistisch, was den Erfolg seiner Firma angeht. Auf die Frage, was eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ausmache antwortet Lars Hoffmann:

„Ein Startup aufzubauen heißt, sich mit ständiger Unsicherheit auseinander zu setzen. Wem das nicht liegt, der sollte gleich die Finger davon lassen. Aber auch wenn man eine dicke Haut hat, helfen die folgenden drei Ratschläge:

  • Teile die Erfolge und vor allem auch die Niederlagen mit Deinem Team,
  • setze Dir Etappenziele anhand derer Du die Entwicklung des Unternehmens möglichst objektiv messen kannst und
  • mach Durchhaltefähigkeit zu einem Deiner Kernprinzipien.“

„Wir waren ein echt gutes Team“

Anders als seine Gründerkollegen folgte er auch dem letzten Punkt. Denn vom ursprünglichen Gründerteam ist heute nur noch einer übrig, unser Interviewpartner Lars Hoffmann. Er sagt:

„Wir waren ein echt gutes Team, um die ersten Schritte zu machen.“

Also die ersten Prototypen zu bauen, das Technologierisiko rauszunehmen, den Markt kennenzulernen, Kunden zu adressieren sowie Kundenwünsche zu verstehen und diese auch umzusetzen.

Als es aber darum ging, wirklich operativ zu arbeiten, verließ der erste Gründer das Team. Die beiden weiteren Mitgründer gingen vergangenes Jahr, um ihre Stärken, die sie in der frühen Unternehmensphase sehen, zu nutzen – sie gründeten gemeinsam eine neue Firma.

Ein Mutmacher: Jede Veränderung eine Chance

„Mit ein bisschen Abstand beleuchtet ist die Geschichte lehrreich“, sagt Lars Hoffmann heute. Persönlich war es allerdings eine sehr bewegende und schwierige Phase. Er verlor seine wichtigsten Weggefährten, mit denen er die Höhen und Tiefen der Anfangszeit erlebt hatte. Glücklicherweise gibt es im heute 50-köpfigen Team mehrere Mitarbeiter, die fast seit Anfang an dabei waren, und die nun das Management-Board gemeinsam mit Gründer Hoffmann bilden. Lars Hoffmann erkennt mittlerweile:

„Jede Veränderung, auch im Gründerteam, kann zum Positiven genutzt werden. Man sollte das als Chance begreifen. Der Weggang der anderen war für uns keine Schwäche, sondern ein Schritt zur Professionalisierung. Das ist ein Mutmacher, den ich weitergeben kann.“

Schließlich ist es ganz normal, dass sich ein Gründerteam reibt, auch streitet. Und genauso kann es sein, dass sich ein Team trennt. Für ihn stand jedoch nicht zur Debatte, selber auszusteigen. Denn:

„Die Perspektive von fos4X war und ist hervorragend. Ich glaube, keiner von uns vier Gründern hat je ernsthaft daran gezweifelt. Sonst wäre die Geschichte vermutlich anders verlaufen.“

fos4x windenergie anlage

Hochinnovativ – monatlich wird ein Patent angemeldet

Was der Jungunternehmer erzählt, klingt überzeugend. Nicht zuletzt über 80 angemeldete, davon über 20 erteilte Patente zeigen den Innovationsreichtum des Unternehmens. Im Schnitt wird jeden Monat ein Patent angemeldet. Hausinterne Innovationsworkshops bringen Erfindungen in allen Bereichen zutage – aus Hardware, Software und im Service. Lars Hoffmann ist stolz auf die Erfinderkultur seines Unternehmens. Es ist aber auch Kalkül dabei. Die Patente sichern die Nische, das Unternehmen positioniert sich gegenüber den großen Playern am Markt und natürlich auch für einen potentiellen Exit.

Auf Nachfrage erklärt Hoffmann:

„Als VC-finanziertes Unternehmen geht es darum, den Unternehmenswert zu steigern. Unsere Gesellschafter wollen ihre Anteile schließlich irgendwann verkaufen. Mir persönlich macht das, was wir tun, total Spaß. Eine eigene Unternehmenskultur aufzubauen und bestimmte Ziele zu erreichen. Ob das nun die schwarze Null ist oder die 10 Mio. Euro Umsatzmarke zu knacken.“

Und schiebt nach:

„Aber wenn das Spiel so ist, dass irgendwann die Anteile verkauft werden, dann spielen wir das natürlich.“

Das hat allerdings noch Zeit. Dieses Jahr strebt das Unternehmen an, Cash-Flow-neutral zu sein. Und aus dieser guten Ausgangsposition heraus könne noch mal eine Wachstumsfinanzierung kommen, so der Jungunternehmer. Denn es soll nicht bei der Erschließung des Windenergiemarkts alleine bleiben.

„Wir haben mit unserer Messtechnik und mit unserer Software gute Chancen, auch außerhalb der Windenergie einen Unterschied zu machen. Wir könnten die digitale Transformation der gesamten Energietechnik begleiten – von Energiemanagement bis hin zur Nutzung in Form von Elektromotoren und Energiespeichersystemen.“

Denn die faseroptische Messtechnik wird überall dort Vorteile gegenüber herkömmlichen elektrischen Sensoren bieten, wo Magnetfelder, hohe Spannungen und Ströme oder große Entfernungen eine Rolle spielen, so Hoffmann. Bereits in diesem Jahr wird das junge Erfolgsunternehmen seine Technologie erstmalig auch in der Elektromobilität einsetzen.

Wir sind gespannt, wo die Unternehmensreise hingeht. Eines ist jedenfalls klar: Langweilig wird es dem Gründer und seinen rund 50 Mitarbeitern bei fos4X sicher nicht.