Munich Startup: Welchen bisherigen Karriereweg hast Du?
Julia Seiss, Gründerin von Jambo und Geschäftsführerin bei Testando: Ich habe das Gymnasium nach der 9. Klasse verlassen, um eine Ausbildung zur Hotelfachfrau zu machen. Nach meiner Ausbildung in Hamburg habe ich einige Jahre in Frankreich, China und den Niederlanden gearbeitet, bevor ich nach München zurückgekehrt bin und unter anderem bei der Paulaner Brauerei Gruppe tätig war. Neben meinem Job habe ich meine Hochschulzugangsberechtigung nachgeholt, ein Bachelor- und Masterstudium absolviert und schließlich bis 2021 an der Edinburgh Napier University in Schottland promoviert. 2024 war ein spannendes Jahr für mich, denn hier habe ich Jambo gegründet und die Geschäftsführertätigkeit bei Testando aufgenommen.
Inklusiver Arbeitsplatz für SeniorInnen
Munich Startup: Was hat Dich zur Gründung motiviert?
Julia Seiss: In den letzten Jahren habe ich in meinem Umfeld immer wieder gesehen, wie sehr Altersarmut und Einsamkeit unterschätzt werden. Gerade in einer Stadt wie München, wo das Leben teuer ist und die sozialen Netzwerke oft brüchig werden, fühlen sich viele ältere Menschen abgehängt – emotional und finanziell. Mit Jambo möchte ich genau hier ansetzen. Unsere Mission ist es, SeniorInnen einen inklusiven Arbeitsplatz zu bieten, wo sie nicht nur ihre Rente aufbessern, sondern auch Teil einer Gemeinschaft werden, die ihnen Wertschätzung und Freude bringt. Durch die handgefertigte, nachhaltige Mode, die sie nähen, fördern wir nicht nur ein bewusstes Konsumverhalten, sondern auch den Dialog zwischen den Generationen.
Meine Geschäftsführertätigkeit bei Unternehmen wie Testando hat mich zusätzlich inspiriert. Dort sehe ich täglich, wie Unternehmen „funktionieren“ und welche Herausforderungen – aber auch Chancen – eine Gründung mit sich bringt und dazu gehört auch, soziale Verantwortung mit der unternehmerischen Tätigkeit zu verbinden.
Munich Startup: Was hättest Du gerne vor Deiner ersten Gründung gewusst?
Julia Seiss: Dass vieles oft länger dauert als geplant und Unsicherheiten völlig normal sind. Man lernt, mit diesen Herausforderungen umzugehen und auch an ihnen zu wachsen. Besonders in der Textilbranche ist Netzwerken und Pressearbeit nochmal ganz anders als in den Bereichen, in denen ich mich gut auskenne. Es wäre hilfreich gewesen, diese Unterschiede von Anfang an besser zu kennen.
Munich Startup: Wie ist Dein Unternehmen bislang finanziert?
Julia Seiss: Jambo wurde bisher über Eigenkapital finanziert. Zusätzlich helfen Kooperationen und lokale Unterstützungen dabei, das Projekt weiterzuentwickeln. Besonders stolz sind wir, Teil des Munich Impact Incubators zu sein. Diese tolle Initiative der Stadt München bringt uns nicht nur Förderung, sondern auch Vernetzung und Ressourcen, die uns stark unterstützen.
Perspektivwechsel für neue Impulse
Munich Startup: Wann und wo bekommst Du die besten Ideen?
Julia Seiss: Die besten Ideen kommen meistens, wenn ich in der Natur bin oder auf Reisen. Ein Perspektivwechsel gibt mir neue Impulse und beflügelt meine Kreativität. So ist auch die Idee für Jambo entstanden. Außerdem finde ich den Austausch mit anderen extrem wichtig.
Munich Startup: Was sind Deine 3 liebsten Arbeitstools?
Julia Seiss: Canva ist ein Muss, weil ich damit richtig kreativ arbeiten kann. Auch diverse KI-Tools nutze ich gerne, um Social Media Posts zu kreieren, Ideen zu entwickeln oder Texte zu schreiben. Und dann ist da natürlich noch unser tolles Backend bei Testando, das unsere Gesellschafter selbst programmiert und über die Jahre perfektioniert haben, sodass wir unseren KundInnen schnell und kompetent Mystery-Checks zur Verfügung stellen können.
Munich Startup: Dein Top-Tipp zum Thema “Pitchen”?
Julia Seiss: Die Leidenschaft und den Mehrwert des Projekts ins Zentrum stellen. Ein authentisches Beispiel macht den Pitch greifbarer und weckt Interesse. Wichtig ist, sich selbst treu zu bleiben, denn das vermittelt Glaubwürdigkeit.
„Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung werden wichtiger“
Munich Startup: Erscheint es Dir gerade als eine gute Zeit, um zu gründen? Warum?
Julia Seiss: Ja, auf jeden Fall! Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung werden immer wichtiger, und es gibt zunehmend Unterstützung für Projekte, die echte Werte schaffen. Zudem ist der Bedarf an fair bezahlten Jobs in Großstädten wie München enorm – wir sehen hier eine Chance, Menschen durch Beschäftigung finanzielle Stabilität zu bieten. Dazu kommt, dass in der Textilbranche gerade bei vielen Menschen ein Umdenken stattfindet: Fast Fashion war gestern.
Munich Startup: Auf welche Technologie oder Branche würdest Du bei Deiner nächsten Gründung setzen?
Julia Seiss: Auf digitale Bildungs- oder Integrationslösungen. Besonders für ältere Menschen gibt es noch viel Potenzial für nutzerfreundliche Tools, die ihnen den Zugang zur digitalen Welt erleichtern.
Munich Startup: Was könnte aus Deiner Sicht am Gründungsstandort München noch verbessert werden?
Julia Seiss: Es wäre hilfreich, wenn die lokale Presse sozialen Unternehmen noch mehr Beachtung schenken würde. Jambo wird oft als profitorientiertes Unternehmen angesehen, dabei geht es uns primär darum, zu einer inklusiven Gesellschaft beizutragen. Mein Haupteinkommen beziehe ich weiterhin aus meinem „Hauptjob“ und sehe Jambo als eine Möglichkeit, etwas für die Gesellschaft zu tun. Was ich wiederum sehr gut finde, ist, dass die Stadt München GründerInnen mit vielen Programmen, wie zum Beispiel dem Munich Impact Incubator, unterstützt!
Munich Startup: Welchen Gründer oder welche Gründerin würdest Du gerne einmal persönlich treffen? Und was würdest Du sie oder ihn fragen?
Julia Seiss: Ich habe in den letzten Monaten durch Netzwerke und Events so viele inspirierende GründerInnen kennengelernt, dass ich schwer sagen kann, wie man das noch übertreffen könnte. Die erste Frage, die ich fast immer stelle, ist: Wie bist du auf deine Idee gekommen? Viele dieser GründerInnen beeindrucken mich mit ihrer Kreativität und ihrer Fähigkeit, neue Wege zu gehen.