Munich Startup: Was macht Curevision? Welches Problem löst Ihr?
Richard Fobo, Gründer und Geschäftsführer: Curevision hat ein innovatives System entwickelt, das die Wundanalyse revolutioniert.
Über 20 Millionen Menschen weltweit leiden unter chronischen Wunden und jede vierte Familie hat einen Angehörigen mit einer chronischen Wunde. Diese Wunden sind nicht nur schmerzhaft, sondern auch langwierig und belasten das Gesundheitssystem jährlich mit über 150 Milliarden Euro. Die aktuelle Wundbewertung erfolgt oft durch visuelle Inspektion und die Verwendung von Papierlinealen – ein subjektiver und zeitaufwendiger Prozess, der zu Fehldiagnosen und falscher Behandlung führt. Tatsächlich erhalten 50 Prozent der PatientInnen nicht die richtige Therapie.
Hier setzt unsere Lösung an: Mit unserer KI-gestützten Technologie können medizinische Fachkräfte in nur zwei Klicks präzise Daten erfassen – von der Wundgröße und -tiefe über Gewebetypen bis hin zur Temperatur. Das spart bis zu 90 Prozent der Zeit, entlastet das Pflegepersonal und sorgt so für eine deutlich effizientere und präzisere Wundversorgung.
Curevision: Hochpräzise, benutzerfreundlich und schnell
Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!
Richard Fobo: Es gibt bereits Smartphone-Lösungen über Apps, doch diesen fehlen die Sensoren, um beispielsweise die Temperatur zu erfassen. Andere Hardwarelösungen sind meist spezialisierte Geräte, die sich auf einen einzelnen Wundparameter fokussieren – zum Beispiel nur die Oberflächenmessung der Wunde. Dadurch sind mehrere Geräte nötig, um alle wichtigen Parameter zu erfassen und die Wunddokumentation abzuschließen. Das bedeutet höheren Aufwand, mehr Zeit und höhere Kosten für die KundInnen. Aber die KundInnen benötigen alles in einem: hochpräzise, benutzerfreundlich und Ergebnisse in nur wenigen Sekunden.
Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory?
Richard Fobo: Unsere Gründungsgeschichte begann 2020, als wir darauf aufmerksam wurden, wie der Heilungsfortschritt bei chronischen Wunden getrackt wird – nämlich mit Papierlinealen. Nachdem uns die Tragweite des Problems, das damit verbunden ist, bewusst wurde, gründeten wir 2021 Curevision. Wir wurden sehr früh durch das Münchner Ökosystem unterstützt, insbesondere durch das Strascheg Center for Entrepreneurship. Nachdem wir dann das Exist-Gründerstipendium bekommen haben, konnten wir richtig loslegen.
„Röntgengerät für die Hosentasche“
Munich Startup: Was waren bisher Eure größten Herausforderungen?
Richard Fobo: Eine der größten Herausforderungen war es, die vielfältigen Anforderungen aus der Praxis in eine kompakte und benutzerfreundliche Lösung zu integrieren. Von Anfang an haben uns Pflegekräfte und ÄrztInnen klargemacht: unsere Lösung bietet einen riesigen Mehrwert und wird dringend gebraucht. Aber gleichzeitig wurde uns auch immer zu den ersten Prototypen gesagt: „Bitte kleiner, bitte leichter, bitte handlicher“. Das war fast die Quadratur des Kreises, wir haben das oft mit der Forderung nach einem „Röntgengerät für die Hosentasche“ verglichen. Dass es uns nun genau so gelungen ist, wie die KundInnen das von Anfang an vorgestellt haben, das macht uns richtig stolz. Und freut Pflegekräfte und ÄrztInnen.
Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren?
Richard Fobo: Wir haben natürlich Ziele aus unseren Businessplänen. Aber unser wichtigstes Ziel ist, dass so viele PatientInnen mit Unterstützung von Curevision versorgt werden, wie möglich. In Pflegeheimen, ambulanten Pflegeeinrichtungen, bei spezialisierten WundversorgerInnen, Praxen und in Kliniken. In Deutschland sind wir auf einem guten Weg, in Europa haben wir gerade erst mit dem Ausbau begonnen.
„Wir sind den Partnern […] sehr dankbar“
Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt?
Richard Fobo: München hat sich für uns als der perfekte Standort herausgestellt. Die Unis und Hochschulen in München sind ein sehr guter Nährboden für Tech-Startups. Die Venture Labs der TUM und das Strascheg Center for Entrepreneurship tragen zur Vernetzung der Startups bei. Dazu kommt das Münchner Technologie Zentrum MTZ, das fantastische Bedingungen für Startups bietet. Und die Unterstützung durch das BioM-Netzwerk, die bayerischen Programme wie Bayern Innovativ und natürlich Baystartup. Wir sind den Partnern, die uns unterstützen, sehr dankbar.
Munich Startup: Hidden Champion oder Shooting Star?
Richard Fobo: Ist das ein „entweder – oder“? Wir wurden kürzlich mit dem Health-i Award von der Techniker Krankenkasse und dem Handelsblatt, mit dem Eugen-Münch Preis der Rhön-Stiftung und dem Innovationspreis Bayern ausgezeichnet – aber macht uns das zum Shooting Star?
Chronische Wunden sind jedenfalls oft in der öffentlichen Wahrnehmung nicht so präsent, obwohl die PatientInnen und Angehörigen sehr darunter leiden, oft über Monate und Jahre. Insofern trifft hier das „hidden“ zu. Erfreulicherweise gibt es immer mehr fantastische Startups, Verbände und Versorger, die dieses wichtige Thema mehr in die Öffentlichkeit bringen. Denn nur gemeinsam haben wir die Chance, die stille Epidemie chronischer Wunden zu überwinden.