Munich Startup: Was macht Ease? Welches Problem löst Ihr?
Christina Harbauer: Wir bieten eine Lösung für manuelle Arbeitsplätze, die sich nicht automatisieren lassen und auch in Zukunft noch auf die menschliche Flexibilität angewiesen sind. Mit unserem einzigartigen Exoskelett unterstützen wir Arbeiterinnen und Arbeiter in Logistik und Produktion. Für unsere Kunden bedeutet das: höhere Produktivität, gesündere Belegschaft und allgemein ein besseres Arbeitsklima. Das spart Kosten und bringt höhere Produktivität dank ermüdungsfreiem Arbeiten!
Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!
Christina Harbauer: Wir setzen genau da an, wo andere Exoskelette aufhören. Unsere Exoskelette sind speziell auf die Bedürfnisse der Arbeitsplätze und Menschen ausgerichtet. Dazu haben wir hunderte von Arbeitsplätzen analysiert, mit den Menschen, die dort arbeiten, geredet und sogar selbst dort für längere Zeit gearbeitet. So konnten wir ein System entwickeln, das Heben und Tragen von Lasten auf eine Art und Weise unterstützt, wie kein anderes. Das bestätigen uns auch unsere EndanwenderInnen. Unser System unterstützt sowohl Rücken als auch Arme – die Körperteile, die an relevanten Arbeitsplätzen am häufigsten in der Krankenstatistik auftauchen.

Außerdem verwenden wir eine Intentionserkennung, eine Künstliche Intelligenz (KI), die blitzschnell auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer reagiert und die Unterstützung anpasst. Dadurch kann sich der oder die ArbeiterIn voll auf die Arbeit konzentrieren und merkt gar nicht, dass sie ein Exoskelett trägt. Somit schlagen wir mit unserem Exoskelett die Brücke zwischen dem Menschen und der menschfokussierten Industrie 5.0. Praktisch das Rundum-Sorglos-Paket für alle, die wissen, dass menschliche Flexibilität auch in der Zukunft eine wichtige Rolle in unserer Wertschöpfung spielt.
Ease: Aus der Forschung für die Praxis
Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory?
Christina Harbauer: Seit 2017 forsche ich an dem Thema Exoskelette für den Einsatz in der Industrie am Lehrstuhl für Ergonomie der TUM. Zunächst als reine Forschungsplattform habe ich mit meinem damaligen Kollegen und jetzt Mitgründer Martin einen Laborprototypen entwickelt, der sich komplett auf die Bedürfnisse der Menschen in den Arbeitsplätzen fokussiert. Dabei sind auch, noch als Studenten, unsere Mitgründer Peter und Noah zum Projekt hinzugekommen.
Bei Analysen mit ExpertInnen aus der Industrie haben wir sehr gutes Feedback bekommen und wurden sogar gefragt: „Wann können wir das endlich kaufen?“ Daraufhin haben wir beschlossen, aus diesem Nebenprojekt ein Startup zu gründen und die Forschung in die Anwendung zu bringen. Die Letter of Intent (LoIs) potenzieller Anwender und ein erfolgreicher Antrag für den EXIST-Forschungstransfer gaben uns Recht, dass das ein Produkt ist, das wirklich am Markt dringend benötigt wird.
Munich Startup: Was waren bisher Eure größten Herausforderungen?
Christina Harbauer: Nutzerakzeptanz ist ein großes Thema bei Exoskeletten, jedoch sind die NutzerInnen nicht die, die Exoskelette kaufen. Die Piloten werden vom Management eines Unternehmens initiiert. Jedoch sind am Ende die Arbeiterinnen und Arbeiter auf dem Shopfloor diejenigen, die den Ausschlag geben, ob sich ein Exoskelett im Unternehmen etabliert oder nicht. Dieses Bewusstsein muss bei den Unternehmen geschaffen werden, was es zu einem sehr Sales-lastigen Thema macht. Das Erwartungsmanagement und die Prozessintegration müssen stimmen.
Bereits gescheiterte Versuche in der Vergangenheit können dazu führen, dass „verbrannte Erde“ sowohl bei den Kunden als auch bei Investoren herrscht. Aber dank unserer Forschung aus der Ergonomie kennen wir uns mit dem Thema Nutzerakzeptanz bei Exoskeletten sehr gut aus. Mit dieser Erfahrung können wir unsere Kunden bei der Einführung dieser neuen Technologie in ihre Prozesse und die Belegschaft individuell begleiten und den Erfolg des Einsatzes im Unternehmen sicherstellen.
Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren?
Christina Harbauer: Kürzlich konnten wir mit den ersten Unternehmen längere Testeinsätze im Feld erfolgreich durchführen und bekamen sehr gutes Feedback. Damit haben wir unseren Proof of Concept erreicht. Darauf aufbauend verhandeln wir gerade unsere ersten bezahlten Piloten für das nächste Jahr. In diesen setzen Unternehmen unsere Exoskelette für mehrere Monate ein und wir entwickeln gemeinsam mit ihnen die Systeme produktreif und zertifiziert weiter. Für die Co-Finanzierung des Pilotprojekts sind wir aktuell dabei, eine Seed-Round von 500.000 Euro und weitere öffentliche Finanzierung zu akquirieren. Um die kommenden Herausforderungen zu stemmen, brauchen wir außerdem Unterstützung im Team, weshalb wir unsere ersten zwei Key-Hires in Sales und Tech einstellen wollen.
In fünf Jahren haben wir unsere Produktion hoch skaliert und vertreiben unser Exoskelett und den individuellen Service über ein Händlernetzwerk international. Dazu werden wir unsere IoT-Schnittstelle etablieren und standardmäßig Echtzeit-Datenanalysen speziell für die Bedürfnisse unserer Kunden anbieten.
München als Deeptech-Standort mit Rückenwind
Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt?
Christina Harbauer: Als Startup erleben wir München als einen der besten Orte zum Gründen. Die Unterstützung hier ist hervorragend – von professionellem Coaching über moderne Prototyping-Möglichkeiten bis hin zu vielen günstig verfügbaren Büroräumen. Das Netzwerk ist breit aufgestellt und sehr aktiv: Man findet schnell Zugang zu erfahrenen Mentoren, engagierten Coaches und anderen Gründerinnen und Gründern. Die Nähe zur Technischen Universität München (TUM) bringt zusätzliches Know-how und Zugang zu Talenten. Besonders positiv fällt die gezielte Förderung von Gründerinnen und die Vielfalt an themenspezifischen Netzwerken auf. München bietet damit ein starkes, offenes und unterstützendes Ökosystem für Startups.
Munich Startup: Hidden Champion oder Shooting Star?
Christina Harbauer: Hidden Champion. Wir machen das Leben von Menschen besser, die im Hintergrund unsere Gesellschaft am Laufen halten: in Logistik, Produktion und zukünftig auch in Bereichen wie Pflege und Handwerk.