Mitte Oktober wurde bekannt, dass die rund 300 Patente von Lilium für etwa 18 Millionen Euro an das amerikanische Unternehmen Archer Aviation Inc. verkauft wurden. Der endgültige Untergang des einst so visionären Flug-Startups ist damit besiegelt. Denn mit dem Verkauf der Patente hat der amerikanische Konkurrent unter anderem das Design der Flugzeuge, Konzepte zur Batteriesteuerung und den Elektromotoren sowie vor allem zum Mantelpropeller des elektrischen Senkrechtstarters von Lilium erworben und will dieses in seinen eigenen Flugzeugen einsetzen.
Besonders bitter: Einst investierte Lilium 1,5 Milliarden Euro in die Entwicklung eines rein elektrisch betriebenen Flugzeugs. Ein Bruchteil bleibt davon noch übrig. Die Probleme waren vielschichtig. Doch schlussendlich hat es das bayrische Startup nie geschafft, seine Prototypen fertigzustellen. Der geplante bemannte Erstflug in Spanien fand nicht statt.
Auf den 6.000 Quadratmetern Fläche beim Sonderflughafen Oberpfaffenhofen zieht nun auch noch ein neuer Mieter ein. Quantum Systems will dort, wo einst am Flugtaxi geschweißt wurde, Drohnen bauen. Ein weiteres Indiz dafür, dass der Lilium-Jet Geschichte ist. Doch wie konnte es so weit kommen?
Rückblick: Vom Höhenflug zum Absturz
Als Lilium 2015 von vier Ingenieuren der Technischen Universität München gegründet wurde, klang die Vision geradezu revolutionär: ein elektrisch angetriebenes Flugzeug, das senkrecht starten und landen kann – ein sogenanntes eVTOL. Damit wollte das bayerische Startup nichts Geringeres als die urbane Mobilität der Zukunft neu erfinden. Die Idee fand schnell begeisterte Unterstützer: In kürzester Zeit sammelte Lilium über eine Milliarde Euro an Investitionen ein und galt als eines der vielversprechendsten Tech-Unternehmen Europas.
Mit dem Lilium Jet präsentierte das Unternehmen ein futuristisches Fluggerät, das leise, emissionsfrei und effizient zwischen Städten pendeln sollte. In Oberpfaffenhofen bei München entstanden Produktionsanlagen, hunderte Arbeitsplätze wurden geschaffen und Lilium schien auf dem besten Weg, Luftfahrtgeschichte zu schreiben.

Doch der Traum vom elektrischen Fliegen erwies sich als technisch und regulatorisch weitaus schwieriger als gedacht. Immer wieder verschoben sich Zeitpläne, die Zertifizierung durch die europäische Luftfahrtbehörde EASA blieb in weiter Ferne und die Entwicklungskosten explodierten. Während die Konkurrenz – etwa Archer oder Joby Aviation – in den USA an Tempo gewann, kämpfte Lilium mit Finanzierungsproblemen und hohen Verlusten.
Im Herbst 2024 schließlich folgte der Bruch: Zwei deutsche Tochtergesellschaften meldeten Insolvenz an, nachdem sich weder neue Investoren noch staatliche Bürgschaften finden ließen. Ein Jahr später war klar, dass die Geschichte des Münchner Flugpioniers in dieser Form zu Ende gehen würde.
Warum Lilium gescheitert ist
Das Scheitern von Lilium ist das Ergebnis einer Kombination aus technischen, finanziellen und strukturellen Problemen – und zugleich ein Lehrstück darüber, wie schwierig es ist, eine Luftfahrtrevolution aus einem Startup heraus zu stemmen.
Einer der zentralen Gründe liegt im technischen Konzept selbst. Lilium setzte von Beginn an auf eine besonders komplexe Bauweise: Der Lilium Jet sollte mit mehreren kleinen, elektrisch betriebenen Düsentriebwerken senkrecht starten und dann in den Horizontalflug übergehen. Diese Architektur versprach Effizienz und leises Fliegen, stellte sich in der Praxis aber als äußerst anspruchsvoll heraus. IngenieurInnen und BranchenexpertInnen warnten früh, dass die anvisierte Reichweite und Leistungsfähigkeit mit der verfügbaren Batterietechnologie kaum zu erreichen seien. Die Entwicklung dauerte länger als geplant, die Zertifizierung durch die europäische Luftfahrtbehörde EASA rückte in immer weitere Ferne.
Parallel dazu kämpfte das Unternehmen mit massiven Finanzierungsschwierigkeiten. Trotz Investitionen in Milliardenhöhe verschlang die Entwicklung enorme Mittel, ohne dass ein marktreifes Produkt in Sicht war. Lilium war auf kontinuierliche Kapitalzuflüsse angewiesen, doch das Vertrauen vieler GeldgeberInnen schwand, als sich Zeitpläne wiederholt verschoben. Eine erhoffte staatliche Bürgschaft über 50 Millionen Euro, die dem Unternehmen eine neue Finanzierungsrunde ermöglichen sollte, kam schließlich nicht zustande – ein schwerer Schlag, der den Handlungsspielraum drastisch einschränkte.
Auch regulatorische Hürden spielten eine entscheidende Rolle. Die Zertifizierung eines völlig neuen Flugzeugtyps ist ein langwieriger und teurer Prozess, bei dem jede Komponente geprüft und zugelassen werden muss. Das neuartige Antriebssystem von Lilium bedeutete, dass viele dieser Prozesse von Grund auf entwickelt werden mussten – ein Kraftakt, den selbst große Luftfahrtkonzerne kaum allein bewältigen.
Am Ende führte diese Kombination aus technischer Komplexität, Kapitalbedarf, Konkurrenzdruck und politischer Unsicherheit in die Insolvenz. Mit dem anschließenden Verkauf der rund 300 Patente an den amerikanischen Rivalen Archer Aviation wurde der Schlussstrich unter eines der ambitioniertesten Luftfahrtprojekte Deutschlands gezogen.