Das GIGA-Team: Guy Katz (FOM), Morten Edzards (SCE), Jonathan Glick, Tim Messerschmidt und Katharina Lindenthal (beide Google), v.l.n.r., Foto: Israelisches Generalkonsulat

So profitieren Tel Aviv und München voneinander

Der „German-Israeli Growth Accelerator“, kurz GIGA, soll die beiden Startup-Metropolen München und Tel Aviv näher zusammenbringen. Der israelische Vize-Generalkonsul in München Jonathan Glick betreut das Programm von israelischer Seite und beantwortete uns einige Fragen zu GIGA, Tel Aviv und München.

Jeweils zehn deutsche und israelische Studenten und Jungunternehmer entwickeln im Rahmen des dreimonatigen Programms ihre Gründungsideen. Abschließend pitchen die Teilnehmer vor Investoren in Tel Aviv. Das Programm wird initiiert vom Strascheg Center for Entrepreneurship (SCE) der Hochschule München, der FOM Hochschule und dem Generalkonsulat des Staates Israel. Google unterstützt die Initiative.

Lieber Herr Glick, was erwarten Sie sich von GIGA?

Wir sind optimistisch aber nicht überschwänglich. Vom ersten GIGA-Batch erwarten wir uns drei Dinge:

  1. Mindestens ein teilnehmendes Startup sollte weiterhin international arbeiten.
  2. Startups, die zwar am Programm teilgenommen haben, aber nicht weiter an ihrem Produkt arbeiten, engagieren sich in einem neuen Projekt oder Startup. Wer einmal vom Unternehmertum angefixt ist, bleibt sein Leben lang dabei!
  3. Wir wollen zeigen, dass großes Potenzial darin liegt, das unternehmerische Denken in Deutschland und Israel zusammenzubringen.

„Boom bei Cyber-Security hält an“

In welchen Feldern und Branchen sehen Sie das größte Potenzial für disruptive Startups in den kommenden Jahren?

„Jahre“ sind eine ganz schön lange Zeit in der Startup-Welt. Auf Jahre würde ich mich deswegen nicht festlegen lassen. 🙂

Aber meine Vorhersage für die nahe Zukunft: Ich glaube, der Boom bei Cyber Security wird anhalten. Einerseits, weil die Zahl der Cyber-Bedrohungen wächst und andererseits, da sich die Welt verändert — immer mehr Devices sind vernetzt und produzieren immer mehr Daten, die geschützt werden müssen.

Das führt zu einem weiteren Feld: AI und Big Data. Je mehr Devices vernetzt sind und Daten generieren, desto wichtiger wird die Datenanalyse. Der Unterschied zwischen rohen und wertvollen Daten liegt in der Analyse und AI.

Welche Erkenntnisse konnten Sie aus dem bestehenden Programm “Bavaria Israel Partnership Accelerator” (BIPA) ziehen und wie profitiert GIGA davon?

GIGA ist der nächste Schritt nach BIPA. Bei BIPA lernen Jungunternehmer und Studierende das „Startup-Feeling“ kennen. GIGA bringt die Teilnehmer auf das nächste Level, sozusagen Richtung Ziellinie: echtes Entrepreneurship.

Unsere wichtigste Erkenntnis aus BIPA ist, dass Deutsche und Israelis sehr unterschiedlich sind. Das, was uns unterscheidet, macht uns aber zugleich zu einem großartigen Team. Im Anschluss an BIPA glauben wir, dass sich Deutsche und Israelis ergänzen und langfristig Gewinnerteams bilden.

Internationales Flair verbindet München und Tel Aviv

Was haben die Startup-Städte Tel Aviv und München gemeinsam? Wie können die Startup-Szenen in den beiden Städten voneinander profitieren?

Als Tel Aviver und jetzt Münchner glaube ich, dass beide Städte vor allem ein internationales Flair gemeinsam haben. Da beides ökonomische Zentren sind und viele Expats anziehen, gibt es sowohl in München als auch in Tel Aviv einen starken internationalen Einfluss. Diese multikulturelle und internationale Atmosphäre ermöglicht Vielfalt und fördert das Unternehmertum.

Ich denke, Tel Aviv kann besonders von der industriellen Stärke Münchens und seiner Umgebung profitieren. Und ich glaube, München kann aus dem hochentwickelten Ökosystem in Tel Aviv und der allgemeinen israelischen Risikofreude seinen Nutzen ziehen.

Abgesehen von GIGA und BIPA — Wie denken Sie, können israelische und deutsche Firmen sich stärker vernetzen?

Auf der deutschen Seite denke ich, dass der Mittelstand stark von der israelischen Innovation profitieren kann. Mittelständler dominieren mit ihren großartigen Produkten den deutschen und häufig auch den internationalen Markt. Ich bin überzeugt, dass deutsche Mittelständler ihren Marktvorsprung weiter ausbauen können, wenn sie sich mit israelischer Innovation beschäftigen — sei es Analytics, Cyber oder ein anderer Bereich.

Israelische Firmen vernachlässigen Deutschland noch als Go-To-Market und sehen das Land eher als Teil des europäischen Binnenmarkts. Ich denke, das ist falsch, denn Deutschland bildet gemeinsam mit den anderen DACH-Ländern einen Markt mit ungefähr 110 Millionen Menschen — und natürlich wegen des großen Industriepotenzials von Kooperationen in Deutschland. Der wirtschaftliche Wert eines Go-To-Markets ist nicht auf die Absatzmöglichkeiten beschränkt. Der Wert erstreckt sich auch auf Joint Ventures, Joint R&D und M&A.

„Münchner wissen, wie man lebt“

Es gibt offensichtlich gewaltige Unterschiede beim täglichen Lifestyle in München und Tel Aviv. Was gefällt Ihnen am meisten am Leben in München? Was vermissen Sie vom Leben in Israel?

An München liebe ich, dass es so entspannt ist. Es gibt sehr wenig Verkehr, die persönliche Sicherheit ist hoch — und diese Parks! Neulich traf ich einen Israeli, der es gut ausgedrückt hat: Münchner wissen, wie man lebt.

Ich vermisse das Essen und den Strand von Tel Aviv. Tel Aviv ist eine sehr kulinarische Stadt, die Auswahl ist grenzenlos. Das Street Food in Tel Aviv ist fantastisch, probiert es aus!

Vielen Dank für das Interview!

Anmerkung: Wir haben das Interview auf Englisch geführt. Der englische Originaltext steht hier zum Nachlesen bereit.