Hawa Dawa: Luftreinheit für alle dank IoT und Smart Data

Das Münchner Startup Hawa Dawa widmet sich dem Thema Luftqualität. Wie passend, schließlich wird Luftreinhaltung gerade in München intensiv diskutiert. Hawa Dawa beschäftigt sich mit der Problematik bereits seit 2015. Wir haben mit dem CEO und Gründer, Karim Tarraf, gesprochen.

Auf Arabisch bedeutet das Wort „Hawa Dawa“ so viel wie Luftreinheit. So benannte der in Kairo aufgewachsene Karim Tarraf sein Projekt, aus dem er im Frühjahr 2015 beim „Think. Make. Start.“-Hackathon der TU München als Sieger hervorging. Damals war die Ausrichtung eine andere, der Prototyp ein tragbares Gerät für Asthmatiker. Aber bereits damals hatte der Gründer die Vision, mit flächendeckenden Luftqualitätsdaten in Städten Maßnahmen für bessere Luft- und mehr Lebensqualität umsetzen zu können.

Karim Tarraf, Co-Founder und CEO von Hawa Dawa.
Karim Tarraf, Co-Founder und CEO von Hawa Dawa.

Karim ist der Verwirklichung dieser Vision innerhalb der letzten drei Jahre sehr nah gekommen. Gemeinsam mit seiner Frau Yvonne Rusche (COO) und dem Ehepaar Dr. Birgit Fullerton und Matt Fullerton sowie Jannai Flaschberger (CTO) gründete er die Firma Hawa Dawa, „quasi ein Familienunternehmen“, wie Karim sagt. Auf dem gemeinsamen Weg zum Erfolg gab es etliche Gespräche und unzählige Iterationsschleifen, viele genommene Hürden, und wertvolle Unterstützung aus dem Startup-Netzwerk.  Erst kam die Aufnahme in den Inkubator des Fellowship-Programms „Eight Billion Lives“ und der Einzug in den Impact Hub München. Anschließend ging es ins Förderprogramm Climate KIC; direkt danach in das Xpreneurs-Programm, dann die Einladung in den Schweizer Kickstart-Accelerator.

Weniger Silo-Denken, mehr ganzheitliche Ansätze

Vor kurzem wurde das Startup im ESA BIC Inkubator aufgenommen und tüftelt nun an einer intensiven Verknüpfung des Produkts mit Satellitendaten. Außerdem wurde das Startup mit zahlreichen namhaften Auszeichnungen geehrt und war Preisträger verschiedener Bundeswettbewerbe, u.a. beim Wettbewerb „Digitale Innovationen“. Die Programme und Auszeichnungen ermöglichten nicht nur die Weiterentwicklung des Produkts, sondern erweiterten auch das Netzwerk der Gründer.

Nach einer langen Zeit des Bootstrappings lernten die Gründer dadurch die richtigen Investoren kennen – unter anderem unterstützen die erfahrenen Business Angel Bernd Wendeln, Heiko Erhardt und Alfred Möckel (letzterer war Business Angel des Jahres 2017) das Münchner Startup durch die Seedfinanzierung. Aus dem Kickstart-Accelerator im Sommer 2017 entstehen handfeste Kooperationen mit großen Playern der Schweizer Wirtschaft. Was das für das Unternehmen bedeutet, wollen wir vom CEO erfahren. Karim Tarraf sagt:

„Wir haben in der Schweiz letztes Jahr Umsätze im sechsstelligen Bereich  gemacht. Die erfolgreichen Pilotprojekte mit Partnern wie Swisscom und der Schweizer Post haben uns quasi über Nacht in die erste Liga der Smart City-Unternehmen katapultiert.“

Dem Gründer geht es jedoch um mehr:

„Weit über Luftqualitätsmessung hinaus geht es darum, Lösungen und neue Geschäftsmodelle für die Städte der Zukunft zu etablieren.“

Finanzierung, um Trendwende mitzugestalten

Hawa Dawa startet daher nun eine Funding-Runde und ist auf der Suche nach neuen Wegbegleitern, deren Herz für Smart Cities, Nachhaltigkeit und Internationalisierung schlägt. Denn der Markt öffnet sich für „Smart City“-Themen und mit einer neuen Finanzierungsrunde will das Münchner Startup ebendiesen Markt weiter erschließen.

Kommunen wie auch Privatwirtschaft erkennen, dass es Zeit ist für weniger Silo-Denken und mehr ganzheitliche Ansätze. Für diesen Trend entwickelt Hawa Dawa die passenden Produkte. Die Mitarbeiterzahl des jungen Unternehmens hat sich in den letzten eineinhalb Jahren verdreifacht. So kann das Cleantech-Startup intensiv das Produkt weiterentwickeln, seine Reputation festigen und sein tragfähiges Netzwerk noch stärker ausbauen.

Hawa Dawa kombiniert IoT mit AI und Machine Learning

Die CE-zertifizierte Lösung von Hawa Dawa sieht aus wie folgt: Das Startup liefert Echtzeit-Daten zur Luftqualität durch seine Kombination aus Hardware und Software. Kostengünstige, kompakte und bei Bedarf durch Solarenergie energieautarke Sensorboxen werden an verschiedenen Stellen der Stadt verteilt. Die dort gewonnenen Daten werden mittels Verfahren des maschinellen Lernens kalibriert, mit weiteren Daten wie Verkehrs- oder Wetterdaten kombiniert und über die KI-gestützte Software-Plattform durch smarte Algorithmen ausgewertet. So entsteht ein einzigartiges, flächendeckendes Live-Bild der Luftqualität, dessen Genauigkeit sich für viele Anwendungsfälle innerhalb der gesetzlichen Vorgaben für modellbasierte Messungen bewegt.

Kunden wie Kommunen, Telekommunikations- oder Logistikunternehmen können ausgehend von den gewonnen Echtzeit-Umweltdaten dann Maßnahmen gegen Luftverschmutzung und für bessere Verkehrsplanung, Klimastrategien oder Stadtplanung entwickeln.

„Uns geht es darum, die Brücke zwischen Luftqualität und Mobilität, Gesundheit und Stadtplanung zu schlagen. Wir gehen einen Schritt weiter in die Wertschöpfungskette der Kunden. Umweltdaten zu kaufen reicht nicht, es geht um wirtschaftlich und kommunalpolitisch sinnvolle und funktionierende Anwendungsfälle. Impact entsteht nur, wenn es ökologisch und ökonomisch funktioniert,“

so Karim. Daher bietet Hawa Dawa den Kunden auch Handlungsempfehlungen mit an, basierend auf Umweltdaten und konkreten Anforderungen. Ideen für innovative Features und intelligente Produkte haben die Gründer genügend. Auch die Stadt München ist ein Pilotkunde des Startups. Im EU-Projekt Smarter Together hat Hawa Dawa Messstationen im Projektgebiet Neuaubing, Westkreuz und Freiham aufgebaut, um hier Umweltdaten zu sammeln. Neben Smarter Together beschäftigt sich die Landeshauptstadt in weiteren Projekten wie City2Share oder Civitas Eccentric mit „Smart Mobility“-Themen. In letzterem installiert das Startup nun auch im Domagkpark und in der Parkstadt Schwabing Messboxen. Neben München zählt das Startup zusätzlich zu  internationalen Konzernen aktuell bereits vier weitere Städte zu seinen Kunden.

Messstationen in Neuaubing, Westkreuz und Freiham
Für das Projekt „Smarter Together“ hat Hawa Dawa Messstationen in Neuaubing, Westkreuz und Freiham aufgebaut.

Hawa Dawa will außerdem die Scheu vor Innovationen nehmen. Karim erklärt:

„Wir wollen Städte dazu bewegen, neue Wege einfach auszuprobieren. Auf Basis unserer Erfahrungen können wir Impulse liefern, die es leichter machen, den nächsten Schritt zu gehen.“

Produkte, die „nah am Nutzer“ sind

Und gleichzeitig will das Unternehmen eben auch nah am Nutzer sein. Will, dass die Daten tatsächlich Entscheidungen und Veränderungen bewirken. Dabei steht ein integrativer Ansatz im Fokus – also kein an den Pranger Stellen der „bösen“ Autofahrer beispielsweise, sondern das Aufzeigen positiver Alternativen, so der Gründer:

„Wir sehen uns als Speerspitze einer neuen Bewegung. Unsere Vision ist, Umweltdaten standardmäßig in Alltagsentscheidungen integrieren zu können. Wir wollen das zum Mainstream machen. Es soll Einfluss haben auf die täglichen Entscheidungen. Erst dann ist es auch nachhaltig. Erst dann können Städte auch zukunftsfähig sein.“

Hawa Dawa sieht Umweltdaten als Lego-Baustein für alle städtischen Aktivitäten, von der Veranstaltungsorganisation bis zur Verkehrsplanung. Implementiert entweder direkt durch das innovative Jungunternehmen oder durch die Kunden, die durch Hawa Dawa das richtige Werkzeug erhalten.

Wie sein Unternehmen sich weiterentwickeln wird, hängt für Karim vor allem vom Markt ab: Was der Nutzer braucht, wo tatsächlich der Pain sitzt. Für Hawa Dawa ist Feedback mit das Wichtigste für die Weiterentwicklung. Und am hilfreichsten ist das Feedback von Andersdenkenden. Karims Standpunkt:

„Du willst nicht nur in Foren sitzen, in denen alle gleich denken. Das beste Feedback kam von Leuten, die anfangs gesagt haben: Das wird nichts.“

Neben kontinuierlichem Feedback ist auch das Thema Nachhaltigkeit für die Gründer des Münchner Startups sehr wichtig. Karim Tarraf und Yvonne Rusche hatten sich bei ihrem früheren Job für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen kennengelernt. Auch hier hatten die beiden das Gefühl, etwas Sinnvolles zu machen. Aber den Impact durch Hawa Dawa, das Momentum – das hätten die Gründer in einem „normalen Beruf“ nie erreicht.

Impact sollte der Grund fürs Gründen sein

Wir wollen wissen, ob der gesellschaftliche Mehrwert mit ein Grund dafür war, zu gründen. Karim antwortet deutlich:

„Der Impact müsste der Grund sein, wieso man Wirtschaft macht, wieso man überhaupt gründet. Wirtschaft hat eine soziale Verantwortung. Den Impact sieht man. Und das hat mich motiviert, zu sagen: Ich will, ich muss auch etwas Eigenes aufbauen. Und etwas Internationales, wo man auch Entwicklungs- und Schwellenländer im Auge behalten kann.“

Denn auch die Schwellen- und Entwicklungsländer liegen dem Gründer und dem internationalen Team, das aus acht Nationen kommt, am Herzen. Dort liegt viel Potenzial, weil mehr als 100 Länder überhaupt keine Messstationen haben, da die komplexen Technologien teuer und primär für reiche Länder konzipiert sind. Daher ist für Hawa Dawa – nach dem ersten Schritt der Expansion in weitere EU-Länder – auch der nächste Schritt klar: Die kostengünstige Technologie skalierbar auch in Entwicklungs- und Schwellenländern einzusetzen. Durch das internationale Team und ihr großes Netzwerk bestehen bereits gute Kontakte.

Für Hawa Dawa ist es wichtig, eine übergreifende Lösung zu entwickeln. Denn, egal ob Entwicklungsländer oder entwickelte Länder, egal ob Autofahrer oder Radfahrer, Stadtbewohner, Städte oder Privatwirtschaft, Karim findet:

„Wir sitzen alle im gleichen Boot. Gemeinschaftliche Entwicklung kann nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen.“