Ein lockerer Plausch beim Feierabendbier und schon ist ein neuer Geschäftspartner oder Kunde gefunden — so unmittelbar läuft Networking leider nicht immer ab. Dennoch bietet der lockere Austausch viele Möglichkeiten. Wir haben Startup-Gründer gefragt, wie sie es mit dem Netzwerken halten.
Eine bekannte Business-Weisheit besagt, dass man nie alleine zu Mittag essen sollte. Selbst schwer beschäftigte Gründer sollten sich demnach von ihrer Arbeit losreißen und ein Businesslunch dem Snack vor dem Computer vorziehen. Die Idee dahinter: Wer erfolgreich sein will, braucht persönliche Kontakte und ein dichtes Netzwerk.
Besonders die Startup-Kultur betont den großen Nutzen des Netzwerkens. Sozusagen im Vorbeigehen können Gründer beim Mittagessen oder Feierabendbier ihren zukünftigen Kunden, Investor oder Mitarbeiter kennenlernen. Es schadet schließlich nie, möglichst viele Menschen zu kennen — wer weiß, was sich aus einem zufälligen Kontakt noch ergeben könnte?
Dementsprechend groß ist das Angebot an abendlichen Netzwerkveranstaltungen in Startup-Hubs wie München. Praktisch jeden Abend der Woche finden Meetups und Fireside Chats, Konferenzen und Stammtische statt. Das Münchner Startup Mystery Lunch hat das Mittagessen auch als internes Netzwerktools für große Unternehmen entdeckt und bietet einen Cloud-Service, der Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen mittels eines Algorithmus miteinander vernetzt. Beim gemeinsamen Mittagessen sollen sich die Angestellten kennenlernen und austauschen. Zu den Kunden des Startups gehören bereits die Allianz, O2, DHL, die Deutsche Bundesbank und Payback. Selbst Konzerne haben also offenbar den Nutzen des spontanen Plauschs erkannt.
Zeitfresser Netzwerken?
In der Spontaneität des Netzwerkens liegt aber auch sein größtes Problem: Networking kostet wertvolle Zeit, der Nutzen lässt sich aber kaum vorhersagen. Außerdem ist der lockere Austausch nicht jedermanns Sache. Introvertierte Menschen tun sich häufig schwer mit Small Talk. Andere verbringen die wenige Zeit neben ihrem Business lieber mit Familie und Freunden. Viele Gründer fragen sich deshalb: Wie viel Zeit soll ich in die Netzwerkarbeit investieren? Welche Veranstaltungen lohnen sich und wo vergeude ich nur meine Zeit?
Dario Nassal ist einer der drei Gründer von TheBuzzard. Die Plattform sammelt unterschiedliche Meinungen, Ansichten und Perspektiven zu einem Thema. Ziel ist es, Medienkonsumenten unterschiedliche, auch von der eigenen Meinung abweichende Perspektiven zu zeigen. Für Nassal ist Networking vor allem eine Zeitfrage:
„Es gibt in der Startup-Szene viele Leute, die noch gar nichts wirklich gemacht haben und nur reden. Aber als Gründer musst du vorankommen und deswegen ist die Zeit kostbar.“
Insbesondere zu Beginn hatten die Gründer kaum Zeit für Netzwerkarbeit:
„Gerade während unserer sechs Monate im Media Lab waren wir vor allem damit beschäftigt, das Team aufzubauen, einen Prototypen zu entwickeln und Kunden zu gewinnen. Das war viel Arbeit und Stress, aber deswegen sind wir auch schnell vorangekommen.“
In einer völlig anderen Branche arbeitet der approbierte Mediziner Philipp Heiler. Heiler gründete zusammen mit seinem Bruder Tobias das Unternehmen Brainboost Neurofeedback. Das Startup analysiert die Gehirnaktivität seiner Kunden und bietet auf Basis dieser Daten Coachings an. Gerade in der Anfangszeit sei es schwierig gewesen, Zeit für Abendveranstaltungen zu finden, erzählt Heiler. Die Gründer saßen oft bis halb neun im Büro: „Da sind viele Veranstaltungen schon wieder halb vorbei.“ Er rät deshalb:
„Speziell am Anfang, wenn zeitliche und personelle Ressourcen knapp sind, sollte man sich lieber auf spezifische Events aus der eigenen Branche konzentrieren. Ich kann auf allgemeinen Startup-Veranstaltungen natürlich interessante Leute finden, mit denen ich mich unterhalte und austausche. Sie haben aber oft nicht, was ich brauche und ich habe nicht, was sie brauchen. Bessere Matches haben wir zum Beispiel bei Mediziner-Stammtischen gefunden, wo sich Startups, Ärzte und alles aus dem medizinischen Bereich treffen. Da weiß ich zumindest, dass jemand, den ich anspreche, in meiner Branche arbeitet. Das ist ein wichtiger Faktor.“
Das Brainboost-Team hat dabei noch ein besonderes Zeitproblem:
„Bei uns sind alle, die im Management tätig sind, auch sehr viel im operativen Geschäft tätig. Das macht Netzwerken oft schwierig. Einen Großteil meiner Arbeitszeit verbringe ich damit, Behandlungen und Trainings durchzuführen. Für das gesamte Business-Development inklusive Networking hatte ich anfangs vielleicht zehn Prozent meiner Arbeitszeit übrig. Es war wichtig, hier effizient zu arbeiten.“
Der Nutzen des Networking zeigt sich oft erst später
Rückblickend habe sich der Aufwand jedoch gelohnt, betont Philipp Heiler:
„Aber jetzt zeigt sich der große Mehrwert von Netzwerkveranstaltungen. Neben dem primären Netzwerk wird eben auch das sekundäre Netzwerk aufgebaut. Und ein Jahr später meldet sich dann doch jemand, dessen Kollege uns mal irgendwo gesehen hat.“
Hier liegt womöglich auch die Krux: Der Gewinn für die heute in die Netzwerkarbeit investierten Zeit ergibt sich erst in der Zukunft. Gerade zu Beginn scheinen viele Gründer dies zu übersehen:
„Netzwerkveranstaltungen sind extrem wichtig, das haben wir am Anfang unterschätzt. Wir haben versucht, dort unsere Hauptdienstleistung — Neurofeedback — zu platzieren. Diese war damals aber noch sehr spezifisch auf medizinische Fälle ausgerichtet und zudem recht hochpreisig. Es war ein wichtiger Schritt für uns, ein Produkt bzw. einen Showcase speziell für Veranstaltungen zu entwickeln: eine Carrera-Bahn, die mit dem Gehirn gesteuert wird. Das sorgt für Aufmerksamkeit, und obwohl es von unserem eigentlichen Produkt doch etwas entfernt ist, kommt man mit Leuten ins Gespräch und findet häufig Anknüpfungspunkte.“
Dario Nassal von TheBuzzard berichtet ähnliches:
„Ich glaube, Netzwerken ist definitiv wichtig. Man kommt nicht drumherum. Das ist etwas, was wir jetzt vielleicht noch mehr lernen müssen.“
Die Zeit, die das Medienstartup ins Networking investiert, hing bisher stark von der Phase ab, in der es sich befindet, so Nassal:
„Als wir rekrutiert haben, haben wir zum Beispiel versucht, zwei bis drei Events in der Woche mitzunehmen und uns da ein wenig abgewechselt. Oft dachten wir uns aber: Wir arbeiten lieber am Produkt und sprechen mit Kunden. Wir wollen das Thema Networking jetzt wieder stärker angehen, weil wir gemerkt haben, wie wichtig es ist.“
„Einfach mal Spaß haben“
Ob Networking am Ende wünschenswerte Ergebnisse bringt, hängt unmittelbar mit der Art der Veranstaltung und deren Besucher zusammen: Es reichen schon stickige Räumlichkeiten, langatmige Vorträge oder eine schlechte zeitliche Planung, um den Gästen den Spaß am Austausch zu nehmen. Und anders herum: Die beste Stimmung bringt nichts, wenn das Publikum nicht zueinander passt. Philipp Heiler sagt:
„Ich habe großen Respekt vor gut organisierten Netzwerkveranstaltungen. Es besteht immer die Gefahr, dass Leute hauptsächlich wegen dem kostenlosen Bier vorbeikommen.“
Und weiter meint der Medtech-Gründer:
„Eine gelungene Veranstaltung machen für mich als Gründer interessante Business-Kontakte aus, mit denen sich unkomplizierte Kooperationen ergeben. Erzwungenes Netzwerken, bei dem sich beide Seiten sehr weit verbiegen müssen um auf einen gemeinsamen Business Case zu kommen, hält meist nur kurzfristig.“
Bei aller Abwägung hat der Mediziner aber noch eine ganz einfache Empfehlung parat:
„Ab und zu sollte man aber auch einfach mal auf eine Veranstaltung gehen, um Spaß zu haben. Oft kommt man gerade dann ins Gespräch und generiert einen wichtigen Kontakt, ohne dass man es darauf angelegt hatte.“