4Gene: Duftstoffe für Konsumgüter und die Industrie

Das Biotech-Startup 4Gene entwickelt und produziert Duftstoffe. Die sogenannten Duftstoff-Glukoside haben unter anderem den Vorteil, dass sie gezielt zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiviert werden können. Das Startup selbst nennt dies 'Flavor on Demand'. Das Gründerteam stellt im Interview sich selbst und sein Produkt vor.

Munich Startup: Wer seid Ihr und was macht Ihr? Stellt Euch bitte kurz vor!

4Gene: Heimo Adamski, 63, Geschäftsführer
Wirtsch.-Ass. Informatik, langjährige Erfahrung im internationalen Vertrieb & Marketing in Konzernen und Startups, Business Development, Organisations- und strategische Unternehmensentwicklung.

Dr. Thilo Fischer, 56, Director Application Development
Biochemiker, ehemals Prof. an der TU Wien und der LMU München (Biochemie und Physiologie der Pflanzen), Gewinner des PRIZE 2010 und des INVENTUM-Patent-Preises 2012 des Landes Österreich, Autor von 60 peer-reviewed Publikationen und Inhaber mehrerer Patente.

Dr. Fong-Chin Huang, 51, Director Research & Development
Molekularbiologin, ihr Spezialgebiet ist die pharmazeutische Biologie. Sie forscht auf dem Gebiet der chemischen & enzymatischen Synthese von Naturstoffen, speziell der Biosynthese von glykosylierten Pflanzeninhaltsstoffen. Sie ist an erfolgreichen Patentanmeldungen beteiligt und besitzt mehrjährige Industrieerfahrung.

Tobias Vallon, 41, Director Operations
Dipl.-Biologe (t.o.), langjähriger Mitarbeiter am Institut für Bioverfahrenstechnik der Universität Stuttgart, Prozessentwicklung mit diversen mikrobiellen Systemen vom Labor- bis Pilot-Maßstab (300 L), Kooperationserfahrung mit BASF SE und Evonik Industries AG, biotechnische Produktion von Feinchemikalien.

Die Idee zu der Erfindung hatte eine Arbeitsgruppe an der Professur Biotechnologie der Naturstoffe der Technischen Universität München unter Leitung von Herrn Professor Dr. Wilfried Schwab bereits im Jahre 2013. Damals wurde im Rahmen freiwilliger Feierabendforschung der Proof of Principle erbracht. Im Jahr 2015 wurde das Team dann komplettiert und öffentliche Fördermittel wurden eingeworben, um in Vollzeit die Technologie zu entwickeln. Frau Dr. Huang und Herr Dr. Fischer kennen sich bereits viele Jahre von der Technischen Universität in München. Zum Zeitpunkt der Beantragung der öffentlichen Fördermittel im Jahre 2015 stießen dann auch Herr Vallon und Herr Adamski zum Team dazu.

Munich Startup: Welches Problem löst Euer Startup?

4Gene: Bei der Arbeit mit Duftmolekülen stehen die Hersteller von Consumer Produkten in den Marktsegmenten Kosmetik und Lebensmittel vor vier maßgeblichen Herausforderungen:

  1. die Flüchtigkeit der Duftstoffe
  2. die Aktivierbarkeit der Duftstoffe
  3. die Verfügbarkeit von natürlichen Duftstoff-Glukosiden
  4. die Stabilität in der Lagerung

Auf alle vier Herausforderungen haben wir mit unserer Lösung eine Antwort.

Flüchtigkeit – Unsere Technologieplattform erlaubt es uns, auf Basis von biotechnischen Prozessen, Duftmoleküle in ihrem Status zu ändern und so aus flüchtigen Duftstoffen gebundene, nicht flüchtige Duftstoffe herzustellen. Dies geschieht durch eine glykosidische Bindung und daher bezeichnet man das Endprodukt auch als Aroma- oder Duftstoff-Glukosid.

Stabilität – Die von uns produzierten Duftstoff-Glukoside liegen in unterschiedlichen Formen vor. So können Sie zum Beispiel in Pulverform sehr viel einfacher gelagert und verarbeitet werden. Aktuell gehen wir davon aus, dass diese inaktiven Duftstoff-Glukoside etwa 40-mal länger gelagert werden können.

Aktivierbarkeit – Duftstoff-Glukoside können durch sogenannte Trigger oder Auslösemechanismen von ihrem nicht flüchtigen zurück in den flüchtigen Zustand versetzt werden. Ab diesem Zeitpunkt sind sie für Menschen wieder wahrnehmbar.

Die Technologieplattform mit all ihren biotechnischen Prozessen ist sowohl für natürliche Duftstoffe wie aber auch für chemisch synthetische Duftstoffe geeignet. Bevorzugt wird heute jedoch mit den natürlichen Duftstoffen gearbeitet.

4Gene stellt zum ersten Mal natürliche Duftstoff-Glukoside in großer Menge und zu einem wirtschaftlichen Preis für die Entwicklung von Konsumartikeln zur Verfügung.

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

4Gene: Richtig, Versuche dazu gibt es schon länger. Viele Unternehmen produzieren langanhaltenden Duft und aktivierbaren Duft mit unterschiedlichen Verfahren. Bisher war dies durch den Zusatz weiterer chemischer Substanzen oder durch die Verkapselung der Duftstoffe möglich. Auch haben sich einige bereits mit der Herstellung von Duft-Glukosiden auseinandergesetzt, jedoch in den Forschungsprojekten keine relevanten Ergebnisse erzielt.

4Gene: „Die größte Herausforderung war die Fokussierung als Startup“

Munich Startup: Was waren bisher Eure drei größten Herausforderungen?

4Gene: Die erste Herausforderung war sicherlich das Einwerben von Fördermitteln während der Zeit an der TU München. Die Fördermittel (Danke an EXIST) ermöglichten es uns den Proof of Principal und den Proof of Concept zu erbringen.

Der dann erforderliche Auszug aus der Universität, das Verhandeln des Lizenzvertrages mit der Universität, das Finden von Büro- und Laborräumen sowie das Gewinnen von Investoren für die Finanzierung der Ausstattung der Labore, war dann eine echte Herausforderung.

Trotz allem war aber die größte Herausforderung aller Herausforderungen die Fokussierung als Startup. Duftstoffe werden heute in nahezu jedem Bereich des Lebens verwendet und damit auch in nahezu jedem Bereich des Lebens verarbeitet. Die Spannbreite reicht dabei von dem Einsatz der Glukoside als Inhaltsstoffe in Lebensmitteln, in der Kosmetik, in Industrieanwendungen und in Personal- und Home-Care-Produkten. Von der Duftfliese bis zum Überhitzungsschutz bei Maschinen; vom Lippenstift bis zum Pizzaduft – alles war möglich. Die Fokussierung auf bewusst ausgewählte Zielgruppen und insbesondere die Auswahl dieser Zielgruppen mit allen Vor- und Nachteilen, war sicherlich die schwierigste, aber auch wichtigste Entscheidung bisher.

Munich Startup: Wie laufen die Geschäfte?

4Gene: Leider können wir aufgrund der Geheimhaltungsvereinbarung welche wir mit den großen Konsumartikelherstellern sowie anderen Partnern geschlossen haben, keine Details verraten.

Es sei jedoch so viel gesagt: neue Inhaltsstoffe in Konsumartikeln haben eine lange Vorlaufzeit, bis sie dann tatsächlich als Bestandteil des Produktes im Regal des Supermarktes zum Kauf angeboten werden. Derzeit verfolgen wir mehrere Projekte die zum Teil weit fortgeschritten sind.

Für den kurzfristigen Erfolg und die Motivation im Team haben wir eigene Produkte entwickelt und verkaufen diese über Partner und unseren eigenen Webshop. In allererster Linie steht hier natürlich aufgrund der aktuellen Lage im Land unser Maskenspray im Vordergrund.

„Als Gründerteam geht es ohne ein gewisses Maß an Risikobereitschaft nicht“

Munich Startup: Wie schätzt Ihr den Startup-Standort München ein?

4Gene: Für uns als 4Gene ist der Standort in München/Freising schon optimal. Mitarbeiter mit den bei uns benötigten Qualifikationen sind insbesondere aufgrund der in Freising/Weihenstephan angebotenen Studiengänge gut zu finden.

Für Mitarbeiter aus anderen Teilen Deutschlands sowie aus dem Ausland sind allerdings die Lebenshaltungskosten und die Mietpreise in München ein großes Hemmnis bei der Beantwortung der Frage, ob man für einen Job bei einem Startup nach München kommen soll oder nicht. Insbesondere wenn der Job wie oft bei uns, vor Ort im Labor, also nicht ortsunabhängig ausgeübt werden kann.

Die Münchner Universitäten und auch alle anderen Einrichtungen zur Unterstützung der Gründerszene kann man nach unseren Erfahrungen als durchweg gut bezeichnen. Natürlich könnte es immer besser sein, aber im Vergleich zu den Informationen, die wir auf den EXIST-Treffen mit anderen Teams aus ganz Deutschland hörten, ist es OK.

Munich Startup: Risiko oder Sicherheit?

4Gene: Als Gründerteam geht es ohne ein gewisses Maß an Risikobereitschaft nicht. Risiken einzugehen, bedeutet aber nicht unvorbereitet Entscheidungen zu treffen, sondern bewusst und gezielt Maßnahmen zu ergreifen, die zielorientiert sind. Mit jeder Maßnahme, die zum Ziel führt und erfolgreich ist, steigt das Selbstbewusstsein und damit verbunden auch die Sicherheit das Richtige und das Wichtige zu tun. Eine Möglichkeit ist es, sich bei jeder zu treffenden Entscheidung zu fragen „Warum“. Warum tun wir das? Warum ist das für unseren Kunden gut? Warum geht es nur so und nicht anders? Zumindest in unserem Team bei 4Gene hat das „Warum“ bisher wunderbar funktioniert und uns die richtigen Entscheidungen treffen lassen.