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Medicalmotion: Umfassende Lösung gegen Schmerzen in einer einzigen App

Das Münchner Health-Startup Medicalmotion hat eine innovative, selbstlernende KI-Technologie entwickelt. Damit tragen die Gründer per App und einer digitalen Therapie dazu bei, über hundert verschiedene Krankheiten vorzubeugen und zu behandeln. Ursprünglich von Tobias und Sven Klimpel gegründet, kamen zu einem späteren Zeitpunkt noch drei weitere Gründer hinzu.

Munich Startup: Wer seid Ihr und was macht Medicalmotion?

Sven Klimpel, Medicalmotion: Unsere Vision ist es, erstklassiges medizinisches Wissen für jedermann zugänglich zu machen. Wir wollen eine Lösung anbieten, die auf den individuellen Gesundheitszustand und die Alltagsgewohnheiten eines jeden Menschen zugeschnitten ist. Wir unterstützen Menschen dabei, ein gesünderes Leben zu führen, und Ärzte und Therapeuten dabei, eine effektivere Behandlung anzubieten.

Gesund bleiben bis ins hohe Alter, ein gesundes Leben ohne Schmerzen. Mein Bruder Tobias Klimpel und ich machten uns diese Aussagen zum Lebens- und Unternehmenszweck: Menschen zu befähigen, ihr gesündestes Leben zu leben. Wir beide litten in jungen Jahren unter chronischen Schmerzen, die durch den ganzen Körper wanderten. Mal waren es Rücken-, mal Kiefer- oder Schulterschmerzen, und dann beim Joggen doch wieder Knieschmerzen. Da uns die klassischen medizinischen Herangehensweisen nicht helfen konnten, waren wir frustriert und suchten nach anderen Lösungen, um gesund zu werden.

Ingenieurs-Denkweise auf Gesundheitssystem übertragen

Als ausgebildete Ingenieure wenden wir nun in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Ärzten, Wissenschaftlern und Therapeuten unsere Denkweise aus dem Ingenieurswesens auf das Gesundheitssystem an. In der Therapie hat man sich vor allem auf die Punkte konzentriert, wo es weh tut. Aber selten auf die Ganzheit des Körpers. Würde man diesen Ansatz auf die Reparatur eines Autos übertragen, würden nur einzelne Teile repariert oder ausgetauscht werden, ohne die Fahrtauglichkeit des gesamten Autos zu berücksichtigen. Das ist undenkbar! Leider haben Ärzte und Therapeuten bei dem Zeitdruck im Praxisalltag selten Zeit, dies zu ändern.

Doch mit der Digitalisierung und dem sinnvollen Einsatz von künstlicher Intelligenz haben wir die Möglichkeit, dass die Vorhersage und Risikoerkennung von Krankheiten und deren individuelle Vermeidung zum interdisziplinären, medizinischen Standard wird. Dazu arbeiten die analoge und digitale Versorgung Hand in Hand.

Medicalmotion: Bewegungsempfehlungen in Echtzeit

Munich Startup: Welches Problem löst Euer Startup?

Sven Klimpel: Derzeit leiden etwa 80 % der Weltbevölkerung an Körperschmerzen. Bis jetzt gibt es noch keine Methode, um die beste(n) Übung(en) für jeden Patienten auf Grundlage seiner spezifischen Krankheit(en), seines Schmerztyps, seines Lebensstils und seiner Physiologie zu empfehlen. Jeder einzelne Patient benötigt eine individuelle ‚Dosierung‘, also eine Art Bewegungs-Medikament. Das sollte für jeden Patienten unterschiedlich sein und sich an Veränderungen seines Alltags anpassen.

Wenn man für jeden Patienten genau die richtigen Übungen empfehlen könnte, würden sie ihren Gesundheitszustand richtig behandeln und damit die Wirkung ihrer Therapie verändern können. Und genau da führt sie unsere intelligente, CE-zertifizierte Medicalmotion-App hin. Wir haben die umfassendste Lösung gegen Schmerzen in einer einzigen App entwickelt.

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

Sven Klimpel: Im Gegensatz zu anderen digitalen Therapien, die sich auf einzelne Krankheiten fokussieren und statische Trainingspläne verwenden, liefert unsere digitale Lösung Bewegungsempfehlungen in Echtzeit. Dadurch helfen wir bei der Therapie und Prävention von derzeit mehr als 100 verschiedenen Krankheiten, zum Beispiel Migräne, Tinnitus, Rückenschmerzen, Tennisarm, Arthrose bis hin zu Fersensporn

Darüber hinaus vernetzt unsere Plattform interdisziplinäres und über viele Jahre verstreutes medizinisches Wissen und Daten. Das Ergebnis? Der größte Schmerzgraph der Welt.

„Wir überlegten, hinzuschmeißen“

Munich Startup: Gab es bereits einen Punkt, an dem Ihr beinahe gescheitert seid?

Sven Klimpel: Die Empfehlungen für die individualisierten Übungen auszuarbeiten, war das Komplexeste, was wir je gemacht haben. Es war ein unglaublicher Aufwand. Jeder Mensch müsste theoretisch seine eigene App haben, da es so viel Individualität, Komplexität und Kontraindikation gibt. Es bestehen Milliarden von Möglichkeiten, um Patienten wirksame Übungen zu empfehlen. Forschungsergebnisse gibt es zuhauf, allerdings selten eindeutig und, noch schlimmer, häufig widersprüchlich. Nach vielen Anläufen und tausenden von Stunden Arbeit kamen wir deswegen fast an den Punkt, tatsächlich aufzugeben. Wir überlegten, trotz vieler Jahre Arbeit, einfach hinzuschmeißen, weil es die größte Komplexität war, die wir als Ingenieure je gesehen haben.

Aber unser Team und unsere Vision, anderen Menschen ein besseres, gesünderes Leben zu ermöglichen, brachte uns dazu, weiterzumachen.

Munich Startup: Wie laufen die Geschäfte?

Sven Klimpel: Nicht zuletzt die Corona-Krise hat der Digitalisierung im Gesundheitswesen einen enormen Schub gegeben. Nach vier Jahren Entwicklung und Evaluierung unseres wissensbasierten Systems haben wir Anfang 2020 unsere App kostenlos zur Verfügung gestellt, um Menschen in dieser schwierigen Corona-Zeit zu unterstützen.

Seit Mitte 2020 wird die Medicalmotion-App nun europaweit von den Krankenkassen erstattet. Aktuell sind das rund 1,7 Millionen Menschen. Darüber hinaus wird unsere App von Physiotherapeuten in einem gemeinsamen Forschungsprojekt in der ‚Zukunftsregion Digitale Gesundheit‘ des Bundesministeriums für Gesundheit empfohlen und gefördert.

Hinzu kommt, dass durch den digitalen Gesundheitsmarkt in Deutschland Apps nun auch von Ärzten verordnet werden können. Damit erreichen wir allein in Deutschland rund 73 Millionen gesetzlich Krankenversicherte. Angetrieben von unserer Vision, Menschen zu helfen und Ärzte und Therapeuten in ihrem Alltag zu unterstützen, streben wir natürlich an, eine DiGA (also eine App auf Rezept) zu werden.

Riesige Vernetzungsmöglichkeiten bei Healthcare

Munich Startup: Wie schätzt Ihr den Startup-Standort München ein?

Sven Klimpel: München ist für uns einer der besten Standorte in Europa. Die Vernetzungsmöglichkeiten, vor allem im Healthcare-Bereich, sind mit den hier ansässigen Unternehmen riesig. Gleichzeitig hat sich das Startup-Ökosystem fantastisch entwickelt und auch die Dichte an Venture Capital nimmt zu. Wir sind froh, dass wir unseren Hauptsitz in München haben.

Munich Startup: Hidden Champion oder Shooting Star?

Sven Klimpel: Hidden Champion!