Das Gründer-Quartett von InformMe (v. l.): Sebastian Dieterle, Thomas Henzler, Joshua Gawlitza und Jonas Eicher
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InformMe: „Wir digitalisieren die Patientenkommunikation“

Egal ob Anamnese-Bogen, Aufklärungsbroschüre oder Datenschutzhinweis – viele Praxen und Kliniken setzen immer noch auf Papier. Um dies zu ändern ist das Münchner Startup InformMe angetreten. Im Interview erklärt Co-Founder PD Dr. Joshua Gawlitza, was ihre Lösung besonders macht, wie es zur Gründung kam und was das alles mit Schnittstellen aus den 90ern zu tun hat.

Munich Startup: Was macht Euer Startup? Welches Problem löst Ihr?

Joshua Gawlitza, InformMe: Ich glaube jeder kennt das: Geht man zum Arzt oder in eine Klinik, bekommt man zuerst Papier in die Hand gedrückt – Aufnahme- und Anamnese-Bögen, Erklärungen zum Datenschutz und dergleichen. Das ist alles andere als umweltbewusst und zudem auch ein richtiger Kostenfaktor. Außerdem ist das Verteilen dieser Klemmbretter nicht hygienisch und auch der Workflow – austeilen, ausfüllen, anstellen, abgeben – ist sehr ineffizient.

Mit InformMe wollen wir diese komplette Patientenkommunikation digitalisieren. Das Besondere dabei: Wir machen das am eigenen Smartphone des Patienten, mit dem er ja vertraut ist. Das fängt bei Sachen wie der Patientenaufklärung an, kann aber noch viel weitergesponnen werden, zum Beispiel zu einem Patienten Flow Management. Aktuell sitzt der Patient ja im Wartezimmer und wird von einem Arzt oder einer nicht-ärztlichen Kraft aufgerufen. Aber mit dem aktuellen Mangel im Personalbereich ist sogar das schon problematisch. Dafür lässt sich das alles wunderbar digitalisieren und automatisieren. Und da setzen wir an.

„Unser System ist flexibel und offen“

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

Joshua Gawlitza: Ja, aber die meisten unserer Konkurrenten haben Lösungen, die auf eigene Endgeräte in der Praxis oder der Klinik setzen. Die haben dort also vier oder fünf Tablets liegen auf denen dann die Programme laufen. Das ist eigentlich nur ein Art besseres Papier. Aber die Workflow- und Hygiene-Problematiken bestehen da nach wie vor ganz genauso.

Ein weiteres Problem bestehender Systeme ist, dass sie in der Regel sehr rigide sind. InformMe hingegen bietet ein Content Management System, in dem die Nutzer ihre eigenen Inhalte einpflegen können. Das macht unser System sehr flexibel und offen für weitere Anwendungen, wie zum Beispiel klinische Studien. Da ist es heute noch so, dass man zum Beispiel als Patient in einer Phase-Drei-Studie Briefe zum Ausfüllen nach Hause geschickt bekommt.

Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory?

Joshua Gawlitza: Angefangen hat alles mit meinem ehemaligen Kollegen und Doktorvater, Prof. Thomas Henzler. Wir hatten Kontakt gehalten, auch nachdem wir beide von der Uniklinik in Mannheim weggegangen sind. Er ist damals in eine große Praxis gewechselt und hatte sich dann letztes Jahr im Juli mal wieder bei mir gemeldet – diesmal mit der Idee, die Patientenaufklärung besser zu machen. Eigentlich wollte er, dass ich etwas programmiere, weil er wusste, dass ich ein bisschen coden kann.

InformMe entstand als Idee von Medizinern

Dafür reichen allerdings meine bescheidenen Coding-Kenntnisse bei Weitem nicht. Zum Glück hatte ich jedoch einen Freund in München, der die Expertise hat. Jonas Eicher ist eigentlich Physiker, arbeitete aber als Freelance Coder, bis wir ihn mit ins Gründer-Boot genommen haben. Vierter im Bunde wurde dann Sebastian Dieterle, der mit Thomas zusammen in der Praxis gearbeitet hat. Er ist BWLer mit Fokus auf Medizin und hat die wirtschaftliche Expertise ergänzt, die uns allen gefehlt hat.

So sind wir dann zusammengekommen und haben mit der Entwicklung angefangen, erstmal im Hintergrund. Gegründet haben wir InformMe dann im Dezember 2021, um uns dann auch relativ schnell zum Beispiel auf Start?Zuschuss! zu bewerben. Und das haben wir dann glücklicherweise auch bekommen, ebenso wie ein Office hier im Werk1.

Munich Startup: Was waren bisher Eure größten Herausforderungen?

Joshua Gawlitza: Unsere größte Herausforderung hält immer noch an. Denn als proprietäres System ist InformMe davon abhängig, an die Klinik- und Praxis-Systeme angeschlossen zu werden. Das Hauptproblem dabei ist, dass es für medizinische Dokumente eine Archivierungspflicht gibt, zwischen zehn und 20 Jahren, je nach Dokument. Dafür wurden die digitalen Schnittstellen in der Medizin weltweit standardisiert. Der führende Standard, wenn es um Kommunikation geht ist HL7. Der wurde aber schon 1997 eingeführt, hält bis heute und kann beinahe nichts.

Wenn man zum Beispiel eine Nachricht an dieses System schickt, dann sagt es, die Nachricht ist angekommen – oder schweigt. Wenn es aber nichts sagt, gibt das System keinen Fehlercode aus, da es keine Nachricht zurückschicken kann. Deswegen sind wir jetzt mit den großen Herstellern in Deutschland und Europa in Kontakt, um moderne Schnittstellen zu entwickeln. Wir sind da auch bei einigen auf offene Ohren gestoßen und haben in Deutschland mit zwei der fünf großen Anbieter eine moderne Schnittstelle entwickelt. Wir hoffen, dass wir das auch mit den übrigen schaffen. Aber bis dahin müssen wir die alten Systeme nutzen.

„In einem Jahr wollen wir in alle deutschen Systeme integriert sein“

Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren?

Joshua Gawlitza: In einem Jahr wollen wir in alle deutschen Systeme integriert sein. Außerdem wollen wir – weil wir ja zwei Radiologen im Team sind – in der Radiologie schon relativ ausgedehnt sein, also 100 Kunden oder mehr haben. Aber wir werden auch schon die ersten anderen Fachdisziplinen dabeihaben.

Und in fünf Jahren wollen wir auf jeden Fall einen paneuropäischen und relevanten Marketshare haben. Vielleicht auch schon mit einem großen strategischen Partner zusammen.

Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt?

Joshua Gawlitza: Ich kenne das Werk1 schon sehr lange, vor acht Jahren war ich zum Ersten Mal hier. Ein Bekannter von mir hatte sein Game Studio hier drin, und seitdem ich ihn damals einmal besucht hatte, wusste ich, dass ich mal in so einem Office arbeiten will. Und jetzt sind wir hier und profitieren vom Austausch mit anderen Startups, Auvisus zum Beispiel. Die machen ein Erkennungssystem von Mensa-Essen für den Self-Checkout, also etwas komplett anderes – aber sie haben die gleiche Schnittstellen-Problematik wie wir, nur eben mit Mensa-Kassensystemen. Da ist es super, dass man sich hier austauschen kann.

Munich Startup: Schneller Exit oder langer Atem?

Joshua Gawlitza: Einen schnellen Exit sehe ich tatsächlich nicht. Wir haben noch so viele coole Sachen vor, die unseren Kunden einen großen Mehrwert bieten und aktuell von noch niemandem angeboten werden – wenn wir die nicht selbst auf die Straße bekommen würden, wäre das schon sehr schade.