Das Gründerteam von Deepdrive. Vorne links unser Interviewpartner Felix Poernbacher.
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Deepdrive-Update: „Wir arbeiten mit 8 der 10 größten Automobilherstellern der Welt“

Auf der IAA 2021 präsentierte das Startup Deepdrive seine Plug-and-Play-Plattform, auf der Unternehmen ihr eigenes Elektroauto aufbauen können. Das Besondere dabei: Dank der Technologie der Münchner verschwand der Motor direkt im Rad. Zahlreiche Automobilhersteller zeigten sich von dem Radnabenmotor begeistert, Deepdrive änderte daher seine Pläne. Wo das Startup heute steht und wie es weitergeht erklärt Mitgründer Felix Poernbacher im Update-Interview.

Munich Startup: Als wir das letzte Mal gesprochen haben, wolltet Ihr mit Deepdrive schon bald die ersten Fahrzeugplattformen im Kundenprojekt auf der Straße haben. Konntet Ihr dieses Ziel erreichen?

Felix Poernbacher, Deepdrive: Für uns waren damals Fahrzeugplattformen deshalb so spannend, weil wir einen hoch innovativen revolutionären Elektromotor entwickelt haben, der so klein und kompakt ist, dass er ins Rad passt. Und das ermöglicht ganz flache, skalierbare und modulare Fahrzeugplattformen, die wir für viele der kleinen neuen Fahrzeughersteller geplant hatten. Während wir dann aber unsere Motortechnologie weiter ausgereift haben, haben unsere Kunden – darunter viele der großen Automobilhersteller – gefragt, ob sie auch nur den Motor kaufen könnten. Die haben auf einmal ein wahnsinniges Interesse an unserer modernen Technologie bekommen, die das Potenzial hat, den Markt wirklich zu verändern. Deshalb haben wir die Entscheidung getroffen, unsere Entwicklungsarbeit noch mehr auf den Antrieb selbst zu fokussieren. Jetzt, fast zwei Jahre später, arbeiten wir mit acht der zehn größten Automobilherstellern der Welt zusammen und verkaufen unsere Motoren an sie.

Deepdrive hält an der Plattform fest – stellt sie jedoch zurück

Munich Startup: Was hat Euch zu diesem Pivot veranlasst?

Felix Poernbacher: Es war schon immer unser übergeordnetes Ziel, Elektrifizierung und Elektrofahrzeuge neu zu denken. Daran hat sich grundsätzlich nichts geändert und auch unsere Kerntechnologie war schon immer die gleiche. Und wir glauben noch immer genauso an die Plattform wie vorher – da ist ein riesiges Potenzial im Markt. Vorerst haben wir sie aber zurückgestellt, denn die Motortechnologie, die wir entwickelt haben, hat allein einen so großen Impact auf die Automobilindustrie und so viel Traction, dass wir uns darauf fokussieren müssen. Wir sehen uns nicht als Plattform-Startup, und auch nicht als Motor-Startup, sondern als ein Unternehmen, das hoch innovative revolutionäre Technologien auf den Markt bringt. Und unsere Kerntechnologie ist ein neuer E-Antrieb, von dem unsere großen Automotive-Kunden sagen, dass es der Standard für E-Motoren in den nächsten zehn Jahren werden kann.

Munich Startup: Wie hat sich Eure Technologie selbst weiterentwickelt?

Felix Poernbacher: Wir haben unsere Kerntechnologie validieren und die drei großen Vorteile unserer Motortechnologie zeigen können. Einmal die extrem hohe Effizienz: Mit unseren Antrieben fährt ein Fahrzeug 20 Prozent weiter oder braucht für dieselbe Reichweite 20 Prozent kleinere Batterien. Wir können kostengünstig und einfach produzieren und unser Motor ist so kompakt, dass er ins Rad des Fahrzeugs passt. Wir haben Prüfstände aufgebaut und Motoren an Kunden verkauft, die diese selbst getestet haben. So konnten wir die letzten zwei Jahren nicht nur zeigen, dass es stimmt, was wir behaupten und dass diese Technologie so funktionieren wird, sondern wir konnten auch erste große Schritte Richtung Serienfertigung machen.

„Wir werden bald wieder neues Kapital aufnehmen“

Munich Startup: Und wie sieht es finanziell bei Euch aus?

Felix Poernbacher: Wir haben noch ausreichend Geldmittel von unserer letzten Finanzierungsrunde, bei der wir 4,3 Millionen Euro eingesammelt haben. Zusätzlich haben wir noch 1,5 Millionen Euro in Förderprojekten vom Freistaat Bayern gewonnen. Damit sind wir gut finanziert, haben jetzt aber das große Problem – was ein schönes Problem ist – dass wir wachsen müssen. Wir haben wahnsinnig viel Nachfrage und müssen skalieren, vor allem im Team. Das heißt, wir werden bald wieder neues Kapital aufnehmen, da wir schneller wachsen müssen als ursprünglich geplant.

Das stellt uns aber auch vor Herausforderungen. Wir haben hier einen super Standort: Insgesamt 800 Quadratmeter mit Prototypen-Werkstatt, Fertigungslinie, eigene Prüfstände, eigene E-Labore und genug Büroräumen. Wenn wir in der nächsten Phase aber einen größeren Musterbau aufbauen, wird es hier verdammt eng. Wir haben jetzt über 30 Mitarbeiter, wollen aber auf rund 80 wachsen, und die müssen wir hier dann auch unterbringen.

Munich Startup: Welche Learnings konntet Ihr im Gründerteam bisher mitnehmen?

Felix Poernbacher: Wir sind sieben Gründer, und am Anfang hat uns jeder gesagt, das wird nicht funktionieren. Unser größtes Learning war also: es funktioniert doch. Was uns natürlich hilft, ist, dass wir sehr klare Verantwortlichkeiten und Aufgabengebiete haben und die Leute relativ autark in ihren Bereichen entscheiden können. Und das gilt nicht nur für das Gründerteam, sondern für das ganze erweiterte Team. Uns ist es wichtig, dass Entscheidungen möglichst dezentral von den Experten getroffen werden, die da sitzen.

„Wir würden immer wieder in München gründen“

Munich Startup: Welche Rolle spielte das Münchner Ökosystem auf Eurem bisherigen Weg?

Felix Poernbacher: Das Münchner Ökosystem hat uns wahnsinnig viel gebracht, es war ein wirklicher Kickstart. Zum einen natürlich, weil viele von uns aus der TU München kommen und wir ein gutes Netzwerk haben. Aber zum anderen auch, weil das Umfeld wahnsinnig Startup-freundlich ist: die UnternehmerTUM mit ihrem sehr engen, starken Netzwerk und spannenden Leute, viele große Unternehmen, die sehr Startup-affin sind, die Stadt bietet eine super Unterstützung – wir würden immer wieder in München gründen.

In den nächsten Jahren werden wir aber in eine Phase kommen, wo wir als Unternehmen, gerade wenn es auch Richtung Finanzierung geht, über München hinausschauen werden. Denn große Tickets werden einfach außerhalb von Deutschland über dem Teich geschrieben. Aber wir werden weiterhin in München unser Zuhause und unseren Hauptstandort haben. Ein Großteil unserer Supplychain und viele unserer Partner sitzen in Bayern und Deutschland. Es ist in der Entwicklungsphase wahnsinnig wichtig für uns, kurze Wege zu haben, und auch unsere Serienproduktion wollen wir in der Region halten. Gleichzeitig ist es für uns als Automobilzulieferer wichtig, möglichst nah beim Kunden zu sein. Wenn wir also einen deutschen Kunden haben, werden wir in Deutschland produzieren, und wenn wir einen amerikanischen Kunden haben, werden wir zumindest Großteils in Amerika produzieren.

Deepdrive beginnt die Serienproduktion

Munich Startup: Auf welche Milestones arbeitet Deepdrive als nächstes hin?

Felix Poernbacher: Unser nächster großer Milestone ist es, einen Großserien-Vertrag zu gewinnen und unsere Motoren an große Automobilhersteller zu verkaufen. Hier sind wir auf einem guten Weg. Wir reden mit vielen Kunden, haben eine extrem gute Traction und haben auf der Technologieseite die ersten großen wichtigen Schritte Richtung Industrialisierung gemacht. Wir haben eine starke Partnerschaft mit einem großen Fertigungspartner, die wir in den nächsten Monaten auch verkünden können. Dieser wird die Motoren im ersten Schritt für uns in Serie produzieren. Außerdem werden wir 2023 erste Testfahrzeuge aufbauen. In der Automobilindustrie ist aber natürlich Geheimhaltung immer ein sehr großes Thema, weswegen wir hier noch nicht mehr verraten können.