So sieht die Plattform von Deepdrive aus.
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Deepdrive: E-Auto-Revolution mit Radnabenmotor

Mit der Wende hin zur Elektromobilität kommen auch zahlreiche neue Entwickler auf den Markt, die eigene Elektroautos anbieten. Dass diese sich nicht mehr bei den Fahreigenschaften differenzieren, sondern auf andere Unterscheidungsmerkmale setzen, hat das Münchner Startup Deepdrive zu seiner Lösung inspiriert: Eine Plug-and-Play-Plattform, auf der Unternehmen ihr eigenes Elektroauto aufbauen können. Wir haben mit Mitgründer Felix Poernbacher gesprochen.

Munich Startup: Wer seid Ihr und was macht Deepdrive? Stellt Euch bitte kurz vor!

Felix Poernbacher, Deepdrive: Bei Deepdrive sind wir insgesamt zu siebt, mit zwei Geschäftsführern: Stefan auf der technischen Seite, und ich auf der kommerziellen Seite. Ich selbst bin der einzige Nicht-Ingenieur im Team und habe TUM-BWL im Bachelor studiert, im Master dann Finance an der Bocconi. Ich habe die letzten Jahre in London als Investmentbanker bei Rothschild gearbeitet, während meine Mitgründer alle bei großen Unternehmen im E-Mobility-Bereich beschäftigt waren: bei Bosch, Infineon und bei der Schaeffler-Tochter Compact Dynamics. So haben sie viel Großserien-Erfahrung gesammelt, auch in sehr spannenden Positionen wie zum Beispiel als Teil der Projektleitung des größten E-Maschinen-Projekts von Bosch.

Wir alle kennen uns schon seit fast zehn Jahren, wir waren zusammen in der Formula Student, also im studentischen Motorsport-Team der TU München. Damals haben wir elektrische Rennautos zusammengebaut und mit ihnen an verschiedenen Wettbewerben teilgenommen, zum Beispiel am Hockenheimring, in Spielberg oder in Michigan. Dabei sind wir wirklich als Team zusammengewachsen, bevor wir alle in die Industrie gegangen sind. Diese Hochzeit zwischen dem Motorsport-Spirit, der Prototypen-Erfahrung und der professionellen Großserie ist das, was uns als Team ausmacht.

Mit der Plug-and-Play-Plattform von Deepdrive ein eigenes Elektroauto entwickeln

Und was machen wir? Wir haben gesehen, dass es viele neue Player gibt, die an den Markt kommen und eigene Elektroautos bauen wollen, die sich aber gar nicht mehr über die Fahreigenschaften differenzieren. Und genau da setzen wir an: Wir haben eine elektrische Fahrzeugplattform entwickelt, also praktisch den ganzen Unterbau von einem elektrischen Auto, inklusive aller Fahrfunktionen. Da ist die Batterie drin, der Motor, die Lenkung, das Fahrwerk und alles, was dazu gehört. Die Entwickler können auf unserer Plug-and-Play-Plattform aufbauen und damit ihr eigenes Elektroauto bauen. Außerdem ist unsere Plattform auch für die Zukunft der Mobilität maßgeschneidert: Wir verwenden sehr nachhaltige Materialien, eine sehr einfache Serienfertigung und sind voll einsatzbereit für autonomes Fahren und Shared Mobility.

Munich Startup: Welches Problem löst Euer Startup?

Felix Poernbacher: Das große Problem dieser neuen Player ist, dass es sehr viel kostet und Zeit braucht, eigene Fahrzeuge zu entwickeln. Mit unserer Plug-and-Play-Plattform können sie sich über die Hälfte der Entwicklungskosten und zwei bis drei Jahre Time-to-Market sparen.

Und warum funktioniert das nur mit unserer Plattform? Unsere Kerntechnologie ist ein hocheffizienter Elektroantrieb, der im Rad verbaut ist. Durch diesen Radnabenantrieb ist nicht noch irgendwie ein großer Motor auf der Plattform verbaut, der dem Hutbauer, also demjenigen, der den Aufbau des Autos macht, die Arbeit zusätzlich erschwert. Unsere Plattform ist komplett flach, man hat maximale Flexibilität im Aufbau und kann wirklich alles was man will darauf aufbauen. Und dadurch, dass wir mit dem Motor im Rad sind, ist unsere Plattform komplett skalierbar und flexibel in Länge und Breite. Das heißt, jedes mögliche Fahrzeug, das man sich vorstellen kann, könnte auf unserer Plattform sitzen. Das ist der Haupt-USP unserer Plattform.

„Wir sind das einzige Unternehmen, das eine Radnaben-Motoren-Plattform entwickelt hat“

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

Felix Poernbacher: Es gibt andere Plattform-Anbieter, die haben aber alle einen anderen strategischen Fokus. Deren Grundkonzept ist, dass sie ihre Plattform größeren OEMs anbieten. Aber keiner von ihnen hat eine komplett standardisierte Plattform, auf der viele verschiedene Player sitzen können. Das alles wird eben ermöglicht durch unseren Radnaben-Motor, und wir sind tatsächlich das einzige Unternehmen, das eine solche Radnaben-Motoren-Plattform entwickelt hat.

Munich Startup: Was waren bisher Eure drei größten Herausforderungen?

Felix Poernbacher: Das wichtigste für uns ist Schnelligkeit, das war wahrscheinlich die erste große Herausforderung. Wir mussten so schnell wie möglich sein, gerade am Anfang, denn wir brauchen auf der einen Seite Finanzierung und auf der anderen Seite müssen wir für diese Finanzierung etwas vorweisen können. Wir haben also innerhalb der letzten 5 Monate unsere Kerntechnologie, die Antriebstechnologie, ausentwickelt, gebaut, am Prüfstand des Fraunhofer Instituts validiert, patentiert und die erste fahrende Plattform gebaut. Und das war wirklich die größte Herausforderung bisher, alles so schnell auf die Straße zu bringen.

Die zweite große Herausforderung war, den richtigen Eintrittsmarkt zu finden. Auf was fokussieren wir uns, in welche Richtung gehen wir, auf welche Player konzentrieren wir uns? Da haben wir zum Glück bereits super Kunden-Feedback und Kundeninteresse, was uns natürlich auf dem Weg hilft. Tatsächlich haben wir schon mit über 40 Playern gesprochen, die interessiert an unserer Lösung sind, und die uns unterstützen, den richtigen Eintrittsmarkt zu finden. Das haben wir mittlerweile auch geschafft, aber das war definitiv die zweite große Herausforderung.

„Wir sind alle First-time-Founders“

Und die dritte große Herausforderung hängt damit zusammen, dass wir alle First-time-Founders sind. Und das kommt mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen: Wer ist der richtige Steuerberater, wie gründet man eine GmbH, mit welchem Tool mache ich meine Budgetplanung? Wir haben zwar alle viel Erfahrungen aus unseren bisherigen Jobs, auch auf der kommerziellen Seite, die ich im Investmentbanking mitnehmen konnte, aber diese Startup-Early-Stage-Themen waren einfach eine große Herausforderung. Was uns da wirklich geholfen hat ist das Netzwerk der UnternehmerTUM. Wir waren zu Beginn des Jahres im Xplore-Programm dabei, und sind jetzt bei Xpreneurs. Da haben wir super Mentoren, die uns unterstützen und weiterhelfen. Außerdem haben wir engen Kontakt zu vielen Gründern in der Münchner Szene, die uns auch sehr stark unterstützen.

Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren?

Felix Poernbacher: Unser Ziel ist es, in ziemlich genau einem Jahr die ersten Fahrzeugplattformen im Kundenprojekt mit Straßenzulassung auf der Straße zu haben. Das sind dann einzelne Prototypen, die zeigen, dass die Technologie auch auf der Straße im Kundeprojekt funktioniert. In 5 Jahren haben wir dann schon viele Kunden ge-onboardet, die unsere Plattform nutzen und damit signifikante Volumen erreicht. Dann werden wir mit mehreren Kunden in Serie sein.

Für Deepdrive ist München „perfekt“

Munich Startup:  Wie schätzt Ihr den Startup-Standort München ein?

Felix Poernbacher: Wir sind zurück nach München gezogen, weil wir München als perfekt für uns sehen: Wir sind industrienah, wir sind Deeptech, wir sind Hardware, und dafür ist das Ökosystem hier sehr gut. Es gibt auf der einen Seite viele Industriepartner, die uns bei der Fertigung und bei Entwicklungsthemen helfen, es gibt viele VCs, die auch im Hardware-Bereich unterwegs sind, und es gibt einfach dieses ganze Netzwerk. Mit einer Ausnahme hat das ganze Gründerteam an der TU München studiert, wir sind hier sehr gut verbandelt und haben ein großes Netzwerk. Und wie eben angesprochen sind wir durch die UnternehmerTUM sehr stark unterstützt worden. Daher sehen wir München als den richtigen Startpunkt für uns.

Munich Startup:  Schneller Exit oder langer Atem?

Felix Poernbacher: Wir glauben auf jeden Fall stark an unsere Idee und wir wissen, dass Deepdrive ein unglaubliches Potenzial hat. Und das würden wir gerne realisieren.