Lena Jüngst studierte Produktdesign in Schwäbisch Gmünd. Sie und ihre vier Mitgründer ergänzen sich gut: Mit Tim Jäger schrieb Lena Jüngst eine Bachelorarbeit zum Air Up-Prototypen. Fabian Schlang wiederum hatte Food Technology studiert und im Rahmen seines Studiums intensiv an den späteren Aroma-Pods geforscht. Später kamen dann noch Jannis Koppitz, der heutige Co-CEO, und CSO Simon Nüesch dazu, die das nötige Business-Wissen mitbringen.
Besagte Bachelorarbeit mit dem Prototyp der Trinkflasche war schließlich auch der Auslöser dafür, Air Up zu gründen. Der Startschuss für das Unternehmen war letztlich ein Exist-Gründerstipendium Ende 2017. Letztes Jahr konnten das Team mit einer ersten Seed-Finanzierung unter anderem Frank Thelen und Ralf Dümmel als Investoren gewinnen und launchte kurz darauf das Produkt. Eine 2,3 Millionen Euro hohe Zwischenfinanzierung erhielt das Startup im Januar 2020. Die Series A ist jetzt für diesen Herbst geplant. Wir haben mit Lena Jüngst gesprochen.
Alles auf eine Karte
Munich Startup: Lena, was hat Dich zur Gründung motiviert?
Lena Jüngst: Wir hatten am Anfang gar nicht vor zu gründen und haben Air Up lediglich als Bachelor-Projekt entwickelt. Als uns immer mehr Menschen aus unserem Umfeld das Feedback gaben, was für ein Potenzial hinter unserer Entwicklung steckt, haben wir die Sache ernster genommen und weiterentwickelt. Und spätestens, als wir Ende 2017 unser erstes Gründerstipendium erhielten, haben wir beschlossen, alles auf eine Karte zu setzen: Wir haben unsere bisherigen Karrierewege unterbrochen – ich hätte die Möglichkeit gehabt, für Philips als Produktdesignerin zu arbeiten – und Air Up gegründet.
Das war die beste Entscheidung meines Lebens: Als angestellte Produkt-Designerin hast Du nur sehr wenig Einfluss auf den Produktentwicklungsprozess und wenig Mitspracherecht, wenn es darum geht, welche Art der Produkte das Unternehmen entwickelt. Dazu kommen langwierige Absprachen mit vielen Instanzen. Auch wenn ich großen Spaß alleine an dem Handwerk hatte, war mir auch immer wichtig, Produkte zu verwirklichen, die meinem Wertesystem entsprechen. Als Angestellte hätte ich definitiv mehr Freizeit in den letzten Jahren gehabt, aber mit Air Up habe ich die Chance ergriffen, meine Ideen auch zu verwirklichen.
Munich Startup: Hattest Du Vorbilder beim Gründen?
Lena Jüngst: Ich habe und hatte kein bestimmtes Vorbild, dem ich nachgeeifert bin. Aber es gibt sehr viele Frauen, die ich bewundere. Was sie alle gemeinsam haben, ist, dass sie in ihrem Bereich herausstechen und erfolgreich geworden sind, weil sie sich trotz äußeren Zwängen nicht angepasst haben und ihr eigenes Ding durchgezogen haben.
Aus der Unternehmenswelt ist das für mich Janina Kugel, die sich trotz ihres konservativen Umfelds für Themen wie Inklusion und Diversität eingesetzt hat. Oder die Sängerin Ali Neumann, die sich nicht für Geld und Kommerz angepasst, sondern einen ganz eigenen Musikstil auf die Bühne gebracht hat. Faszinierend finde ich auch Neri Oxman, die als MIT-Professorin (Massachusetts Institute of Technology, Anm. d. Red.) in ihrer Arbeit zwei scheinbar gegensätzliche Welten vereint: Sie kombiniert Kunst und Design mit Biologie, Medizin und Computer-Wissenschaften.
Neugier ist fundamental wichtig
Munich Startup: Wann und wo bekommst Du die besten Ideen?
Lena Jüngst: Ich bin ein sehr kreativer Mensch, zeichne gerne und beschäftige mich auch privat ständig mit Design, Trends und Innovationen. Das inspiriert mich. Inspirationen können aber auch aus ganz anderen Bereich kommen. Manchmal auch aus Bereichen, mit denen ich davor nicht große Berührungspunkte hatte.
Den ersten Impuls für Air Up, nämlich die Verbindung von Design und Neuro-Science zu nutzen, bekamen mein Mitgründer Tim und ich damals in einem Ted-Talk über Neurowissenschaften. Neugier und Interesse an neuen Dingen sind fundamental, um kreativ sein zu können. Als Chief Evangelist bin ich bei uns für unsere Produktvision, für Trendforschung, den Markenaufbau von Air Up und an produktstrategischen Themen beteiligt. Dafür ist es fundamental, neugierig zu sein und Interesse an neuen Dingen zu haben.
Lena Jüngst hat keine Angst vor Risiken
Munich Startup: Dein größtes Talent?
Lena Jüngst: Mein größtes Talent ist Punkte aus unterschiedlichen Bereich zu verknüpfen und daraus ‚out of the box‘-Ideen zu entwickeln. Mit anderen Worten, ich bin kreativ. Ich habe keine Angst, Neues auszuprobieren und Risiken einzugehen. Ich lebe lieber ein spannendes Leben mit extremen Höhen und Tiefen als in der sicheren, aber für mich langweiligen Mitte.
Munich Startup: Der größte Irrtum, dem Du je unterlegen bist?
Lena Jüngst: Einer der Irrtümer war zu denken, dass wir von unserem initialen Prototypen bis hin zu einem marktfähigen Produkt nur etwa drei bis fünf weitere Monate Entwicklungszeit benötigen würden. Das hat leider über ein Jahr länger gedauert als gedacht.
Munich Startup: Deine Geheimwaffe beim Networking?
Lena Jüngst: Ich bin generell ein offener und neugieriger Mensch und tausche mich unglaublich gern mit anderen aus. Ich finde es sehr wichtig, von meinen Mitmenschen zu lernen und dabei auch meine eigenen Erfahrungen weitergeben zu können. Natürlich hilft es mir beim Networking, dass ich zu 100 Prozent von unserer Idee und unserem Produkt überzeugt bin. Und ich möchte, dass die Leute Air Up kennenlernen und sich von uns zu einem nachhaltigeren und gesünderen Lifestyle inspirieren lassen. Mein persönlicher Ice-Breaker ist zudem: Ich duze in der Regel alle Menschen, die mir begegnen. Das kenne ich so aus der Kreativbranche oder aus dem Ausland, ist aber hier in Deutschland noch nicht ganz gängig. Es hilf jedenfalls sehr, steife Einstiegsgespräche angenehmer zu gestalten.
Munich Startup: Die drei übelsten Vorurteile, die Dir im Gründeralltag begegnet sind?
Lena Jüngst:
- DesignerInnen wollen immer nur alles schöner machen oder ihr Design-Ego durchsetzen und können deshalb nicht unternehmerisch oder strategisch denken.
- (Technische) Innovationen kommen von Männern, Frauen sind für das Marketing zuständig.
- Eine Corporate Identity benötigt man, um sich später eine schönen Spruch an die Firmenwand schreiben zu können.
Wie die Zukunft von Air Up aussehen könnte
Munich Startup: War es für Dich von Vorteil oder von Nachteil, eine Gründerin zu sein? Was war leichter, was war schwieriger?
Lena Jüngst: Ich bin die einzige Frau in unserem fünfköpfigen Gründerteam. Da steche ich sicherlich heraus. Aber nicht, weil ich eine Frau bin, sondern weil ich die Designerin und der kreative Teil unseres Teams bin. Im Alltag begegnen Frauen generell mehr Vorurteile, gegen die sie ankämpfen müssen, als Männern.
Frauen werden noch immer stark in der Assistentinnenrolle gesehen: Sie übernehmen kommunikative Themen, sie organisieren und unterstützen. Wenn es aber um das Eingemachte geht, werden noch immer die Männer dafür beauftragt. Frauen traut man selten genug zu, was auch daran liegt, dass Frauen anders kommunizieren als Männer. Meist reden sie weniger darüber, wie toll sie sind. In einer Männerwelt wird das schnell als fehlendes Selbstbewusstsein und damit fehlendes Können fehlinterpretiert. Ich glaube allerdings nicht, dass Frauen sich deshalb ein total männliches Auftreten angewöhnen müssen. Es wäre einfach schön, wenn sich beide Seiten in der Mitte träfen.
Munich Startup: Was liegt auf Deinem Schreibtisch gerade ganz oben?
Lena Jüngst: Im Moment bin ich nach wie vor sehr mit dem Thema Markenaufbau beschäftig. Wir haben erst kürzlich unsere Unternehmensidentität, unsere Kommunikation und damit unseren visuellen Auftritt erneuert. Im Moment geht es noch um Ergänzungen und Details, aber auch schon um erste Anpassungen. Als nächstes großes Aufgabenfeld werde ich mir das Thema Produktvision zur Brust nehmen. Das heißt, ich überlege mir, welche Produkte wir in ein paar Jahren auf den Markt bringen wollen. Zur Zeit screene ich dazu Consumer-Trends und entwickle erste Ideen dazu.
Munich Startup: Wo verbringst Du Deinen nächsten Urlaub?
Lena Jüngst: Das kommt ganz darauf an, wie es dann um die Situation rund um Corona stehen wird. Wenn ich mir es aussuchen könnte, würde ich gerne in den Süden Europas nach Portugal, Italien oder noch etwas weiter nach Marokko. Dort war ich noch nie, aber es steht schon seit längerem auf meiner Wunschreiseliste. Japan würde mich aus Design-Perspektive wahnsinnig interessieren.