Das Gebäude des Entrepreneurship Center der TU München und der UnternehmerTUM in Garching
© Astrid Eckert / TU Muenchen

Projektgruppe legt Konzept einer European Public Sphere vor

Ein digitales Ökosystem, das europäischen Werten folgt, auf demokratische Kontrolle setzt und digitale Souveränität ermöglicht: Eine Projektgruppe um Henning Kagermann von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) und BR-Intendant Ulrich Wilhelm, mit Beteiligung der Technischen Universität München (TUM), hat eine solche „European Public Sphere“ (EPS) entworfen. Für den Aufbau dieses digitalen öffentlichen Raumes empfiehlt sie in dem gleichnamigen Impulspapier von Acatech eine europäische politische Initiative, realisiert von einer breiten Allianz aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Die Corona-Krise zeigt, wie nützlich digitale Plattformen sind – sei es im Zusammenhang mit Schule, der Arbeitswelt oder im Privaten. Ebenso deutlich wurden Abhängigkeiten Europas im digitalen Raum. Führende digitale Plattformen werden von nichteuropäischen Unternehmen bereitgestellt. Gleiches gilt für die leistungsfähigsten Dateninfrastrukturen.

Die Projektgruppe mit TUM-Präsident Thomas F. Hofmann und Jan-Hendrik Passoth vom Munich Center for Technology in Society (MCTS) der TUM schlägt deswegen den Aufbau eines digitalen Ökosystems vor, das europäischen Werten wie Offenheit und Vielfalt folgt. Ihr nun veröffentlichtes Impulspapier ‚European Public Sphere – Gestaltung der Digitalen Souveränität Europas‚ beschreibt den Weg zu einem solchen digitalen Raum, in dem eine Vielfalt an Angeboten mit fairen und transparenten Zugangs- und Nutzungsbedingungen entstehen kann.

Digitale Infrastruktur als Teil der Daseinsvorsorge

Im Gegensatz zu Gesundheit, Bildung oder Verkehr sei die digitale Infrastruktur bislang nicht als Teil öffentlicher Daseinsvorsorge begriffen worden. Für einen offenen digitalen Raum wird aber eine Grundinfrastruktur – quasi ein frei zugängliches digitales Straßen- und Wegesystem – benötigt. Notwendig ist deshalb eine koordinierende Rolle von Seiten des Staates – darin sind sich die Experten einig. Zum initialen Aufbau eines europäischen, offenen digitalen Ökosystems braucht es staatliche Förderung flankiert von europäischer Regulierung.

Europäische Werte im Technologie-Design

Die Projektgruppe betont außerdem, dass Technologie nie neutral ist, sondern immer beeinflusst von der Umgebung, in der sie entstand. Europa hat sich auf Werte wie die Würde des Menschen, Selbstbestimmung, Pluralität, Offenheit, Privatheit, Sicherheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Solidarität und Nachhaltigkeit verpflichtet. Aufgabe der European Public Sphere sei es dementsprechend auch, diese Werte in Grundsätze für die Gestaltung von Technologien umzusetzen.

Technologie-Strategie für große Vielfalt

Modularität, Interoperabilität und Offenheit sollen die Technologie der European Public Sphere prägen: Im Gegensatz zu heutigen monolithischen, geschlossenen Plattformen entstehen in der EPS Technologien, die aufgrund offener Standards einfach wiederverwendet, dezentral weiterentwickelt und optimal mit anderen Technologien kombiniert werden können.

„Krise führt Versäumnisse ungeschminkt vor Augen“

„Die jetzige Krise, in der wir alle noch digitaler arbeiten als zuvor, führt uns die Versäumnisse Europas in den vergangenen zehn Jahren ungeschminkt vor Augen“,

sagt TUM-Präsident Hofmann. Weiter meint er:

„Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft dürfen nicht länger die Hoheit über ihre Daten abgeben und sich von geschlossenen, intransparenten Systemen abhängig machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass sowohl Anbieter als auch Nutzer vertrauenswürdige, partizipative Alternativen herbeisehnen. Wenn Europa mit einer gemeinschaftlichen Anstrengung solche Basistechnologien entwickelt, können wir ein kreatives Ökosystem mit großer Wertschöpfung schaffen.“

Jan-Hendrik Passoth vom Munich Center for Technology in Society ergänzt:

„Zivilgesellschaftliche Initiativen, kreative Startups und engagierte Projekte, die offene Technologien und Orientierung am Gemeinwohl innovativ verbinden, gibt es gerade in Europa in großer Zahl. Sie spielen beim Aufbau eines offenen digitalen Ökosystems eine entscheidende Rolle.“

Faire Zugangs- und Nutzungsbedingungen

„Wenn Europa jetzt kraftvoll handelt und eine ambitionierte Initiative startet, kann ein öffentlicher digitaler Raum entstehen, der faire Zugangs- und Nutzungsbedingungen bietet, den öffentlichen Diskurs stärkt und die identitätsstiftende Pluralität Europas sicherstellt“,

sagt BR-Intendant Ulrich Wilhelm. Henning Kagermann ergänzt:

„Wir wollen digitale Souveränität stärken – also die Selbstbestimmung Europas als Rechts- und Wertegemeinschaft und jedes einzelnen Nutzers. Wohlgemerkt, digitale Souveränität sichern wir durch Offenheit und Wahlfreiheit. Jeder kann sich am Aufbau des europäischen digitalen Raums beteiligen, der europäische Werte beachtet.“

Regina Bruckschlögl

Nach eigenen Startup-Erfahrungen blickt sie als Redakteurin von Munich Startup nun aus einer anderen Perspektive auf die Münchner Startup-Szene – und entdeckt dabei jeden Tag, wie vielfältig das Münchner Ökosystem ist. Startup Stories, die erzählt werden wollen!

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