MediaMarktSaturn und das Plug and Play Tech Center suchen im Münchner Retailtech Hub nach Innovationen für den Einzelhandel. Martin Wild, Chief Digital Officer bei MediaMarktSaturn, erklärt uns das Startup-Programm.
Stellen Sie den Retailtech Hub bitte kurz vor!
Der Retailtech Hub wurde im August dieses Jahres von MediaMarktSaturn ins Leben gerufen. Die offene Plattform wendet sich an Tech-Startups aus allen Bereichen des Handels weit über Consumer Electronics hinaus. Gleichzeitig steht sie offen für weitere Handelsunternehmen. Gemeinsam mit den Accelerator-Experten von Plug and Play Tech Center aus dem Silicon Valley bieten wir eine in Deutschland einmalige Innovationsplattform für Startups und etablierte Unternehmen aus der Handelsbranche.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit Plug and Play aus?
Plug and Play hat unglaublich großes Know-how, wenn es um die praktische Umsetzung von Startup-Programmen geht. MediaMarktSaturn hat täglich sechs Millionen Kundenkontakte und große Erfahrung, wenn es um die Umsetzung von Pilotprojekten mit Startups geht. Zusammen bieten wir Startups dadurch eine einmalige Infrastruktur, um sich weiter zu entwickeln. Das lockt die besten Jungunternehmer zu uns. Und dadurch kommen dann auch tolle Händler zu uns. Das ist ein sehr positiver Kreislauf, der das Retailtech Hub immer besser macht.
„Das Spacelab war unser MVP und wir haben gepivotet“
Was ist damals beim MS Spacelab schiefgelaufen? Welche Lehren haben Sie daraus gezogen und wie unterscheidet sich der Retailtech Hub vom Spacelab?
Das Programm war ein hervorragender erster Schritt — nicht umsonst rollen wir eines der Angebote aus dem ersten Batch, die Deutsche Technikberatung, derzeit bundesweit aus. Allerdings war das Programm nur für den Handel mit Consumer Electronics offen. Viele Startups sind aber für alle Handelsbereiche relevant — denken Sie an Zahlungssysteme oder Logistiklösungen. Wir wollten das Programm auch für sie spannend machen. Deshalb haben wir das Retailtech Hub als offene Plattform für die Handelsbranche gegründet. Er steht für Handelsunternehmen und -Startups aus allen „Verticals“ — also Lebensmittel, Kleidung, Baumärkte und so weiter — offen. Zudem konzentrieren wir uns auf das, was auch das Spacelab erfolgreich gemacht hat — die Pilotprojekte. Und wir verzichten auf Dinge, die es eher kompliziert machten — dass die Startups Anteile abgeben mussten und bei uns einziehen mussten. Das Spacelab war unser MVP und wir haben gepivotet. Wie es sich in der Startup-Welt gehört.
Sie suchen nach Partnern aus unterschiedlichen Handelsbranchen. Schon jetzt arbeiten Sie mit Lidl und Kaufland zusammen. Was versprechen Sie sich von dieser Coopetition? Wo ist die Grenze der Zusammenarbeit?
Wir können den Handel von morgen nur gestalten, wenn wir alte Denkmuster über Bord werfen. Der Retailtech Hub ist ein offener Accelerator für die gesamte Handelsbranche. Ziel ist es, den Startups so möglichst vielfältige und breite Möglichkeiten zu geben, ihre Ideen in der Praxis zu erproben. Davon können am Ende des Tages alle profitieren. Der Retailtech Hub ist eine offene Plattform — das gilt für Startups, die uns überzeugen, gleichermaßen wie für Handelsunternehmen, die sich anschließen möchten und zum Accelerator passen. Gleichzeitig sehen wir erhebliche Synergien, wenn wir beim Thema Innovation enger mit anderen Handelsunternehmen zusammen arbeiten. Die Erfahrungen aus den Piloten mit den Startups werden mit den Partnern geteilt — damit gewinnen alle, Startups und Handelsunternehmen.
„Der Retailtech Hub ist ein sehr offenes Programm“
Mit Startups aus welchen Branchen arbeitet der Retailtech Hub zusammen? Was bieten Sie ihnen?
An der ersten Batch, die im Oktober startete, nehmen zehn Startups teil. Von der Zahlung direkt am Regal über Marktforschung mithilfe eines digitalen Superhirns bis hin zu Video-Rezensionen von Produkten sind viele spannende Lösungen für den Handel vertreten. Die Teilnehmer jeder Runde, den sogenannten Batches, durchlaufen ein dreimonatiges Programm mit verschiedenen Fokuswochen. Hier arbeiten sie mit erfahrenen Mentoren und Coaches des Programms unter anderem zu HR, Marketing, Funding, Business Development oder Operations eng zusammen. Wichtigstes Element ist ein gemeinsames Pilotprojekt mit uns und unseren Handelspartnern, in dessen Rahmen die Innovationen in der Praxis umgesetzt und getestet werden. Am Ende der drei Monate steht ein Demo-Day — hier präsentieren sich die Startups den Entscheidungsträgern von MediaMarktSaturn, Plug and Play sowie unseren Partnern und der Startup- und Investoren-Szene.
Eindrücke aus dem Retailtech Hub (Fotos: Retailtech Hub):
Welche Startups scheiden von vornherein für eine Zusammenarbeit mit dem Retailtech Hub aus?
Der Retailtech Hub ist ein sehr offenes Programm, allerdings sollten die Startups einen Bezug zur Handelsbranche haben und hier das Potenzial für eine praktische Umsetzung ihrer Lösungen bieten. Das Startup muss auch bereits ein Produkt haben mit dem pilotiert werden kann. Startups, die gerade erst eine Idee haben, können aus anderen Programmen mehr Unterstützung bekommen. Dazu vermitteln wir auch gerne. Zum Beispiel an das Brigk in Ingolstadt, dessen Partner MediaMarktSaturn ist.
Müssen Startups Angst haben, dass Sie sich zu sehr einmischen?
Nein, wir sehen uns als Geschäftspartner der Startups — alles andere wäre auch vermessen. Startups haben heute vielfach das Problem, dass ihre Ideen lange brauchen, bis sie bei den Entscheidern aus den Unternehmen ankommen. Das ändern wir. Zudem geben wir ihnen Hilfestellung bei zahlreichen operativen Themen. Aber es gilt: Viel kann, nichts muss.
Wie sehr wird sich das Einkaufen in den nächsten fünf Jahren verändern? Wie gut ist MediaMarktSaturn darauf vorbereitet? Und welche Rolle spielt der Retailtech Hub dabei?
Handel wird hyperpersonalisiert — und zwar egal, ob online, mobile, im Store und zuhause. Ziel ist es, dass der Kunde immer das richtige Angebot von uns bekommt — um das zu ermöglichen, gibt es jede Menge Stellschrauben, an denen wir gemeinsam mit Startups drehen können. Für den Kunden werden das großartige Zeiten. Und für den Händler, der das erkennt um umsetzt, auch. Wir freuen uns deshalb sehr darauf.
Vielen Dank für das Gespräch!