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„Wer Startups nicht als Teil seiner digitalen Transformation sieht, hat verloren.“ — Nachgefragt bei Wayra

Der große Münchner Accelerator Wayra hat sich im vergangenen Jahr neu aufgestellt. Die veränderte Strategie ist auch dem neuen Geschäftsführer Christian Lindener geschuldet, der Wayra 2017 übernommen hat. Wir haben mit ihm über das neue Geschäftsmodell, die Einbindung von Startups in Corporates sowie das neue Resident-Programm bei Wayra gesprochen.

Wayra hat sich im vergangenen Jahr neu aufgestellt. Was genau hat sich geändert?

Früher hat Wayra zuerst in Startups investiert und später versucht, diese in Konzerne zu integrieren. Das hat nicht gut funktioniert. Es gab diverse Companies, mit denen später keine Zusammenarbeit zustande kam. Wir gehen jetzt viel früher im Prozess in große Unternehmen rein, schauen zuerst, was die Technologiefelder sind, welche Lösungen gebraucht werden und suchen dann global nach Startups, die die fehlende Technologie anbieten. Also haben wir den Prozess komplett umgedreht. Wir investieren nur noch in die Besten, und wenn wir investieren, dann große Tickets. Wayra investiert nur in Teams, die wir auch massiv skalieren können, über Deutschland hinweg nach Spanien, UK und die anderen acht Wayras auf der Welt. Das ist auch das, was wir die letzten zweieinhalb Jahre gemacht haben. 40 der von uns geförderten Jungunternehmen haben 100 Prozent Wachstum Jahr für Jahr und mehr als 1 Millionen Euro Umsatz pro Jahr.

Neue Strategie bei Wayra

Das Angebot von Wayra richtet sich also nicht mehr an Startups im Aufbau, sondern an die, die schon deutlich weiter sind?

Christian Lindener von Wayra
Christian Lindener ©  Wayra Deutschland

Das ist richtig. Bei der Betreuung von Startups, die gerade erst starten, machen die UnternehmerTUM, das CDTM und das LMU EC einen hervorragenden Job. Wir schalten uns erst ein, wenn sie ein Exist-Gründerstipendium bekommen haben. Wir investieren dann bis zu einer halben Million Euro, holen noch andere Investoren an Bord, haben Telefónica als Kunden und skalieren sie über die Plattformen, die Ländergesellschaften und idealerweise über 350 Millionen Kunden weltweit. Dann werden sie richtig groß. Bekannte Beispiele sind E-bot7, Conntac, Relayr und Foodora.

Also stellt Ihr den Startups nicht mehr Büroflächen und Anfangsstarthilfe zur Verfügung, sondern bietet ihnen die Möglichkeit, mit einem großen Unternehmen wie der Telefónica zusammenzuarbeiten?

Genau, und somit auch mit 49 Millionen Kunden in Deutschland und 350 Millionen weltweit. Und sie können auf unsere Audio-, Video-, Daten und KI-Plattformen zugreifen. Das ist alles über OpenAPIs ansteuerbar und ein riesiger Asset für Startups. Wir arbeiten nur mit Startups aus den Bereichen IoT, Advanced Data Analytics oder Enterprise AI zusammen. Und fast nur mit B2B-Startups, wenigen B2C-Startups. Weil das ist ein anderes und langwieriges Geschäft.

So funktioniert die Einbindung von Startups in Corporates

Wie bindet Wayra Startups erfolgreich in Corporates ein?

In einem Konzern blockieren immer dieselben Faktoren Innovationen: Menschen, Prozesse und Legacy-Technologie-Architekturen. Wir haben gesehen, dass wir der Telefónica so viele Startups in den Schoß geben können, wie wir wollen. Wenn auf der anderen Seite keine Hand da ist, die sie aufnimmt, ist es sinnlos, kostet Zeit und Geld und schafft Frustration auf beiden Seiten. Außerdem kannst du es vergessen, wenn es keine sauberen Schnittstellen gibt, die funktionieren und schnell sind. Daher sind wir durch alle Prozesse gegangen, haben Interfaces gebaut und uns die richtigen Leute gesucht. Wir haben ein Intrapreneurship-Programm aufgebaut. Weil wir gesagt haben, man muss die Company infiltrieren um Startups reinbringen zu können. Jetzt dauern all unsere Prozesse nur noch 30 Tage. Zusätzlich bringen wir den Startups bei, wie man einen B2B-Enterprise-Pitch macht. Weil das natürlich ganz anders als ein Investor-Pitch oder ein Event-Pitch läuft. Die wollen einfach ganz andere Sachen sehen.

Und was war die erfolgreichste Zusammenarbeit zwischen einem Startup und der Telefónica bisher?

Zu den größten Erfolgen gehört E-bot7, das ist auch ein bekanntes Team aus München. Die waren auch sehr lange hier im Büro, bis sie einfach zu groß geworden sind. Jetzt sitzen die drüben am Odeonsplatz. Und Conntac, das ist ein Team aus Augsburg. Das waren drei Hustler, jetzt ist das auch ein großes Team, und die Firma ist sehr viel mehr wert und bietet nicht nur in Deutschland ihren Service an, sondern auch in anderen Ländern des Telefónica Universums.

Was hat Telefónica von der Zusammenarbeit mit den Startups?

Die Telefónica hat im letzten Jahr unter anderem zweistellige Millionenbeträge mehr Einkünfte über Startups erwirtschaftet. Außerdem bieten wir das Programm, das wir erfolgreich für Telefónica entwickelt haben, jetzt auch anderen Corporates als Service an. Und die Zusammenarbeit mit Startups bietet uns eben den ultimativen Zugang zu Innovation. Wer heute Startups nicht als Teil seiner digitalen Transformation sieht, der hat eigentlich schon verloren. Hinzu kommen die Vorteile durch das Experimentieren neuer Ideen, kosteneffektives Lernen und Geschwindigkeit. Also die Fähigkeit Innovationen schnell umzusetzen. Ein Innovationsprojekt in einem Konzern durchzuführen, dauert oftmals Jahre. Wir schaffen das mit Startups in wenigen Monaten.

Das neue Resident-Programm bei Wayra

Was passiert jetzt mit diesem großen Büro hier am Marienplatz. Da saßen ja früher die ganzen Startups, die Ihr gefördert habt. Wer sitzt jetzt hier?

Wir haben ja hier nicht mehr die Seedy-Teams, aber trotzdem noch 1000 Quadratmeter Office-Space. Den müssen wir ja auch bespielen. Also haben wir gesagt, warum geben wir der Community nicht etwas zurück? Wenn man ein Ökosystem oder eine Community schafft, dann ist das gut für die Stadt, attraktiv für andere und es entstehen Innovationen. Jetzt sitzen hier die ganzen Leute, die die Events machen, ein paar Startups wie zum Beispiel Smokeless, also Leute aus dem Ökosystem. Dann sind da auch noch viele junge Startups, die wir uns noch anschauen. Die dürfen kostenlos den Office-Space nutzen. Und außerdem sitzen hier noch unsere investierten Startups, und Leute, die für Workshops reinkommen sowie unsere internen Kollegen der Telefónica.

Wayra Office Space

Und im Gegenzug? Was erwartet Wayra von den Residents, also den Startups und Einzelpersonen, die jetzt die Büroräume nutzen?

Jeder Resident kann ein Resident-Projekt machen. Wir sind halt eine Community, da bringt man die richtigen Leute zusammen. Die Residents sind sehr committed. Die lieben den Space und die Wayra und verstehen was wir machen. Wir haben also überall Multiplikatoren, die da draußen sind und die Story der Wayra erzählen. Die können hier ihre eigenen Projekte machen, ihre eigenen Events organisieren und die Meeting-Räume nutzen. Ein Ökosystem baut man eben nicht nur mit Geld auf, sondern indem man Leute gezielt zusammenbringt.

Wie sehen die Resident-Projects genau aus?

Das kann beispielsweise ein Meetup sein oder auch ein Quesadillas-Friday. Gestern wurde zum Beispiel der CTO-Round-Table organisiert. Da kamen die CTOs zusammen und haben ihre Themen diskutiert.  Wir haben viele Themen wie Female Entrepreneurs, Find-Your-Cofounder und How-to-raise-Money-Events. Also lauter Themen, die wir früher schon hatten, aber die jetzt aus der Community für die Community organisiert werden.

Wie wird man Resident bei Wayra?

Wir entscheiden das von Fall zu Fall. Wir schauen uns an, wer die Person ist, ob sie einen Bezug zum Startup-Ökosystem hat, wie gut sie vernetzt ist und was sie macht. Da muss natürlich die Bereitschaft vorhanden sein, in so einer Community zu leben, ein Projekt umzusetzen und sich an die Regeln zu halten. Wir haben es zuerst regelfrei gemacht, aber wir haben gesehen, dass das nicht funktioniert, weil man eben doch einen Rahmen braucht. Das wollten die Leute auch. Die wollten wissen, was sie zurückgeben können.

Und so sind die Projekte entstanden. Da haben wir dann so Aktionen wie Trash-Dates, wo man zusammen den Papiermüll wegbringt und sich kennen lernt. Außerdem gibt es ein Punktesystem, wie aktiv man zum Beispiel bei Slack ist. Oder man fragt hier rum, wer die Person xyz kennt. Und wenn fünf Leute sagen, dass sie nicht wissen, wer das ist, dann bekommt die Person xyz nicht so gute Social-Points. Es geht einfach auch darum, dass man sich in der Community engagiert.

Vor- und Nachteile des Ökosystems in München

Was gefällt Dir am Standort München und was fehlt Dir?

München ist ein super Standort für B2B-Startups wegen der ortsansässigen Corporates. Hier ist das goldene Dreieck mit Corporates, Investoren und Academia. In diesem Dreieck entsteht alles, was ein Ökosystem fliegen lässt. Was aber durchaus noch sehr verbesserungswürdig ist, ist dass wir sehr viele Akteure in dem System hier haben, die dasselbe machen, aber unglaublich schlecht vernetzt sind. Jeder kocht sein Süppchen und ist nicht bereit was zusammen zu machen. Hier organisiert zum Beispiel jeder seinen Demoday. Jetzt haben wir vorgeschlagen mal einen zusammen zu veranstalten. Und jetzt machen wir die Summer Expo. Das ist jetzt das erste Mal, dass solche Sachen passieren. Da könnten wir sehr viel besser sein.