Going Global: Erfolgsfaktoren für Startups in Indien

Eine Expansion nach Indien verspricht Unternehmen viel: Der Markt ist groß, die Bevölkerung technik-affin und es warten viele gut ausgebildete, junge Arbeitskräfte. Trotzdem gilt die Region als schwierig und viele multinationale Großkonzerne haben Probleme, dort Ergebnisse zu erzielen. Wie Startups trotz allen Widrigkeiten Erfolge in Indien feiern können erklärt Wiebke Dörfler, Geschäftsführerin des Bayerisch-Indischen Zentrums für Wirtschaft und Hochschulen (BayIND), in unserer Reihe „Going Golbal“.

Außer der Größe des indischen Marktes stellen die verhältnisweise niedrigen Lohnkosten sowie das große Potenzial an gut ausgebildetem Personal im Bereich der Technik/ IT-Industrie wichtige Pull-Faktoren dar. Warum kann es also sein, dass es für Startups erfolgversprechender ist auf indischen Markt aktiv zu werden, als es bei den MNCs der Fall ist? Der indische Markt und auch das Geschäftsgebaren unterliegen häufig großer Dynamik, die von Unternehmen flexibles und agiles Handeln erfordert. Startups, die häufig selber noch flexiblere Strukturen haben, können besser auf kurzfristige Änderungen reagieren als große Unternehmen. Vieles wird in Indien improvisiert und in der letzten Minute geändert; leichter tun sich damit diejenigen, die selber bereit sind, ihre Vorgehensweise anzupassen. Neben der Flexibilität ist aber auch die gute alte sorgfältige Vorbereitung ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Be prepared…

Viele, die bereits weltweit Geschäfte gemacht haben und in anderen Ländern Asiens aktiv waren, erwarten in Indien ähnliche Strukturen wie im Rest von Asien. Dem ist aber nicht so! In Indien läuft vieles anders. Umso wichtiger ist es, sich gut vorzubereiten und sehr klare Vorstellungen davon zu entwickeln, was in dem Land möglich ist. Nicht ohne Grund benötigen selbst Riesen wie Ikea, die bereits Zugang zu einer umfangreichen Lieferkette in Indien besaßen, über 10 Jahre, um ihre ersten Aktivitäten in Indien zu starten.

Zu den Faktoren, die einen großen Einfluss auf die Vorbereitung haben, gehört die große Diversität des Landes. Es ist dies sowohl eine kulturelle wie eine sprachliche Diversität und zusätzlich bestehen noch große Unterschiede zwischen Stadt und Land. Je nach Geschäftsbereich kann es sein, dass man mit Zielgruppen arbeitet, bei denen im Vergleich zu den USA und Europa bezüglich der Arbeitskultur kein wesentlicher Unterschied zu erkennen ist. Aber im nächsten Gespräch verhandelt man mit sehr konservativen Gesprächspartnern, die viel Wert auf das Einhalten von fremden kulturellen Gepflogenheiten legen. Deshalb muss man darauf vorbereitet sein, mit wem und in welchem Kontext man in Indien unterwegs sein wird.

Natürlich geht es auch um auf die Erfordernisse des indischen Marktes. Am erfolgreichsten sind die Unternehmen in Indien, die sich mit dem Markt und den bestehenden Bedürfnissen auseinandersetzten und dabei eine klare Zielsetzung für ihre Aktivitäten entwickeln. Nur mit einer klaren Zielsetzung ist es möglich das mögliche Chaos zu meistern. Indien bietet viele Wege und somit auch viele Möglichkeiten falsch abzubiegen.

How to make a deal?

Besonders, wenn es darum geht in Verhandlungen einzusteigen, wird man darüber nachzudenken haben. Indien war über Jahrhunderte eine Handelsnation, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass Du auf geübte Verhandler triffst, ist sehr hoch. Des Weiteren weicht die Darstellung von Sachverhalten, z.B. wegen der landesüblichen blumigen Beschreibungen von der westeuropäischen Wahrnehmung häufig deutlich ab. Für langfristige Kooperation ist vor allem wichtig, bevor es in ernsthafte Verhandlungen geht, Beziehungsaufbau zu betreiben. In einem Kontext mit vielen Unwägbarkeiten sind die Fragen ob man seinem Geschäftspartner vertrauen, sich auf ihn verlassen und auch, wie weit man sich auf die Bedingungen des Gegenübers einlassen kann, entscheidende Faktoren dafür, ob man ein Geschäft eingeht.

Es geht immer darum, letztendlich ein „Win-Win-Modell“ für beide Seiten zu schaffen. Nur gute persönliche Beziehungen, in deren Aufbau gern die Familie einbezogen wird, schafft ein Umfeld, in dem auch auf kontroversen Auffassungen und andere Herausforderungen hingewiesen werden kann. Ein solches Verständnis für die Umstände etc. zu bekommen, ist natürlich auch über einen Kooperationspartner möglich, der oder die sich in Indien auskennt. Deshalb lautet die Empfehlung:

Never walk alone!

Genau wie es sich für Startups innerhalb Deutschlands anbietet, in Teams zu arbeiten, um die benötigte Kompetenz „an Bord“ zu haben, sollte man in Indien niemals versuchen, allein und ohne regionale Kenntnisse oder lokale Partner einen Markt erobern zu wollen. Indien erklärt sich nicht von selbst. Mit der steigenden Anzahl an indischen Hochschulabsolventen in Bayern ergibt sich z.B. ein gutes Potenzial, um Partner für die Aktivitäten des eigenen Startups in Indien zu finden.

Es gibt einige Initiativen, die genau wie das Bayerische-Indische Zentrum für Wirtschaft und Hochschulen (BayIND) als Brückenbauer nach Indien dienen. Dazu gehören die bayerische Repräsentanz in Indien sowie das German-Indian Business Forum (GIBF), das einmal jährlich in München stattfindet und als German-Indian Startup Connector verschiedene Programme für Startups anbietet. Des Weiteren bietet das German Indian Startup Exchange Program (GINSEP) Beratung und Veranstaltungen für Startups, die sich für den indischen Markt interessieren. Unterstützung in Indien selber bietet die „startupindia“ Initiative sowie diverse Inkubationszentren, die mittlerweile in allen größeren Städten verbreitet sind.

And finally, the daily business…

Für die Entscheidungsprozesse in indischen Unternehmen spielen die – in der Regel sehr hierarchischen – Strukturen eine große Rolle. Dein Ansprechpartner mag noch so positiv sein, solange seine Vorschläge nicht von der obersten Hierarchieebene abgesegnet wurden, ist auf ihre Gültigkeit kein Verlass. Gleichzeit verhindern die starken Hierarchien in vielen Unternehmen eine indirekte Kommunikation und funktionierende Feedback-Kultur. Da die Entscheidungen der unteren Ebenen wenig Wirkung haben, gibt es auch im Tagesgeschäft die Tendenz, Hierarchieebenen zu überspringen, um so eine Steigerung der Effizienz zu erwirken. Das kann dazu führen, dass sich die oberste Ebene zeitraubend mit diversen Kleinigkeiten auseinandersetzt.

Besonders im Tagesgeschäft spielt in der Kommunikation vor allem auch die Erreichbarkeit eine große Rolle. Viele Probleme und Fragestellungen lassen sich in einem Telefonat oder per Whatsapp erledigen, d.h. eine gute Erreichbarkeit ist ausschlaggebend für reibungslose Prozesse. Konzepte wie Wochenendfreizeit und geregelte Arbeitszeiten sind wenig verbreitet.

Dies eher flexible Konstrukt von „Zeit“ lässt sich auch auf das Thema Pünktlichkeit übertragen. Die eigentlich immer angespannte Verkehrslage und ebenso das generelle Zeitverständnis führen dazu, dass Verspätungen an der Tagesordnung sind. Als Beispiel für dieses andere Verständnis von Zeit sei das Wort „kal“ genannt, das sowohl für „gestern“ wie auch „morgen“ stehen kann. Dennoch ist die deutsche Pünktlichkeit in Indien durchaus bekannt und es kann sein, dass sie von Dir erwartet wird, auch wenn die indische Seite sich selbst nicht konsequent daran hält. In jedem Fall ist die mobile Erreichbarkeit von großer Bedeutung. Es lohnt sich immer, einen Tag zuvor und auch kurz vor dem Termin noch einmal nachzufragen, ob das Treffen tatsächlich stattfinden und die andere Partei pünktlich sein wird.

Mit etwas Vorbereitung und zuverlässigen Partnern lässt sich auch ein eher herausfordernder Markt meistern. Nutzt die Möglichkeiten, die Euch Indien vor allem im Bereich des stark wachsenden IT-Sektors bietet.

Gastbeitrag von Wiebke Dörfler

Gastbeitrag von Wiebke Dörfler

Wiebke Dörfler ist Geschäftsführerin des Bayerisch-Indischen Zentrums für Wirtschaft und Hochschulen (BayIND). Das Zentrum berät bayerische Hochschulen und Unternehmen auf ihrem Weg nach Indien und bietet Studierende aus Indien und Bayern die in Bayern leben ein Programm, in dem sie gemeinsam Gründungsideen entwickeln.

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